zweiten Aufführung der Schnitzlerschen Komödic abge¬
spielt hatten: denn auch diese Aktion war eine
Fälschung. Die Juden, sagte man, aber den Ar¬
beitern galt es. Die Arbeiterschaft verachtet diese Schein¬
ku#tur, sie strebt mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln danach, jene echte Kultur sich zu eigen zu
machen, die allein aufgebaut ist auf den Grundsätzen der
Wahrheit und des Rechtes.
Die Arbeiterschaft fordert daher auch daß sich ihr
überall die Tore der Wissenschaft und Kunst weit öffnen,
daß sie bei der Aufnahme des Bildungsgutes ungestört
bleibe und von den Vermittlern desselben nicht auf
falsche Wege geleitet werde.
Auf solche Weise wird sie sich in kurzer Zeit auf
jene Höhe wahrer Bildung und Gesittung emporarbeiten,
die sie befäbigt, mit der Bourgeojsie in einen
erfolgreichen Kampfmitgeistigen Waffen:
Gleschheit, Wiener-Neustadt
4-NW 13·9
a en
zu treten. Ist es zweifelhaft, wo der Endsieg sein
wird? Bei den reinen, frisch geschliffenen Waffen des
Proletariats oder bei den vergifteten, aber glücksicher¬
##ur¬
weise immer stumpfer werdenden Waffen
gedisie?
Wiederbesiedlung gelegter Bauerngüter und Häusler¬
anwesen.
In dem in unserer Nummer 82 veröffentlichten
Artikel soll es richtig heißen: „Es können also land- und
forstwirtschaftliche Grundstücke, die ein selbständiges
Bauerngut oder Häusleranwesen gebildet, diese Eigen¬
schaft aber seit 1. Jänner 1870 verloren haben ... In
dem Artikel ist durch einen Druckfehler die Jahreszahl
1876 angeführt.
Zum Theaterrummel. Von der Direktion der Deutsch¬
österreichischen Erziehungsanstalt für Knaben in Wiener=Neu¬
stadt erhalten wir folgende Zuschrift mit der Bitte um Ver¬
tie
öffenilichung: „Sehr geeehrie Redatnon! Die Direktion er¬
laubt sich zu Ihrem Artikel =Der Theaterstandal bei der
Bernhardi'=Aufführunge in Nr. 81 Ihres Blattes mitzuteilen,
daß die Schüler der Deutschösterreichischen Staatserziehungs¬
anstalt dem Skandal in jeder Weise fernstehen. Indem ich
Ihnen für die Veröffentlichung dieser Konstatierung im voraus
danke, zeichne ich hochachtungsvoll Tesar m. p.“ Wir kommen
dem Ersuchen mit Vergnügen nach und stellen mit Genugtuung
fest, daß es noch Leiter von Erziehungsanstalten gibt, welche
Wert darauf legen, die Oeffentlichkeit davon zu unterrichten,
daß sie mit ihren Zöglingen dem Treiben fernstehen.
Bemerkangen zu Schnitzlers „Professor Bernhardi“ Es
wird uns geschrieben: Am Mittwoch den 29. Oktober ging Artur
Schnitzlers fünfaktige Komödie „Professor Bernhardi“ zum
dritten Male, und zwar ohne jede Kürzung, über die Bühne.
Das Stück eröffnete einen Zyklus von Arbeitervorstellungen,
der zu jenen mannigfaltigen Veranstaltungen gehört, welche der
Bildungsausschuß der organisierten Arbeiterschaft von Wiener¬
Neustadt unternimmt, um allgemeine Volksbildung zu ver¬
breiten. Fanden die ersten zwei Aufführungen unter lärmen¬
dem Protest eines Teiles der Bevölkerung statt, so ging diese
dritte, ungestört von pöbelhaften Jungen, in weihevoller Ruhe
vor sich. Das Theater bot ein seltenes und zugleich erhebendes
Bild: es war bis auf das letzte Plätzchen mit Proletariern be¬
setzt; ernste, lebenserprobte Frauen und Männer der Arbeit,
zuversichtlich in die Zukunft blickende Arbeiterjugend, die Alten
und Jungen, sie alle folgten mit gespannter Aufmerksamkeit
den wechselvollen Szenen auf der Bühne, in denen uns der
Kampf zwischen einer rein menschlichen und einer konfessionell
gebundenen Weltanschauung in packender Weise vor Augen
führt. Das Stück ist eine anerkennenswerte Leistung Schnitzlers.
Nur der Schluß desselben, dem es jedenfalls die Bezeichnung
Komödie verdankt, kann nicht unseren Beifall erringen. Es
bricht im fünften Akt ganz unvermutet mit einer überaus ba¬
nalen Redensart, wodurch wohl das typisch wienerische Milien
gut gekennzeichnet, leider aber auch der Eindruck des Stückes
arg verwischt wird. Was die Darstellung anbelangt, so kann
dieselbe, abgesehen von einigen Kleinigkeiten, die sich auf das
Zusammenspiel bei größeren Wechselreden beziehen, als eine
sehr gelungene bezeichmet werden. Spiel und Auffassung waren
durchwegs gut; die Schauspieler bemühten sich sichtlich, ihren
besonders in Bezug auf Charakteristik schwierigen Rollen gerecht
zu werden. Vortrefflich waren Herr Paulmann in der Titel¬
rolle und Herr Essan als Pfarrer. Natürlichkeit und Wärme
zeichneten ihr Spiel in gleicher Weise aus. Aber auch der Herren
Holger, Zaglauer, Pisiol, Brüngger, Homolka, Schönthal, An¬
gerer, Strehlen und Pierre Adeliano muß lobend Erwähnung
getan werden. Die einzige sehr bescheidene Frauenrolle, die
Rolle der Krankenschwester wurde von Fräulein Kühne gut ge¬
geben. Die Aufführung nahm 3¼ Stunden in Anspruch.
—
—
*Professor Bernhardi“ Schnitzlers Tendenzstück über kirchlichen
Glauben und freie Wissenschaft, kein Anlaß zu Parteinahme,
wie man häufig glaubt, in Wirklichkeit eine Satire aus der
Zeit, die ziemlich objektiv schildert, doch kaum entscheidet.
Oesterreich von zwei Seiten, wenn man will, ein Tor der
Uebereifrige, der es um jeden Preis nur von der einen fassen
will. Das ist Bernhardi, der Direktor des Spitals, der dem
Priester den Zutritt zu der Sterbenden versagt, damit die
Glückseligkeit ihres euphorischen Zustandes nicht gestört sei, und
der diesen Uebergriff seiner Weltanschauung mit Gefängnis¬
haft büßen muß, weil der Staat hinter der anderen steht.
Glänzende Typen aus dem Krankenhaus und der akademischen
(Aerztewelt zeichnete der Dichter, die stärkste Wirklichkeits¬
treue liegt in ihnen; doch fehlt der Impuls einer großen Idee
zum Ernste des tragischen Stückes, es ist eben nur ein Ausschnitt
aus dem Leben, eine Komödie auf die Menschen, die schroff
ablehnen, wo gelassenes Verstehen nottut; in leichtem Ton,
ein wenig ironisch gefärbt, zu spielen. — Von der größten
Meisterschaft die Leitung und Inszenierung des Direktors Dr.
Beer. Eine verblüffende Vollendung des Zusammenspiels, eine
restlose Belebung des geistigen Gehalts verdanken ihm zuerst
und seiner ratenden, ordnenden Energie alle Mitwirkenden.
Unter diesen ragten namentlich Herr Strauß, der Chirurg
Ebenwald, hervor, dann die Herren Lenoir, Hartberg, Malu¬
schinsky, Eisner, Teller, Recke, Marlitz, der feine, persönlich
bedeutende Minister, Herr Fischer=Colbrie als eifervoller
Pfarrer, Götz als Hofrat Winkler, trefflich, doch etwas zu
sehr ins Leichte, Gesellschaftliche gewandt Herr Faerber als
Hochroitzpoitner. Dem Bernhardi selbst gab Herr Zeisel nicht
ganz die bezeichnende ironische Ueberlegenheit, verdient aber¬
im übrigen alle Anerkennung. Ganz unzulänglich Herr Bortner
als Verteidiger. Mit kleineren Aufgaben erfolgreich betkaut:
die Herren Wolfram, Jamnitz, Ecker und Schiel. Eine an¬
mutige Krankenschwester Frl. Gerl. Es war ein großer Er¬
folg.
—M. V h.
spielt hatten: denn auch diese Aktion war eine
Fälschung. Die Juden, sagte man, aber den Ar¬
beitern galt es. Die Arbeiterschaft verachtet diese Schein¬
ku#tur, sie strebt mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln danach, jene echte Kultur sich zu eigen zu
machen, die allein aufgebaut ist auf den Grundsätzen der
Wahrheit und des Rechtes.
Die Arbeiterschaft fordert daher auch daß sich ihr
überall die Tore der Wissenschaft und Kunst weit öffnen,
daß sie bei der Aufnahme des Bildungsgutes ungestört
bleibe und von den Vermittlern desselben nicht auf
falsche Wege geleitet werde.
Auf solche Weise wird sie sich in kurzer Zeit auf
jene Höhe wahrer Bildung und Gesittung emporarbeiten,
die sie befäbigt, mit der Bourgeojsie in einen
erfolgreichen Kampfmitgeistigen Waffen:
Gleschheit, Wiener-Neustadt
4-NW 13·9
a en
zu treten. Ist es zweifelhaft, wo der Endsieg sein
wird? Bei den reinen, frisch geschliffenen Waffen des
Proletariats oder bei den vergifteten, aber glücksicher¬
##ur¬
weise immer stumpfer werdenden Waffen
gedisie?
Wiederbesiedlung gelegter Bauerngüter und Häusler¬
anwesen.
In dem in unserer Nummer 82 veröffentlichten
Artikel soll es richtig heißen: „Es können also land- und
forstwirtschaftliche Grundstücke, die ein selbständiges
Bauerngut oder Häusleranwesen gebildet, diese Eigen¬
schaft aber seit 1. Jänner 1870 verloren haben ... In
dem Artikel ist durch einen Druckfehler die Jahreszahl
1876 angeführt.
Zum Theaterrummel. Von der Direktion der Deutsch¬
österreichischen Erziehungsanstalt für Knaben in Wiener=Neu¬
stadt erhalten wir folgende Zuschrift mit der Bitte um Ver¬
tie
öffenilichung: „Sehr geeehrie Redatnon! Die Direktion er¬
laubt sich zu Ihrem Artikel =Der Theaterstandal bei der
Bernhardi'=Aufführunge in Nr. 81 Ihres Blattes mitzuteilen,
daß die Schüler der Deutschösterreichischen Staatserziehungs¬
anstalt dem Skandal in jeder Weise fernstehen. Indem ich
Ihnen für die Veröffentlichung dieser Konstatierung im voraus
danke, zeichne ich hochachtungsvoll Tesar m. p.“ Wir kommen
dem Ersuchen mit Vergnügen nach und stellen mit Genugtuung
fest, daß es noch Leiter von Erziehungsanstalten gibt, welche
Wert darauf legen, die Oeffentlichkeit davon zu unterrichten,
daß sie mit ihren Zöglingen dem Treiben fernstehen.
Bemerkangen zu Schnitzlers „Professor Bernhardi“ Es
wird uns geschrieben: Am Mittwoch den 29. Oktober ging Artur
Schnitzlers fünfaktige Komödie „Professor Bernhardi“ zum
dritten Male, und zwar ohne jede Kürzung, über die Bühne.
Das Stück eröffnete einen Zyklus von Arbeitervorstellungen,
der zu jenen mannigfaltigen Veranstaltungen gehört, welche der
Bildungsausschuß der organisierten Arbeiterschaft von Wiener¬
Neustadt unternimmt, um allgemeine Volksbildung zu ver¬
breiten. Fanden die ersten zwei Aufführungen unter lärmen¬
dem Protest eines Teiles der Bevölkerung statt, so ging diese
dritte, ungestört von pöbelhaften Jungen, in weihevoller Ruhe
vor sich. Das Theater bot ein seltenes und zugleich erhebendes
Bild: es war bis auf das letzte Plätzchen mit Proletariern be¬
setzt; ernste, lebenserprobte Frauen und Männer der Arbeit,
zuversichtlich in die Zukunft blickende Arbeiterjugend, die Alten
und Jungen, sie alle folgten mit gespannter Aufmerksamkeit
den wechselvollen Szenen auf der Bühne, in denen uns der
Kampf zwischen einer rein menschlichen und einer konfessionell
gebundenen Weltanschauung in packender Weise vor Augen
führt. Das Stück ist eine anerkennenswerte Leistung Schnitzlers.
Nur der Schluß desselben, dem es jedenfalls die Bezeichnung
Komödie verdankt, kann nicht unseren Beifall erringen. Es
bricht im fünften Akt ganz unvermutet mit einer überaus ba¬
nalen Redensart, wodurch wohl das typisch wienerische Milien
gut gekennzeichnet, leider aber auch der Eindruck des Stückes
arg verwischt wird. Was die Darstellung anbelangt, so kann
dieselbe, abgesehen von einigen Kleinigkeiten, die sich auf das
Zusammenspiel bei größeren Wechselreden beziehen, als eine
sehr gelungene bezeichmet werden. Spiel und Auffassung waren
durchwegs gut; die Schauspieler bemühten sich sichtlich, ihren
besonders in Bezug auf Charakteristik schwierigen Rollen gerecht
zu werden. Vortrefflich waren Herr Paulmann in der Titel¬
rolle und Herr Essan als Pfarrer. Natürlichkeit und Wärme
zeichneten ihr Spiel in gleicher Weise aus. Aber auch der Herren
Holger, Zaglauer, Pisiol, Brüngger, Homolka, Schönthal, An¬
gerer, Strehlen und Pierre Adeliano muß lobend Erwähnung
getan werden. Die einzige sehr bescheidene Frauenrolle, die
Rolle der Krankenschwester wurde von Fräulein Kühne gut ge¬
geben. Die Aufführung nahm 3¼ Stunden in Anspruch.
—
—
*Professor Bernhardi“ Schnitzlers Tendenzstück über kirchlichen
Glauben und freie Wissenschaft, kein Anlaß zu Parteinahme,
wie man häufig glaubt, in Wirklichkeit eine Satire aus der
Zeit, die ziemlich objektiv schildert, doch kaum entscheidet.
Oesterreich von zwei Seiten, wenn man will, ein Tor der
Uebereifrige, der es um jeden Preis nur von der einen fassen
will. Das ist Bernhardi, der Direktor des Spitals, der dem
Priester den Zutritt zu der Sterbenden versagt, damit die
Glückseligkeit ihres euphorischen Zustandes nicht gestört sei, und
der diesen Uebergriff seiner Weltanschauung mit Gefängnis¬
haft büßen muß, weil der Staat hinter der anderen steht.
Glänzende Typen aus dem Krankenhaus und der akademischen
(Aerztewelt zeichnete der Dichter, die stärkste Wirklichkeits¬
treue liegt in ihnen; doch fehlt der Impuls einer großen Idee
zum Ernste des tragischen Stückes, es ist eben nur ein Ausschnitt
aus dem Leben, eine Komödie auf die Menschen, die schroff
ablehnen, wo gelassenes Verstehen nottut; in leichtem Ton,
ein wenig ironisch gefärbt, zu spielen. — Von der größten
Meisterschaft die Leitung und Inszenierung des Direktors Dr.
Beer. Eine verblüffende Vollendung des Zusammenspiels, eine
restlose Belebung des geistigen Gehalts verdanken ihm zuerst
und seiner ratenden, ordnenden Energie alle Mitwirkenden.
Unter diesen ragten namentlich Herr Strauß, der Chirurg
Ebenwald, hervor, dann die Herren Lenoir, Hartberg, Malu¬
schinsky, Eisner, Teller, Recke, Marlitz, der feine, persönlich
bedeutende Minister, Herr Fischer=Colbrie als eifervoller
Pfarrer, Götz als Hofrat Winkler, trefflich, doch etwas zu
sehr ins Leichte, Gesellschaftliche gewandt Herr Faerber als
Hochroitzpoitner. Dem Bernhardi selbst gab Herr Zeisel nicht
ganz die bezeichnende ironische Ueberlegenheit, verdient aber¬
im übrigen alle Anerkennung. Ganz unzulänglich Herr Bortner
als Verteidiger. Mit kleineren Aufgaben erfolgreich betkaut:
die Herren Wolfram, Jamnitz, Ecker und Schiel. Eine an¬
mutige Krankenschwester Frl. Gerl. Es war ein großer Er¬
folg.
—M. V h.