II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 640

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25 Prof01
Wollzeile 11 4 Telephon R 23-0-43
Ausschnift aus
Dee Slündt, Waol
vom
17. APR. 1936
Schauspieler ohne Souffleus
Ernst Deutschist für einige Tage nach
Wien gekommen — nachdem er in Lon¬
Idon zum ersten Male in englischer Sprache
auftrat, in dem Stück „Page of a Diary“
(„Seite aus einem Tagebuch“) im
Garrick-Theater, nachdem er ferner, unter
der Regie Karl Grunes, in einem eben
jetzt fertiggestellten Film „Hochzeit von
Corbel“ spielte, ein Film aus der franzö¬
sischen Revolution; eine Neuentdeckung, die
erst achtzehnjährige Hazel Terry, eine
Enkelin der berühmten englischen Schau¬
spielerin Terry, spielt die weibliche Haupt¬
rolle. Ernst Deutsch, den man in Wien zu¬
letzt im „Charmeur von London“ und in der
Josefstadt in „Adrienne Ambrossat“ mit
Paula Wessely sah, wird in der nächsten
Saison wieder in Wien spielen, er wird dann
seine Arbeit zwischen London und Wien
teilen. Im Augenblick muß er zu den Auf¬
nahmen zu einem neuen Film nach London
zurück.
Deutsch erzählt von den ungewohnten
Situationen, die ihm, dem Fremden, auf der
englischen Bühne begegneten Nachdem er
acht Monate hindurch in London weiter
nichts getan hatte, als Englisch zu lernen,
war es schließlich so weit, daß die Proben
zur „Seite aus einem Tagebuch“ von Ben¬
nett beginnen konnten. Er kam selbstver¬
ständlich mit der fertigstudierten Rolle auf
die Probe — worauf sich, nach der ersten
Viertelstunde, sämtliche Schauspieler ge¬
nötigt sahen, sich bei Deutsch zu entschul¬
digen: weil sie selbst ihre Rollen ja noch
gar nicht beherrschten. Dann fiel es Deutsch
langsam auf — obwohl er seine Rolle so
mechanisch im Kopf hatte, daß er sie
nötigenfalls auch von rückwärts hereagen
konnte —, daß ja da vorne das kleine Haus
fehlt, auf das ein Schauspieler, der von der
deutschen Bühne kommt, nun einmal sehr
zu achten pflegt, ganz egal, ob er seine Rolle
kann oder nicht —: es war kein Souffleur¬
kasten da und auch keine Souffleuse. Es
gab einen Schreck, der sogar den festsitzen¬
den Text zunächst etwas in Verwirrung
brachte. Es gibt — stellte sich heraus —
überhaupt auf keiner englischen Bühne einen
Souffleur. Nötigenfalls müssen sich die
Schaupieler untereinander beistehen. Aller¬
dings: ab und zu sagt der Mann hinter der
Bühne, der für die Requisiten und Auftritte
zu sorgen hat, ein Wort aus den Kulissen
heraus auf die Bühne — aber nur ab und zu
und wenn er nichts anderes zu tun hat.
Deutsch schaffte es aber trotzdem — das
Stück ging allerdings nur sieben Wochen,
was in London keinen sonderlichen Erfolg
bedeutet.
In der kommenden Saison soll Ernst
Deutsch während seines Londoner Aufent¬
haltes in der ersten englischen Aufführung
von Schnitzlers „Professor Bern¬
gardi“ die Titelrolle verkörpern.
box 31/5
EATRAUT PRON.
8
CN
UUE e
The Arthur Schnitzler play“ Doctor
Da Bernhardi,“ almost unknown to London,
is to be produced at the Embassy, Swiss
Cottage, to-morrow week. In view of the
success of Schnitzler as a comedy writer—
the" Anatol“ series of comedies, bril¬
liantly translated by Granville-Barker
has been well known in England and
America for the last thirty years—and in
view of Schnitzler’s immense Viennese
and Continental reputation as a serious
writer, it is remarkable that so little of
the general body of his work. has been
seen in London.
Doctor Bernhardi“
was done by a Sunday night socicly about
ten years ago, and not revived again. A
completely new, and possibly more suit¬
able, translation has now been made by
Mr. Ronald Adam for the Embassy.
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