II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 822

25. Professor Bernhardi
#t aus: WIENER CARICATUREN
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E THEATER.
Schnitzler hat endlich ein Drama
geschrieben, welches nichts mit lockerer
Erotik zu tun hat — und siehe da! Die
Zensur hat es verboten, weil es gewisse
Empfindlichkeiten in religiösen Kreisen
wecken könnte.
Arthur Schnitzler hat da ein eigen¬
tümliches Pech, Schrieb er doch einst eine
Novellette „Leutnant Gustl“ welche in
Militärkreisen Entrüstung erweckte und
ihn selbst die Offizierscharge kostete.
Wie kommt es, daß dieser milde, weiche
Dichter, der sonst nur erotische Feinheiten
säuselt, sofort großen Lärm erregt, wenn
er soziale Probleme berührt? Wir meinen,
daß er eben diese Dinge nicht richtig an¬
faßt und allzu grell tendenziös in der
Darstellung wird.
Besonders befremdend wirkt bei dem
sonst so feinsinnigen Dichter die Schlüssel¬
technik, das Zeichnen stadtbekannter
Figuren und Verhältnisse.
Solch grober Behelfe bedarf der
Dichter der „Liebelei“ nicht.
Im Ganzen und Großen raten wir
Schnitzler, wieder zur Erotik zurückzu¬
kenren, in das weite Land des Semme¬
ringjudentums, dessen Gefühle er so gut
kennt und schildert.
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Die Geistlichkeit liegt ihm doch ziem¬
lich ferne und er unterlasse es, sie
dramatisch zu bearbeiten.
Das Stück heißt übrigens: „Professor,
Bernhardi“ sonst heißt es nicht viel.
ergann
Die Bombe, Wien
Ausschnitt. Fus 1#
vom:
Man hat Arthur Schnitzler immer
wieder vorgeworfen, daß er Stchheetnen Dramen
meist nur mit erotischen Tändeleien befasse
und da hat er nun plärwich das tendenziös¬
liberale bekommen.
In seinem „Lofessor Bernhardi“
will er die seinerzeitige Gründung der Wiener
Poliklinik zu einer Sache liberaler Kultur
machen und dieser unglückliche Vorwurf bewirkt,
daß die Figuren auf dem Papier kleben bleibent
und endlose Leitartikel reden.
Wir sehen Schnitzler auf diesem Gebieteg
nicht gern und er möge das hochtendenziöse, alle
„Glaube- und Heimat“-Fragen ruhig seinem dra¬
matischen und ärztlichen Kollegen Schönherr
überlassen.
Die Zensur hat den „Professor Bernhardi“
verboten und so die für schwache Werke nützliche
Reklame beigestellt.
Nein, das ist nicht der Schnitzler, den
wir mögen.
Die Frage des Konflikts zwischen „Kirche,
und Wissenschaft“ hat heute selbst fürt
Untergymnasiasten kein grobes Interesse.
Und die Gründung der Poliklinik war kein
Kulturkampf, sondern hat namentlich der Familie“
Schnitzler großen Cewinn gebracht.
S
F