II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 564

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von dessen Niedertracht gerade der Exkaiser mit Be¬ Ich habe mich nur deshalb so fleißig auf die
schaftlichen Haß der Kirche zugezogen, obwohl in
Er lehnte sich nachdenklich zurück, hielt
dem Drama Licht und Schatten mit dichterischer Ob¬
seinen Blick beharrlich auf mich gerichtet und
jektivität ohne jede Tendenz gerecht verteilt sind. Viel¬
sagte mit Nachdruck: „Es besteht die Mög¬
leicht ist sogar die kürzlich von den Klerikalen ge¬
lichkeit, daß Sie als Individuum ein Verbre¬
gen den „Reigen“ verübte Büberei eine verspätete
chen unternehmen wollen, um gegen den Krieg
Rache für den „Professor Bernhardi“, dessen Auf.
zu demonstrieren. Schon der bloße Versuch
führung „man“ nicht hatte verhindern können..
eines solchen würde allerdings Ihr Todesurteil
Schnitzlers Werke sind nicht nur erlesene Seelenana¬
bedeuten.“
Iysen, sondern tief schürfende Kulturkritik. In „Leut¬
„Mein Todesurteil — ohne Rücksicht auf
nant Gustl“ macht er den Militarismus durch die mei.
die Art meines Vorhabens?“ rief ich aus.
sterhafte Charakteristik eines durchaus nicht karikier.
„Ja, Ihr Todesurteil“, wiederholte er mit
dumpfer Stimme.
ten jungen Offiziers für immer lächerlich. Im „Reigen“.
zeigt der Dichter die wahllose Promiskuität des Ge¬
„Aber die Behörde weiß aus jahrelanger
schlechtslebens als unvermeidliche Kehrseite der heuch¬
Beobachtung, daß ich Anarchist und kein Ver¬
lerisch-verlogenen kapitalistisch-autoritären Geschlechts¬
brecher, daß ich laut meiner Weltanschauung
moral. In „Fink und Fliederbusch“ hält er geist
Gegner jeder terroristischen Gewalt bin, es
reich-übermütige Abrechnung mit einer gewissen Art
also ausgeschlossen ist, daß ich ein Verbrechen
begehe!“
von „öffentlicher Meinung“. Und im „Professor Bern¬
bardi“, dessen glanzvolle Aufführung mit Jubel be¬
„Wenn wir dies auch wissen, so muß Ihnen
grüßt wurde, spricht er das — für alle Staaten gil¬
tige — erlösende Wort: daß man in Oesterreich
schärft werden, was geschehen würde... Sie
nur die Wahl habe, Anarchist oder Trottel zu sein.
sind uns eine Art Geisel... Wie es eben im
Kriege üblich ist. Geschicht etwas, so haften
Metropoltheater. „Werdendes Leben“ (Not¬
Sie mit Ihrem Leben dafür... Und wenn sich
wehr) Ein Drama gegen den Mutterschaftszwang von
auch nur die geringste antikriegerische Betäti¬
Johann Ferch und L. Anton. Daß wir mit der
Tendenz dieser geschickt dramatisierten Diskussion
gung ereignete — Sie würden sie mit Ihrem
Leben bezahien!“
von Herzen einverstanden sind, braucht den Lesern
„Man würde mich wohl hängen?“ warf
dieses Blattes wohl nicht erst gesagt zu werden, da in
ich mit leisem Spott ein.
„E. u. B.“ ja über dieses Thema erst kürzlich eine
Abhandlung „Liebe mit oder ohne Folgen?“ von Fierre
(Fortsetzung folgt.)
Ramus erschienen ist. Johann Ferch hat sich durch
seinen zähen Kampf gegen einen ganz besonders mit¬
telalterlichen Strafparagraphen bleibendes Verdienst er¬
Freie Bühne.
worben. Die Schauspieler unterstreichen mit Verständ¬
nis jede Pointe dieses zwar nicht von dichterischer
Deutsches Volkstheater. Neueinstudjerung
Kraft, aber von ehrlichster Gesinnung und bestem
von Arth. Schnitzlers „Professor Bernhardi“. Durch
technischen Können beseelten Tendenzstückes und es
dieses Werk, das, lange vor Ausbruch der Revolu¬
seien vor allem Grete Schücketanz, Anna Höllering,
tion geschrjeben, heute mit unverminderter revolu¬
Erna Larsen, Walther Blenke und Wilhelm Sichra
tionärer Kraft wirkt, hat sich Schnitzler den leiden. rühmend hervorgehoben. Dr. Kurf Sonnenfeld.
Aa.-Gl.K
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