Zwel
Biindgänger.
„Professor Bernhardi“
„Die Straße“.
—
0
Theater i. d. Königgrätzer Straße
und Berliner Theater.
Von Friedrich Hussong.
Albert Bassermanu.
Fritz Kortner.
Dieses Stück von Arthur Schnitzler war
diesem Stück nicht zu der ironischen Ueberlegen¬
schon vor dem Krieg nur ein schwächliches Kind
heit kommen, die er seinem Professor Bernhardi
des Wiener Feuilletons, dem es immerhin — bei
zuschreibt. Das Problem wird nicht klar gestellt,
aller Schwächlichkeit — sein Bestes verdankt.
noch viel weniger klar gelöst. Er plandert
Vier Akte lang denkt man, es soll eine gelinde
von einem zum andern, weicht von einem zum
Tragödie werden; im fünften wird es doch ein
andern aus und vermanscht die Dinge mitein¬
matter Schwank.
under, die gar nichts miteinander zu tun haben.
Es fängt an als ein Problemstück um das
Das tötet allen dramatischen Nerv. So wird
Thema Klerikalismus und Liberalismus, und der
allerlei, bloß nicht das handfeste „Zeittheater",
Held Bernhardi als ein Held der Aufklärung.
das man meinte, als man den Schmöker aus¬
Dann biegt es um und wird eine Debatte über
staubte. Dramatischer Rangierbahnhof, intellek¬
die Judenfrage, und der Held Bernhardi ein
tuelle Weichenstellerspielerei; nicht zu wenig Für,
Märtyrer des Rassenstreites. Nachher wird es
nicht zu viel Wider; ein bisserl hüben, ein bisserl
plötzlich eine Uebersetzung des weisen Nathan ins
drüben; bloß — Gott sei Dank! — die Deitsch¬
Wienerische, was ihm gar samos steht, dem
nationalen, das is eine gute, deftige, eindeutige
Nathan; über „dem Abgrund“ reicht man sich die
Sache; manches nette Feuilletongefunkel (das ist
Hände: der Jude Bernhardi, der durch ihn vom
das beste); viel, viel, viel zu viel Leitartikel
Sterbebett ferngehaltene Pfarrer Reder, der
(das ist das ganz üble). In Wahrheit nichts
liberal=klerikale Kultusminister, der altöster¬
weniger als ein Zeitstück; eher schon ein histori¬
reichisch=freigeistelnde Hofrat. Der Held Bern¬
sches Schauspiel; oder wäre heute zu befürchten,
hardi hätte es bei Gott nicht nötig, zwischen so¬
daß der Geistliche mild oder wild in den Bereich
viel netten Menschen den deplacierten Märtyrer
des Arztes am Sterbebett bricht, nicht viel mehr
um nichts und wieder nichts zu spielen. Schlie߬
allenfalls davon zu reden, aber um Gottes willen
lich, wie gesagt, Schwank, segar mit ein bisserl
kein solches Afterdrama daraus zu machen, wie
vom Autor gar nicht vorgesehenem, aber trotz¬
Geistliche und Kranke magistratsrätlich vonein¬
dem fähr liebenswürdigem Gesang, leider ohne
ander ferngehalten werden? Also historisches
Tanz; der Held Bernhardi wird jetzt ein bißchen
Schauspiel: Altösterreich, angeschielt im Lichte des
zum Trottel; aber jetzt san's halt alle so fähr,
liberalen Feuilletons, ohne Schwung, Größe, Höhe,
sä —ähr liebe Leute — da kammer schlecht den
aber mit, mit, mit viel Schmus hin und her.
wilden Mann spül'n, da paßt kein Michael Kohl¬
Wahrscheinlich hat man den nie frisch gewese¬
has nicht dazwischen — is ja niemand da, der
nen, nun ganz staubig und stockfleckig gewordenen
eim was thut; bloß, Gott sei Dank, die Deitsch¬
Schmöker ausgebuddelt, weilt man glaubte, der
nationalen bleiben halt Schweinehunde bis zu¬
anderwärts abkömmlich gewordene Herr Kortner
werde aus dem Bernhardi eine Bombensache
letzt — na ja, Gott sei Dank.
machen. Die Bombe war ein Blindgänger.
Die persönliche Verärgertheit ließ Schnitzler ##
Natürlich hat Herr Kortner seine Sache gekonnt,
wenn man davon absieht, daß er sie falsch an¬
gelegt hatte, unösterreichisch, unwienerisch, un¬
schnitzlerisch. Andere waren nicht schlechter:
Bressard als bei Oskar Blumenthal entlaufener
guter alter weiser Thadädl Cyprian, oder Hör¬
biger als Schwerenotshofrat, Paul Otto, Erwin
Kalser, Rudolf Platte, Stahl=Nachbaur; auch die
nach liberal=orthodoxem Dogma Gott sei Dank
bis ans Ende hundsgemeinen Deutschnationalen
und Altdeutschen Ernst Mamelok und Georg
Schnell.
Schade um einen so unbilligen Aufwand für
eine so billige Sache.
Die faktiöse, nichtssagende, familienhafte Be¬
geisterung der Eingeladenen, wie üblich, unver¬
meidlich und selbstverständlich.
*
Berliner Theater: „Die Straße“
Ein Stück vom allerübelsten. Ein völlig geist¬
verlassener, herzloser amerikanischer Reißer ohne
Rissigkeit. Herstellbar durch jeden Macher von
mittlerer Fixigkeit nach jedem Zeitungsmordbericht
binnen acht Tagen.
Ein Fetzen trostloser, nichtssagender Natura¬
lismus, wie wir uns vor dreißig Jahren schon
höchlich ihn verbeten hätten. Wir erfahren, daß
es in einer Großstadt häßliche Mietskasernen
gibt, in denen zu viele Menschen wohnen, die
Lu#Fede
S e
9
Sraus:
Biindgänger.
„Professor Bernhardi“
„Die Straße“.
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Theater i. d. Königgrätzer Straße
und Berliner Theater.
Von Friedrich Hussong.
Albert Bassermanu.
Fritz Kortner.
Dieses Stück von Arthur Schnitzler war
diesem Stück nicht zu der ironischen Ueberlegen¬
schon vor dem Krieg nur ein schwächliches Kind
heit kommen, die er seinem Professor Bernhardi
des Wiener Feuilletons, dem es immerhin — bei
zuschreibt. Das Problem wird nicht klar gestellt,
aller Schwächlichkeit — sein Bestes verdankt.
noch viel weniger klar gelöst. Er plandert
Vier Akte lang denkt man, es soll eine gelinde
von einem zum andern, weicht von einem zum
Tragödie werden; im fünften wird es doch ein
andern aus und vermanscht die Dinge mitein¬
matter Schwank.
under, die gar nichts miteinander zu tun haben.
Es fängt an als ein Problemstück um das
Das tötet allen dramatischen Nerv. So wird
Thema Klerikalismus und Liberalismus, und der
allerlei, bloß nicht das handfeste „Zeittheater",
Held Bernhardi als ein Held der Aufklärung.
das man meinte, als man den Schmöker aus¬
Dann biegt es um und wird eine Debatte über
staubte. Dramatischer Rangierbahnhof, intellek¬
die Judenfrage, und der Held Bernhardi ein
tuelle Weichenstellerspielerei; nicht zu wenig Für,
Märtyrer des Rassenstreites. Nachher wird es
nicht zu viel Wider; ein bisserl hüben, ein bisserl
plötzlich eine Uebersetzung des weisen Nathan ins
drüben; bloß — Gott sei Dank! — die Deitsch¬
Wienerische, was ihm gar samos steht, dem
nationalen, das is eine gute, deftige, eindeutige
Nathan; über „dem Abgrund“ reicht man sich die
Sache; manches nette Feuilletongefunkel (das ist
Hände: der Jude Bernhardi, der durch ihn vom
das beste); viel, viel, viel zu viel Leitartikel
Sterbebett ferngehaltene Pfarrer Reder, der
(das ist das ganz üble). In Wahrheit nichts
liberal=klerikale Kultusminister, der altöster¬
weniger als ein Zeitstück; eher schon ein histori¬
reichisch=freigeistelnde Hofrat. Der Held Bern¬
sches Schauspiel; oder wäre heute zu befürchten,
hardi hätte es bei Gott nicht nötig, zwischen so¬
daß der Geistliche mild oder wild in den Bereich
viel netten Menschen den deplacierten Märtyrer
des Arztes am Sterbebett bricht, nicht viel mehr
um nichts und wieder nichts zu spielen. Schlie߬
allenfalls davon zu reden, aber um Gottes willen
lich, wie gesagt, Schwank, segar mit ein bisserl
kein solches Afterdrama daraus zu machen, wie
vom Autor gar nicht vorgesehenem, aber trotz¬
Geistliche und Kranke magistratsrätlich vonein¬
dem fähr liebenswürdigem Gesang, leider ohne
ander ferngehalten werden? Also historisches
Tanz; der Held Bernhardi wird jetzt ein bißchen
Schauspiel: Altösterreich, angeschielt im Lichte des
zum Trottel; aber jetzt san's halt alle so fähr,
liberalen Feuilletons, ohne Schwung, Größe, Höhe,
sä —ähr liebe Leute — da kammer schlecht den
aber mit, mit, mit viel Schmus hin und her.
wilden Mann spül'n, da paßt kein Michael Kohl¬
Wahrscheinlich hat man den nie frisch gewese¬
has nicht dazwischen — is ja niemand da, der
nen, nun ganz staubig und stockfleckig gewordenen
eim was thut; bloß, Gott sei Dank, die Deitsch¬
Schmöker ausgebuddelt, weilt man glaubte, der
nationalen bleiben halt Schweinehunde bis zu¬
anderwärts abkömmlich gewordene Herr Kortner
werde aus dem Bernhardi eine Bombensache
letzt — na ja, Gott sei Dank.
machen. Die Bombe war ein Blindgänger.
Die persönliche Verärgertheit ließ Schnitzler ##
Natürlich hat Herr Kortner seine Sache gekonnt,
wenn man davon absieht, daß er sie falsch an¬
gelegt hatte, unösterreichisch, unwienerisch, un¬
schnitzlerisch. Andere waren nicht schlechter:
Bressard als bei Oskar Blumenthal entlaufener
guter alter weiser Thadädl Cyprian, oder Hör¬
biger als Schwerenotshofrat, Paul Otto, Erwin
Kalser, Rudolf Platte, Stahl=Nachbaur; auch die
nach liberal=orthodoxem Dogma Gott sei Dank
bis ans Ende hundsgemeinen Deutschnationalen
und Altdeutschen Ernst Mamelok und Georg
Schnell.
Schade um einen so unbilligen Aufwand für
eine so billige Sache.
Die faktiöse, nichtssagende, familienhafte Be¬
geisterung der Eingeladenen, wie üblich, unver¬
meidlich und selbstverständlich.
*
Berliner Theater: „Die Straße“
Ein Stück vom allerübelsten. Ein völlig geist¬
verlassener, herzloser amerikanischer Reißer ohne
Rissigkeit. Herstellbar durch jeden Macher von
mittlerer Fixigkeit nach jedem Zeitungsmordbericht
binnen acht Tagen.
Ein Fetzen trostloser, nichtssagender Natura¬
lismus, wie wir uns vor dreißig Jahren schon
höchlich ihn verbeten hätten. Wir erfahren, daß
es in einer Großstadt häßliche Mietskasernen
gibt, in denen zu viele Menschen wohnen, die
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