Arthur Schnitzlers wundervolles Plai¬
doyer für Pernunft und Menschlichkeit at
gestern, fast achtzehn Jahre nach seinem ersten
Erscheinen, einen großen, laut anhaltenden Er¬
folg davongetragen.
Vielleicht war es das starke Echo der Affaire
Dreyfus in der Polksbühne, das nun den äuße¬
ren Anlaß zur Wiederaufnahme gab. Denn auch
hier handelt es sich um den Ansturm der Dumm¬
heit und Böswilligkeit gegen einen Mann jüdi¬
schen Glaubens.
Professor Bernhardi, berühmter Arzt, Direk¬
tor einer Klinik, verweigert dem Geistlichen den
Zutritt zu einer Sterbenden, die im Zustande der
„Euphorie“, der wohltätigen Selbsttäuschung vor
dim Ende, nicht ahnt, daß sie sterben muß —
was ihr durch den Anblick des Pfarrers grau¬
same Gewißheit würde. Das muß er durch Ver¬
folgung und Gefängnis büßen.
Aber mit welcher Kunst ist das nun geführt!
Mit welcher Ueberlegenheit des Geistes. Mit
Fot. Schmiegelski
Fritz Kortner und Ernst Stahl-Nachbaur
in Arthur Schnitzlers Schauspiel „Pro¬
fessor Bernkardt“ im Theater in der
Königgrätzer Straße.
welch feinem Humor in allem Ernst der Dar¬
legungen und welch würdiger Gerechtigkeit in
der Prüfung der verschiedenen Standpunkte. Wo
bleiben unsere heutigen sogenannten „Zeitstücke“
mit ihrer tendenziösen Brutalität gegen so
warmherzige Weisheit und so meisterliche Füh¬
rung des Dialogs!
Barnowsky hat schon damals in seiner
ersten Direktionsperiode im Kleinen Theater
dies Stück vorzüglich herausgebracht. Der Abend
der Premiere war denkwürdig: nach dem ersten
Akt, der in der Klinik spielt, verbreitete sich
im Hausé die Kunde, daß soeben in einer ande¬
ren veritablen Berliner Klinik Otto Brahm ge¬
storben sei ...
Die jetzige Aufführung und Inszenierung
steht der ersten nicht nach. Außerordentlich
Kortner in der tragenden Rolle. Ein Mensch
von großem Umriß, den natürliches Empfinden
für das Rechte, das zu tun ist, in fast grotesk¬
tragische Verwirrung bringt Mit einfachsten
Mitteln wird unmittelbare Wahrheit des Lebens
vor uns gestellt.
Daneben das Aerztekollegium, eine Samm¬
lung glänzend gelungener Typen: Bressart,
Salfner (der einst oft den Bernhardi gab),
Schnell, Mamelok, Ettel, Harry
Herren aus dei Ministerium. Beachtlich noch
Herbert Grünbaum in der Rolle eines
armseligen, gehetzten kleinen Provinzarztes.
Der Beifall war von größter Herzlichkeit
und Dauer.
M. o. 040
doyer für Pernunft und Menschlichkeit at
gestern, fast achtzehn Jahre nach seinem ersten
Erscheinen, einen großen, laut anhaltenden Er¬
folg davongetragen.
Vielleicht war es das starke Echo der Affaire
Dreyfus in der Polksbühne, das nun den äuße¬
ren Anlaß zur Wiederaufnahme gab. Denn auch
hier handelt es sich um den Ansturm der Dumm¬
heit und Böswilligkeit gegen einen Mann jüdi¬
schen Glaubens.
Professor Bernhardi, berühmter Arzt, Direk¬
tor einer Klinik, verweigert dem Geistlichen den
Zutritt zu einer Sterbenden, die im Zustande der
„Euphorie“, der wohltätigen Selbsttäuschung vor
dim Ende, nicht ahnt, daß sie sterben muß —
was ihr durch den Anblick des Pfarrers grau¬
same Gewißheit würde. Das muß er durch Ver¬
folgung und Gefängnis büßen.
Aber mit welcher Kunst ist das nun geführt!
Mit welcher Ueberlegenheit des Geistes. Mit
Fot. Schmiegelski
Fritz Kortner und Ernst Stahl-Nachbaur
in Arthur Schnitzlers Schauspiel „Pro¬
fessor Bernkardt“ im Theater in der
Königgrätzer Straße.
welch feinem Humor in allem Ernst der Dar¬
legungen und welch würdiger Gerechtigkeit in
der Prüfung der verschiedenen Standpunkte. Wo
bleiben unsere heutigen sogenannten „Zeitstücke“
mit ihrer tendenziösen Brutalität gegen so
warmherzige Weisheit und so meisterliche Füh¬
rung des Dialogs!
Barnowsky hat schon damals in seiner
ersten Direktionsperiode im Kleinen Theater
dies Stück vorzüglich herausgebracht. Der Abend
der Premiere war denkwürdig: nach dem ersten
Akt, der in der Klinik spielt, verbreitete sich
im Hausé die Kunde, daß soeben in einer ande¬
ren veritablen Berliner Klinik Otto Brahm ge¬
storben sei ...
Die jetzige Aufführung und Inszenierung
steht der ersten nicht nach. Außerordentlich
Kortner in der tragenden Rolle. Ein Mensch
von großem Umriß, den natürliches Empfinden
für das Rechte, das zu tun ist, in fast grotesk¬
tragische Verwirrung bringt Mit einfachsten
Mitteln wird unmittelbare Wahrheit des Lebens
vor uns gestellt.
Daneben das Aerztekollegium, eine Samm¬
lung glänzend gelungener Typen: Bressart,
Salfner (der einst oft den Bernhardi gab),
Schnell, Mamelok, Ettel, Harry
Herren aus dei Ministerium. Beachtlich noch
Herbert Grünbaum in der Rolle eines
armseligen, gehetzten kleinen Provinzarztes.
Der Beifall war von größter Herzlichkeit
und Dauer.
M. o. 040