II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 803

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25. BrfessBernhaa
Deulsches Volkstheater.
Gastspiel Fritz Kortner in Schnitzlers
„Professor Bernhardi“
Von
Hanns Saßmann.
Auch Dichter schreiben zuweilen Tendenzstücke. Wus diese
vom dramatischen Machwerk eines theatralischen Demagogen
unterscheidet, ist die tiefere Erkenntnis, daß dramatische Lonflikte
nur entstehen können, wo beide Gegner auf ihre Art recht haben
und sich über den Abgrund, der sie trennt, die Hand reichen
können. Das allein scheidet in solchen Fällen das Kunstwerk vom
Kitsch und vom Kunstwerk zum Kitsch führen keine Zwischen¬
stufen, die für den Kritiker immer nur Eselsbrücken sind. Kritik
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üben heißt heutzutage, klar ja oder nein sagen.
Schnitzlers Tendenzdrama „Professor Bernhard!“
einst kulturkämpferisch, hat längst keine Tendenz mehr; was
übrig blieb, ist eine vollendete dramatische Dichtung, bewunderns¬
santen
wert in ihrer hochsinnigen Valance zweier Weltanschauungen.
Leuchs¬
Die Titelrolle spielt Fritz Kortner. In seiner darstellerische.
Geh¬
st die Form sind die Fürsten aller Stilperioden mehr oder weniger
sichtbar, zu finden, die das deutsche Theater in zwei Jahrzehnten
n“, die
im Wandel vom Naturalismus zum Expressionismus und vom
r Ent¬
Ueberrealismus zum Neonaturalismus des Zeitdramas durch¬
gemacht hat. Was die expressionistische Bühne von der Antike
sentlehnte, den Kanon sorgfältig abgetönter Stimmen und
rhythmisch bewegter Körper, wie den Verzicht auf jede
Psychologie, hat Fritz Kortner in sein schauspielerisches Wesen
aufgenommen; neben den Spuren ekstatischer Rezitationskunst
aus Tollers „Wandlung“ und Bronnens „Ostpolzug“ bemerken
XI.
wir die Einflüsse, die das Spielen in Stücken wie „Patrioten“
des
und „Der rote General“ auf diese eminente schauspielerische
Intelligenz ausgeübt hat.
seine
Wer auf dem Theater vieles bringt, bringt keinem etwas,
ervor- denn hier gilt nur Ganzes. Wer einmal Leopold Jeßners Ideal¬
ir das schauspieler war, findet nur schwer den Weg zu Schnitzler. Da¬
st voll zwischen liegen Abgründe. Zuweilen fällt die Kargheit
volles im theatralischen Ausdruck auf, die in den beioegteren Momenten
Der der Szenen etwas starrsinnig Gewolltes hat. Wenn Friß Kortner
en er¬ dort, wo der Zuschauer einen vollen Ausbruch der bekannten
Ober=stoßenden Gesten und der hallenden Tubatöne der Stimme dieses
Buch einst so überpathetischen Schauspielers erwartet, sich bemühl, Ton
#arlo" und Bewegung oft bis zur Unklarheit niederzupressen, um, wie
nung!
man im Böhnenjargon sagt, nur ja „nicht zu viel zu machen“,
in
so spürt man gerade daran die Mache.
ingen.
Die neue Berliner Schule ziehlt mit ihrer salopprhetorischen
ondon
Art sichtlich darauf ab, möglichst wenig Theater zu „spielen“,
, daß
#udien sondern die private Persönlichkeit des Schauspielers in möglichster
ginne Natürl hkeit zu entfalten. Gewollte Natürlichkeit ist aber keine
ania. und in der Natur des Schauspielers liegt es, möglichst
t“ zu hemmungslos und absichtslos — Theater zu spielen. Wie
ig ist. überhaupt das „Sichverstellen“ um ungestörier das Innerste
Föhre enthüllen zu können, ein wesentlicher Trieb der Menschennatur
t ab= ist. Man möchte sagen: „Spielt drauf los, der Stil kommt von
nsicht, alleene!“
Fr 23
Die Berliner Schauspielkunst, deren vornehmster Re¬
Estor präsentant Kortner ist, hat ein stilistisches Programm: Sie re¬
nung duziert die Mittel des Theaters auf ein Minimum und glar bt da¬
udien mit Seelisches freizulegen. Man nennt das Sachlichkeit. Na, schön!
r die
Aber was will man damit von uns Wienern? Die wir
präch
programmatische Entwicklungen hasse? Und wo es in allen
ingen lGagen fingt und klingt: „Barock san mar, barock bleib'n mar!“
Mit dem Berliner Gast holten die Herren Forest,
r die Kutschera, Lessen, Novotny, Olden, Onno und
kaiser[Schmöle ihren Applaus. Arlur Schnitzlers Schauspiel, das
Doku= jetzt mehr von kleinen und großen Menschlichkeiten aufschließ
als je, feierte zugleich das Jubiläum der hundertsten Wiener
über Aufführung.
will
hien,
1917.
die Gofaze der Wundosbahnen.
en:“