II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 760

e S
25. Proi#esor Bernhardi box 31/6
„peas demborknnade


aGziwes esurstnes Astruses-auzadwnerraUne
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Steglitzer Anzeiger
Ansschnitt aus der Nummer vom12 4. JAN 1930
Theater in der Königgrätzer Straße.
Arthur Schnitzler: „Professor Bernhardt“.
Endlich Endlich hat ein Theater den Mut, die Tagespro¬
duktion beiseite zu schieben und einen Schritt rückwärts zu
gehen; einmal mit dem dummen Vorurteil aufzuräumen, ein
Dichter der Vorkriegszeit sei unserem Zeitgefühl entfremdet.
Es kommt natürlich darauf an, wem man sich zuwendet! Es
gill in der Vergangenheit zu suchen, was nicht vergaugen, das
Kunstwerk. Finden wir das Wertvolle nicht in der Gegen¬
wart, wird die Forderung um so dringender. Und haben wir
denn das Erbe schon erworben, um es zu besitzen?
Es erweist sich an diesem Tendenzstück: eine einzige Szene
ist mehr wert als die gesamte Tendenzdramatik der letzten
Jahre. Denn die Tendenz rührt an ewige Fragen, und vor
allem: ein Dichter bringt sie zum Ausdruck. Nur äußerlich ist
die Komödie an eine bestimmte Zeit gebunden. Nur der be¬
sondere „Fall“ gehört der Vergangenheit an. Aber nehmt
ihn nur als Gleichnis — und das Stück spricht allgegenwärtig
zu uns. Die Machtverhältnisse im österreichischen Staat haben
sich verschoben. Nicht mehr der Hofrat regiert, nicht mehr be¬
stimmt der Klerus das offentliche, künstlerische und wissen¬
schaftliche Wirken. Aber immer steht der gesinnungslose
Ehrgeiz oder das parteiliche Vorurteil der reinen Ueberzeu¬
gung, der unbeeinflußten Menschlichkeit und dem ehrlichen
Drang nach sittlicher Läuterung entgegen. Man kann auch
einwenden: der „Fall“ sei etwas an den Haaren herbeigezogen.
Wenn der leitende Arzt eines Krankenhauses einem Priester
verwehrt, einer Sterbenden die letzte Oelung zu geben, weils
sie vom Sterben nichts ahnt, weil sie sich in einem Zustand der
Euphorie befindet, wenn der Dichter an diesem Beispiel die
Gegensätzlichkeit zweier Wellanschauungen erweisen will, so
kann man erwidern: dieses Beispiel ist nicht tragfähig genug.
Aber auf die Folgeerscheinungen kommt es an, auf die symp¬
tomatische Darstellung, wie aus dem an sich geringfügigen
Vorfall in der bösen Welt sich ein Skandal entwickelt, wie die
Dinge aufgebläht und entstellt und parteipolitisch ausge¬
schlachtet werden. Kostbar die Szene und für alle Zeiten rich¬
tungweisend, in der sich der Freigeist und der katholische
Priester nach dem Prozeß gegenüberstehen. Ueber dem Ab=
grund ihrer Weltanschauungen reichen sie sich die Hand. Denn
es gibt eine Brücke die hinüberführt: der gute Wille, den
anderen zu verstehen, die Erkenntnis der Wahrheit im anderen.
Und wie wverden die Menschen lebendig: Die Meute
schäbiger Nutznießer, wie ist sie gegliedert und differenziert!
Gewiß, nicht um ihrer selbst willen ist sie interessiert, doch ist
sie es dank dem melancholischen Sarkasmus ihres Dichters.
Und dieser blitzende, geistreiche Dialog: Solche Werte sollen
der Vergangenheit angehören?
Es war eine glanzvolle Vorstellung. Fritz Kortner
stand an der Spitze und ragte doch nicht starmäßig=eitel hervor.
Er war wundervoll gebändigt. Der leise Ausdruck hatte die
Kraft eines Schreis, sein Dialog war vorbildlich in den klaren
und feinen Distinktionen. Ein Schnitzler=Spieler, wie man
ihn sich nur wünschen kann, dabei auch mit dem Schimmer von
Humor, der keiner Schnitzler=Gestalt fehlen darf. Und jeder
andere eine ausgefüllte Individualnät: die reine Priester¬
gläubigkeit und Geistigkeit Stahl=Nachbaurs, die tapferen
Draufgeher Erwin Kalser und Heinz Salfner, die köstliche Pro¬
fessoren=Studie Felix Bressarts, der biedere Intrigani Emil ##
Mameloks, das kluge Weltkind der Minister Paul Ottos und
der versteckte hofrätliche Freigeist Paul Hörbigers. Eine herr¬
liche Ensembleleistung, die man Barnowsky hoch anrechnen
muß. Sie wurde mit begeistertem Beifall belohnt.
Florian Kigp#l.