II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 519

Sesetesgense. Anenen enen ere
als einen Wert anschen, dem staatlicher Schutz ge¬
bührt. Da niemand fragte, hat man es den Hütern
der republikanischen Ordnung leichter gemacht, als
ihren Vorgängern, den k. u. k. Amtsstellen, welch
beide allerdings, nur dem Namen nach verschieden,
im Denken und Sein identisch sind. Im alten
Oesterreich verbot man Stücke von der Art des
Arnold Zweigschen Dramas, weil jede Emotion,
die nicht dem üblichen Thema, dem Erotischen,
entsprang, nicht erwünscht war. Darum verbo
man seinerzeit Artur Schnitzlers männlichstes
Werk „Professor Beals Zeitdoku.
ment des zum Tode verurteilten Oesterreich nich
genug gewürdigt worden ist. Die republikanische
Regierung hat diesem Stück keine Schwierigkeiten
bereitet und der ungestörte Verlauf von fünfhundert
Aufführungen im Wiener Deutschen Volkstheater
beweist, daß es der neustaatlichen Ordnung nicht
geschadet hat. Allein, wenn der Grundsatz richtig
sein soll, daß der Staat die Pflicht hat, nicht ein
geistiges Werk vor den Exzessen einer niedrigen
Gesinnung, sondern jede niedrige Gesinnung vor
den geistigen Wirkungen eines Werkes zu schützen,
dann allerdings haben die alten k. u. k. Feder¬
fuchser ihre Pappenheimer besser gekannt und
jedenfalls den richtigeren Instinkt gehabt, als sie
dem verehrten Publikum Schnitzlers Drama vor¬
enthielten. Denn wenn es auch in Wiens Intelli¬
genztheater ohne Störung die Bühne passieren
konnte, so hat es ein paar Kilometer weiter, in
Wiener=Neustadt, die berühmte „Volksseele“ koche:
gemacht, die in Gestalt von etlichen Hundert Stu¬
denten und ehrsamen Philistern das Theaier fülli.
und einen argen Krakehl provozierte, der heute
noch ein merkwürdiges Nachspiel hatte. Währent
des Theaterlärms war nämlich auch der sozialdemo.
kratische Vizebürcermeister Pyschler zugegen und
dieser schlichte Mann rief der tobenden Bürger¬
jugend von Wiener=Neustadt das Wörtchen „Laus¬
buben“ zu. Daraufhin beschlossen die Knaben
einen eintägigen Streik was ihnen um so leichter
fiel, als der größte Teil der Professoren sich daran
beteiligte.
Die ganze Abwehr wäre höchst bedeutungskos,
wenn sie nicht mehr als ein kleines Kulturbildchen
aufzeigen würde. Es wäre eine Täuschung gröb¬
ster Art, zu meinen, daß politische oder stagtliche
Umwälzungen an dem geistigen Haarwickel gewisser
Schichten etwas zu ändern vermögen. Jener hohe
Zustand alter demokratischer Staaten, wo die an¬
dere Meinung gehört und geduldet wird, ist die
Frucht längerer Zeiten und eines regen öffent¬
lichen Geistes, er kann also nicht von einem Lande
erwartet werden das nie selbst denken, sondern
stets nur zu gehorchen gelernt hat und nun auf
eigene Beine gestellt, weder gehen noch stehen kann.
Die bloß empfindende nicht denkende Menge is
unvermögend, über ihre weitere Entwicklung zi
entscheiden. Verantwortlich dafür sind nur diee
intellektuellen Führer der denkenden Menschen und
ihr Verhältnis zur Masse. Ihr Mut nach untem
ggibt den Weg und das Tempo der Entwicklung an.
Gerade in diesem Punkte jedoch scheint der größte
Teil der öffentlich wirkenden Intelligenz genau so
zu versagen, wie er ehedem im alten Oesterreich
versagt hat.
Worin bestand denn das eigentliche Verhängnis
des zerbrochenen Staates, worin der erniedrigenve,
schmachvolle Zustand von ehedem? Wahrlich, nicht
so sehr in der Tatsache, daß Millionen von Menschen
von größtenteils ungebildeten und zynischen Men¬
schen regiert wurden, denn diese Regierenden d- Am
deten ein Stück der historischen Ueberlieferung, die
ment und Gesellschaft den Mut zur Wahrheit fand. wie er es ehedem nicht gewagt hat, den Mächtigen
zu beseitigen mit normalen Kräften nicht möglich
Heute dreht dieselbe Gefahr mit umgekehrten Vor- das Notwendige zu sagen. In allen Reden und
war. Die Schmach und Schande Oesterreichs war
zeichen. Die politisch führende Intelligenz fänge Versammlungsbeschlüssen wimmelt es von Um¬
das Verhalten seiner Gebildeten, seiner Inrelli¬
an, der Lakai des Pöbels von unten zu werden. schmeichlungen der Masse. Sie ist der Herr und
genz, die aus Rücksicht auf Fortkommen und
Die Menge ist heute politisch frei, sie hat alle Rechte was sie tut und will, ist wohlgetau und herrlich.
Gewinn alles guthießen und den Herrschenden
und die ganze Macht. Jetzt also wäre es Plicht, Kein Wunder danach, wenn der Lakai der Masse
schmeichelten. Die Intelligenz war der Lakai des
Pöbels nach oben. An diesem Lakaientum sind wir ihr die Wahrheit zu sagen. Vor diesem Amt jedoch selbst vor diesem Publikum kapituliert und vor dem
zugrundegegangen, da niemand in Presse, Paria= schrickt der größte Teil der Führer genen so zurück, widrigen Götenbild Werke des Geistes verbreunt.