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25. Professor Bernhardi
Eleichheit, Wiener-Neustadt
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9
Gleichberr
Seite 3 — 1919
de
Thraterstandal bei der „Vernharoi Auffährung
H“ Was wollen die Herrschaften?
i Mittwoch ist es im MienerRestäadter, Theater
dienstvolles Werk getan, wenn sie nicht
n
ber die Aufführung von Professor Bernhrdt zu einer
die Studenten, sondern den Dr. Thurner
e
Skanhalszene gekommen. Das hat seine Vorgeschichte.
aus dem Theater hinausgeworfen und in
„Proféssor Bernhardi“ wurde seinerzeit aufgeführt und
den Arrest gesteckt hätte. Das geschah aber nicht,
von der „Wiener=Naustädter Zeitung“ und den „Wiener¬
sondern man ließ unbegreiflicherweise den Dr. Thurner
Neustädter Nachrichten“ in abfälliger Weise beurteilt.
im Theater gewähren und es fand sich auch niemand,
Das ist das gute Recht der Zeitung und kein Mensch
der diesen frechen Burschen beim Genick nahm und ein:
wird sich darüber aufhalten, daß das Stück bei dem einen
fach aus dem Theater hinauswarf. Dadurch ist es ge¬
Gefallen, bei dem anderen Mißfallen erregt. Die Kritik
kommen, daß sich die Störungen von Akt zu Akt fort¬
ist frei und soll jeder seinen Standpunkt vertreten.
schleppten und es immer wieder zu neuen Szenen kam.
Dr. Thurner, der Redakteur der „Wiener=Neustädter
Die Herrschaften, die sich über „Professor Bernhardi“ so
Zeitung“, benützte aber diese Gelegenheit, wenigre um
aufregen, können es nicht vertragen, daß ihnen auch
eine Theaterkritik zu schreiben, als eine Hetze
vom Theater aus der Spiegel vor das Gesicht
gegen die Juden einzuleiten. Wir haben
gehalten wird. Sie können es nicht vertragen, daß
schon das Stück kürz beschrieben. Der Professor Bernhardi
sie einmal von der Bühne herab in der richtigen Art und
will einen Geistlichen nicht zu einer Kranken zulassen,
Weise gegeißelt werden. Alles, nur nicht die
die im sterbenden Zustand liegt. Das wird nun gegen
Wahrheit! Die Wahrheit können die Herrschaften
Professor Bernhardi ausgenützt, er wird als Religions¬
nicht vertagen und geschieht es dennoch, so schreien sie
störer hingestellt und schließlich verurteilt. Schnitzler
auf und vöbeln die an, die ihnen die heuchlerische Maske
hat mit diesem Stück an allen deutschen
vom Gesicht reißen. Wem Professor Bern¬
Bühnen einen durchschlagenden Erfolg
hardi nicht paßt, der bleibe einfach dem
erzielt. Im Burgtheater und allen großen Theatern
Theater fern. So wenig es einem Sozial¬
ist „Prafessor Bernhardi“ aufgeführt und beifällig vom
demokraten einfallen wird bei irgend
Publikbm ausgenommen worden; eine derartige
einem Kerzelweiberstück ins Theater zu
Unkultur und einen derartigen Tiefstand
gehen, so wenig brauchen diese „Vollblut¬
in der Beurteilung eines dichterischen
arier“ mit jüdischen Namen sich aufregen,
Werkes bleibt wirklich den Leuten à la
wenn einmal ein Stück aufgeführt wird,
Dr. Thurner vorbehalten. Es wäre auch hier
das ihnen nicht paßt. Wohin kämen wir, wenn
11
in Wiener=Neustadt die Aufführung ohne Zwischenfälle
wir jedes Stück von der politischen Seite aus betrachten
vorübergegangen, wenn nicht die Christlichsozialen eine
würden? Aber die Herren wollen nichts weiter als ihre
schamlose Hetze inszeniert hätten. Der Herr Dr. Thurner
schmutzigen politischen Geschäfte betreiben und dazu war
ging so weit, dem Theaterdirektor zu drohen, wenn
ihnen die Aufführung des „Professor Bernhardi“ ein
das Stück noch einmal aufgeführt wird,
willkommener Anlaß. Das sieht man ganz deutlich an
wird er mit seinen Lausbuben das
der Berichterstattung der „Wiener-Neustädter Zeitung“
Theater demolieren und einen großen
und der „Nachrichten“. Die Krawallszenen, die Laus¬
Skandal provözieren, der auf der Straße
bübereien, die einige Windbeuteln im Theater hervor¬
seine Fortsetzung finden wird. Das hat der
gerufen haben, werden zu einem Politikum gemächt.
Herr alles sich in der „Wiener=Neustädter Zeitung“
Von Versammlung zu Versammlung geht der Doktor
zu schreiben getraut.
Thurner mit seinem studentischen Troß damit krebsen
Der Theaterdirektor hat nun, um jedem Skandal
und gefällt sich in der Rolle des Heldendarstellers und
des Judenbezwingers. Die Herren mögen auf der Hut
auszuweichen und sich von der Schuld zu befreien,
sein, sie mögen den Bogen nicht überspannen! Die or¬
eventuell durch die Aufführung Weiterungen herbei¬
zuführen, das Stück einmal sogar vom an¬
ganisierte Arbeiterschaft unserer Stadt
gesetzten Spielvlan abgesetzt. Nach einiger
weiß ganz gut, daß diese Theaterkrawakle
Zeit versuchte nun der Theaterdirektor ein Ueberein¬
nur der Vorwand einer versteckten monar¬
kommen mit den Christlichsozialen herbeizuführen, das
chistischen Gesinnung sind und wird es
Stück anführen, nachdem ihn der Kontrakt dazu ver¬
nicht zulassen, daß die Herrschaften unter
einem
pflichtete. Der Dr. Thurner gefiel sich in der Rolle des
neutralen
Mäntelchen ihre
reaktionären Pläne durchsetzen.
Zensors; er sagte gnädig zu, machte aber die klaglose
Abwicklung von der Streichung bestimmter Stellen ab¬
Krawalle auch nach dem Theater.
hängig. Dabei drohte er neuerdings dem Theaterdirektor,
wenn sein Wille nicht geschehe, wird es zu großen
Noch der Beendigung der Vorstellung zogen die
Krawallen kommen. Der Theaterdirektor nahm wohl
Studenten vor das Rathaus und verlangten dort die
Streichungen vor, sie genügten aber dem Dr. Thurner
Freilassung der vier aus dem Theater gewiesenen
nicht. Mittwoch sollte neuerdings „Professor Bernhardi“
Studenten. Diese konnten nicht freigelassen werden, da
aufgeführt werden. Was machte der Dr. Thurner? Er
sie überhaupt nicht eingesperrt waren, sondern nur ihr
kaufte durch die Gelder des Volksbundes Karten und
Nationale festgestellt wurde. Unter dem Ruf Nieder
verteilte diese Freikarten unter den hiesigen Mittel¬
mit den Juden“ zogen diese nächtlichen Ruhestören
schülern. Nicht nur das allein. Er stattete die Mittel¬
zum Rathaus. Während des Zuges dorthin teilten sie
schüler mit Sturmpfeischen aus und instruierte sie in
die bekannten Hetzzettel „Der Schmachfriede ein Werk.
einer tagszuvor gehabten Zusammenkunft ganz genau,
der Juden“ und auch sonstige Agitationszettel aus, die
bei welchen Stellen sie den Krawall im Theater be¬
ganz deutlich erkennen lassen, daß die ganze Sache plan¬
ginnen sollen. Ein Herr Mann, der wenig männische
mäßig vorbereitet war. Vor dem Rathaus erklärte den
Allüren hat, war der Ausführer der Thurnerschen Ein¬
Versammelten der Polizeiinspektor Schreiber, sie mögen
gebungen. Dr. Thurner war es, der als Agent provo¬
nuhig nach Haufe gehen und die Ruhestörungen unter¬
eateur bezeichnet werden muß. Er hat den ganzen
lassen. Darauf schwang sich ein gewisser Kukertz, der
Skandal im Theoter in Szene gesetzt und hat damit die
sich tags vorher in der Rolle des Judenfresses gefiel, auf
jungen Leute in eine ebenso unangenehme wie gefähr¬
die Gaslaterne — auf der er aber nicht aufgehängt
liche Situation gebracht. Im dritten Aktbegann
wurde — und hielt eine „Brandrede“ gegen die Juden
die Pöbelei. Dr. Thurner gab das Zeichen und das
und hetzte die Studenten auf, wenn es notwendig
Geheul brach los. Die im Theater anwesenden Genossen
sein muß, am nächsten Tage wieder¬
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25. Professor Bernhardi
Eleichheit, Wiener-Neustadt
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Thraterstandal bei der „Vernharoi Auffährung
H“ Was wollen die Herrschaften?
i Mittwoch ist es im MienerRestäadter, Theater
dienstvolles Werk getan, wenn sie nicht
n
ber die Aufführung von Professor Bernhrdt zu einer
die Studenten, sondern den Dr. Thurner
e
Skanhalszene gekommen. Das hat seine Vorgeschichte.
aus dem Theater hinausgeworfen und in
„Proféssor Bernhardi“ wurde seinerzeit aufgeführt und
den Arrest gesteckt hätte. Das geschah aber nicht,
von der „Wiener=Naustädter Zeitung“ und den „Wiener¬
sondern man ließ unbegreiflicherweise den Dr. Thurner
Neustädter Nachrichten“ in abfälliger Weise beurteilt.
im Theater gewähren und es fand sich auch niemand,
Das ist das gute Recht der Zeitung und kein Mensch
der diesen frechen Burschen beim Genick nahm und ein:
wird sich darüber aufhalten, daß das Stück bei dem einen
fach aus dem Theater hinauswarf. Dadurch ist es ge¬
Gefallen, bei dem anderen Mißfallen erregt. Die Kritik
kommen, daß sich die Störungen von Akt zu Akt fort¬
ist frei und soll jeder seinen Standpunkt vertreten.
schleppten und es immer wieder zu neuen Szenen kam.
Dr. Thurner, der Redakteur der „Wiener=Neustädter
Die Herrschaften, die sich über „Professor Bernhardi“ so
Zeitung“, benützte aber diese Gelegenheit, wenigre um
aufregen, können es nicht vertragen, daß ihnen auch
eine Theaterkritik zu schreiben, als eine Hetze
vom Theater aus der Spiegel vor das Gesicht
gegen die Juden einzuleiten. Wir haben
gehalten wird. Sie können es nicht vertragen, daß
schon das Stück kürz beschrieben. Der Professor Bernhardi
sie einmal von der Bühne herab in der richtigen Art und
will einen Geistlichen nicht zu einer Kranken zulassen,
Weise gegeißelt werden. Alles, nur nicht die
die im sterbenden Zustand liegt. Das wird nun gegen
Wahrheit! Die Wahrheit können die Herrschaften
Professor Bernhardi ausgenützt, er wird als Religions¬
nicht vertagen und geschieht es dennoch, so schreien sie
störer hingestellt und schließlich verurteilt. Schnitzler
auf und vöbeln die an, die ihnen die heuchlerische Maske
hat mit diesem Stück an allen deutschen
vom Gesicht reißen. Wem Professor Bern¬
Bühnen einen durchschlagenden Erfolg
hardi nicht paßt, der bleibe einfach dem
erzielt. Im Burgtheater und allen großen Theatern
Theater fern. So wenig es einem Sozial¬
ist „Prafessor Bernhardi“ aufgeführt und beifällig vom
demokraten einfallen wird bei irgend
Publikbm ausgenommen worden; eine derartige
einem Kerzelweiberstück ins Theater zu
Unkultur und einen derartigen Tiefstand
gehen, so wenig brauchen diese „Vollblut¬
in der Beurteilung eines dichterischen
arier“ mit jüdischen Namen sich aufregen,
Werkes bleibt wirklich den Leuten à la
wenn einmal ein Stück aufgeführt wird,
Dr. Thurner vorbehalten. Es wäre auch hier
das ihnen nicht paßt. Wohin kämen wir, wenn
11
in Wiener=Neustadt die Aufführung ohne Zwischenfälle
wir jedes Stück von der politischen Seite aus betrachten
vorübergegangen, wenn nicht die Christlichsozialen eine
würden? Aber die Herren wollen nichts weiter als ihre
schamlose Hetze inszeniert hätten. Der Herr Dr. Thurner
schmutzigen politischen Geschäfte betreiben und dazu war
ging so weit, dem Theaterdirektor zu drohen, wenn
ihnen die Aufführung des „Professor Bernhardi“ ein
das Stück noch einmal aufgeführt wird,
willkommener Anlaß. Das sieht man ganz deutlich an
wird er mit seinen Lausbuben das
der Berichterstattung der „Wiener-Neustädter Zeitung“
Theater demolieren und einen großen
und der „Nachrichten“. Die Krawallszenen, die Laus¬
Skandal provözieren, der auf der Straße
bübereien, die einige Windbeuteln im Theater hervor¬
seine Fortsetzung finden wird. Das hat der
gerufen haben, werden zu einem Politikum gemächt.
Herr alles sich in der „Wiener=Neustädter Zeitung“
Von Versammlung zu Versammlung geht der Doktor
zu schreiben getraut.
Thurner mit seinem studentischen Troß damit krebsen
Der Theaterdirektor hat nun, um jedem Skandal
und gefällt sich in der Rolle des Heldendarstellers und
des Judenbezwingers. Die Herren mögen auf der Hut
auszuweichen und sich von der Schuld zu befreien,
sein, sie mögen den Bogen nicht überspannen! Die or¬
eventuell durch die Aufführung Weiterungen herbei¬
zuführen, das Stück einmal sogar vom an¬
ganisierte Arbeiterschaft unserer Stadt
gesetzten Spielvlan abgesetzt. Nach einiger
weiß ganz gut, daß diese Theaterkrawakle
Zeit versuchte nun der Theaterdirektor ein Ueberein¬
nur der Vorwand einer versteckten monar¬
kommen mit den Christlichsozialen herbeizuführen, das
chistischen Gesinnung sind und wird es
Stück anführen, nachdem ihn der Kontrakt dazu ver¬
nicht zulassen, daß die Herrschaften unter
einem
pflichtete. Der Dr. Thurner gefiel sich in der Rolle des
neutralen
Mäntelchen ihre
reaktionären Pläne durchsetzen.
Zensors; er sagte gnädig zu, machte aber die klaglose
Abwicklung von der Streichung bestimmter Stellen ab¬
Krawalle auch nach dem Theater.
hängig. Dabei drohte er neuerdings dem Theaterdirektor,
wenn sein Wille nicht geschehe, wird es zu großen
Noch der Beendigung der Vorstellung zogen die
Krawallen kommen. Der Theaterdirektor nahm wohl
Studenten vor das Rathaus und verlangten dort die
Streichungen vor, sie genügten aber dem Dr. Thurner
Freilassung der vier aus dem Theater gewiesenen
nicht. Mittwoch sollte neuerdings „Professor Bernhardi“
Studenten. Diese konnten nicht freigelassen werden, da
aufgeführt werden. Was machte der Dr. Thurner? Er
sie überhaupt nicht eingesperrt waren, sondern nur ihr
kaufte durch die Gelder des Volksbundes Karten und
Nationale festgestellt wurde. Unter dem Ruf Nieder
verteilte diese Freikarten unter den hiesigen Mittel¬
mit den Juden“ zogen diese nächtlichen Ruhestören
schülern. Nicht nur das allein. Er stattete die Mittel¬
zum Rathaus. Während des Zuges dorthin teilten sie
schüler mit Sturmpfeischen aus und instruierte sie in
die bekannten Hetzzettel „Der Schmachfriede ein Werk.
einer tagszuvor gehabten Zusammenkunft ganz genau,
der Juden“ und auch sonstige Agitationszettel aus, die
bei welchen Stellen sie den Krawall im Theater be¬
ganz deutlich erkennen lassen, daß die ganze Sache plan¬
ginnen sollen. Ein Herr Mann, der wenig männische
mäßig vorbereitet war. Vor dem Rathaus erklärte den
Allüren hat, war der Ausführer der Thurnerschen Ein¬
Versammelten der Polizeiinspektor Schreiber, sie mögen
gebungen. Dr. Thurner war es, der als Agent provo¬
nuhig nach Haufe gehen und die Ruhestörungen unter¬
eateur bezeichnet werden muß. Er hat den ganzen
lassen. Darauf schwang sich ein gewisser Kukertz, der
Skandal im Theoter in Szene gesetzt und hat damit die
sich tags vorher in der Rolle des Judenfresses gefiel, auf
jungen Leute in eine ebenso unangenehme wie gefähr¬
die Gaslaterne — auf der er aber nicht aufgehängt
liche Situation gebracht. Im dritten Aktbegann
wurde — und hielt eine „Brandrede“ gegen die Juden
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und hetzte die Studenten auf, wenn es notwendig
Geheul brach los. Die im Theater anwesenden Genossen
sein muß, am nächsten Tage wieder¬
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