II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 533

25. ProfessonBernhand
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Unsere rührige Theaterdirektion kündigt eine
likerarische Tat an. Schnitzlers „Prof. Bern¬
chardi“, die in Altösterreichverborene und vom
vormärzlichen Zensor inhibierte Komödie soll
zur Auffährung gelangen. Leitmeritz wäre in
diesem Falle die erste österreichische Provinz¬
bühne, welche diese wahrhaft künstlerische Tat
vollbringt und diese Tatsache wird durch die
Reminiscenzen umso interessanter, als ja eigent¬
lich diese Schnitzlerkomödie schon ihre Geschichte
bei uns hat. Als der damals noch allmächtige
Zensor die Aufführungen des Werkes für ganz
Oesterreich verbot, unternahmen es in mehreren
Städten kunstsinnige Kreise, weni stens die öffent¬
lche Vorlesung zu erwirken und meistens hatten
diese auch Erfolg. Sogar in Wien las Ferdi¬
nand Onno mehrmals das gefürchtete Werk.
In Leitmeritz wollte Herr Paul Martin, In¬
haber der Martin'schen Buchhandlung, die Vor¬
lesung durchführen und war auch bereits der
längst gebührend gefeierte Regisseur des Prager
Landestheaters, Herr Alfred guttig für diesen
Abend gewonnen. Aber es kam anders. Auch
diese Vorlesung, welche zu Gunsten der „Freien
Schule“ erfolgen sollte, wurde verboten. Der
Abg. Baron Hock brachte wegen dieses Leit¬
meritzer Verbots eine Interpellation im Reichsrat
ein, leider knopp vor dissen Vertagung und so
fiel auch diese unter den Tisch und das Verbot
blieb aufrecht, . . . . . bis die Revolution kam.
Nun sollen wir dieses Werk, das von der
Wiener und Berliner Kritik zu Schnitzlers besten
und wirksamsten Schöpfungen gezählt wird, sogar
auf der Bühne erleben. Die Proben sind im
Gange, kein Verbot wird sie mehr aufhalten.
Herr Dir. Weninger spielt den Helden und
leitet diese Aufführung. Diese kurzen Mitteilungen
genügen sich rlich Möge die neue Zeit an diesen
Abenden ein würdiges Publikum finden. Es
wäre eine Schande, wenn gerade dieses Werk
unseres besten deutschösterreichischen Dichters nicht
die Serie blödsinniger Opperettenaufführurgen
weit überragen und stets vor ausverkauftem
Hause auf ein en pfängliches Publikum wirken
würde. Möge die Erstaufführung des „Prof.
Bernhardi“ ein gesellschaftliches Ereignis für
hier werden.
Anatol.
Wesen leherricht. Abe
tums, den Vernhardi
box 31/3
Schwester Ludmilla ha
such des Priefsers vor
ster sich den Eintritt
reits verschieben. Da
Das ist die ganze Schul
Wien, I., Schetr.er
schönes, ungetrübtes
Sische Zeibung
12PERIRTE
erliebt gegen den ab
für den Leitmeritzer Kreis
Freund der leidenden
allen Spielarten ihr
Leitmerite, Böhmen.
verdummte Geneinheit
Lahlgemisch geschulte, die
in Eifersucht auf den
„Prosessor Bernhardi“, Komöd'e in 5
meinheit in einigen sei
Atten von Arthur Schnitzler. In der dramatischen
#tisch glatte Gen einheit
Entuiclug Autch wir leine
selbsloe gegen den S#
von Drama zu Drama, von Konflikt zu Konflitt
des prinzipientie##en ehe
aufuärts iimmende, sondem eine unstäte, ewig
die rückgradlose Genei
schwankende, auf und niederbebende Bewegung. Aus
Diese vielköpfige Gem
dem prächtigen, aber starren Rahmen der Renaissance
lichkeitslielenden Arzt
„Schleier der Beatrice") herniedersteigend, setzt er
vom Direktorat. Die
mit starken, dramatischen Abeiten zum erstenmale
mit eielerregender Ver
in seinen Schausp elen „Liebelei“ und „Freiwild“
ten Aufbausch des We
ein und erreicht rasch und sicher eine beachtenswerte
Interpellation, die zur
Bedeutung als Verkünder wichtiger sozialer Re¬
und Verurteilung des
formen. Dann versinkt er jahrelang in sein ur¬
Religionsstörers führt.
sprüngliches Wesei, in das stille, feinnervige Grüb¬
seits von Gutem und
kertum seiner tlefpsychologischen Dramen, die als
durch den Sumpf. Es
Bühnenwere fast unwirlisam bleiben, well ihnen
len kösinen, wenn er
die dramatische Spannkräft sehlt, als Lesedramen
ein kleines, litzliches, ge
aber den un ermeßlichen Schatz seiner künstlerischen
sen hätte; denn er hat
Erkenntniskraft offenbaren. Mit glänzender, philo¬
hat einen zum sittliche
sophisch tiefgründiger Dialestik rührt er in diesen
nister zum Freund, d
Dramen an die te-innerlichsten Konflikte der Men¬
foro sollen läßt. Abe
schenseele, zu deren Rätelfülle sich die primitive
hardi handelt es sich
Gefühlskraft des normale: Menschen kaum zu ver¬
dern um die Proklama
steigen wagt. Hier ähnelt er dem nordischen Ib¬
zichtet auf die Wiederau
sen, nur nicht so kantig, so urgewaltig, so unerbitt¬
durch den sich später
lich, sondern resignierter, sieptischer, melancholischer
Schwester Ludmilla An
und auch wellher und süßer als dieser. Sym¬
verzichtet auf die vol
bolistisch und dekadent, frivol und humorvoll, bald
tyrers, die ihm die dem
lar und schlicht, bald pathologisch versunken, ent¬
anträgt, er verzichtet a
wickelt er sich zum Meister verträumter Alt= und
liche Abrechnung mit¬
Neuwiener Stimmungsmalerei und in diesen weiten
klägliches Zerrbild des
Rahmen zum Psychologen des „süßen Mädels“.
noch erheilert. Er wi
Bis er, doch auch unter Aufwand seines ganzen
tigender: ein Fürst ver
schwerblütigen Apparates. wieder zu dramatischer
licher Kunst, Grund ge
Sprungkraft emporschnellt in dem Drama „Der
Kerkersträfling schleuni
junge Medardus“, feier ätzenden Satire auf das
grad wieder zu verleih
Wiener Mastbürgertum zur Zeit der Befreiungs¬
kriege. Und wieder vergrübelt er sich in seherisch
tiefer Prosa und Lesedramatik in die unterirdischen ##
Gegensätze des Lebens. Der Zug der Zeit geht nicht
n a
spurlos an Schnihzler vorüber und so formt sich, aus
einer Fülle von innerlich verarbeiteten Gelegen¬
heitsmotiren emporgewachsen, sein soziales, ethi¬
sches, religiöses und Standesevangelium in der Ko¬
mödie „Professor Bernhardi“. — Der unmittelbare
Anstoß, die vielfältigen erregenden Momente zu
diesem Drama lassen sich nicht erkennen. Aber einem
scharfblickenden Autor, der Oesterreich so liebt wie
Schnitzler und es deshalb so geißelt, mußte sich
aus den vieler Staatsaffären des letzten Jahr¬
zehnts der sittliche Ruin, die ungeheuere soziale
Verlogenheit, die unüberbrückbaren Gegensätze zwi¬
schen Sein und Schein in der alten Monarchie
bald erschließen. Schnitzler greift sein Problem
aus dem Kreise seines ärztlichen Berufes heraus,
erweitert es aber zu einem Kulturproblem so rie¬
senhaften Umfanges, daß es seine Wellen an alle
Gestade sozialen Lebens des alten Oesterreichs
wirft. Das erregende Moment ist ureinfach: Auf
der Klinik des Professors Bernhardi, des Direk¬
tors des Elisabethinums, liegt ein junges Mäd¬
chen, das nach kurzem, heißen Liebesglück rettungslos
dem Tode verfallen ist. An ihr rächt die unerbitt¬
liche Natur einen verzweifelten Eingriff in ihre
Rechte. Aber das Mädchen ist ahnungslos, glaubt,
ihr Geliebter werde kommen und sie hinausführen
in die schillernde Welt, glaubt an alles andere