urdadurch eingeführt, daß er
Ctwa in die osterferemenes
die Psyehe des nach ihm nicht in letzter Linie so benannten
#süßen Mädels' entdeckte. Diese Gattung weiblicher Jugend,
deren ziemlich gleichförmige Lebensschicksale er, soweit das
männiglich interessant erscheinen kann, mehrfach dramatisch -
Oodem heißt ursprünglich bekanntermaßen: handeln! — gestaltete,
hat sich nun etwas überlebt und ist dem Aussterben nahe. Die
Mädehen von heute scheinen nämlich (abgesehen davon, daß sie
niemals die kompliziert gesuchte Psychologie besaßen, die
Schnitzler und seinen Werken große Auflagen und viele Tantièmen
brachte) so bedeutend klüger geworden zu sein, daß selbst die
sentimentalste Erotik, in deren Begreiflichmachung Schnitzler ein
besonderer Meister ist, nicht mehr vermochte, seine Gestalten
bevorstchen den E C- e
der schönsten Erwartungen für ihre Rekonvaleszenz. Der Pro¬
fessor läßt sie in diesen Illusionen befangen bleiben und hält
den Priester, der dem Mädohen die Sterbesakramente bringen
will, zurück, damit die Sterbende in ihrem Traum nicht gestört
werde. Hier stehen sich zwei Weltanschauungen gegenüber. Die
Patientin erfährt jedoch, noch während Arzt und Priester sich
auseinandersetzen, von der Pflegeschwester, daß sie versehen
werden sollte und stirbt. „Als Sünderin, ohne jede Tröstung der
und das ist die Schuld des
Religion ist sie dahingegangen
Arztes' sagt der Priester. Die Sache spricht sich herum und
nach einer Reihe kunterbunter politisch-gesellschaftlicher Ereig¬
allen Dingen, die
nisse, Vorfälle, Machenschaften usw.
— Elatt fal del R
sich da gegen den Helden Bernhardi anspinnen und entwickeln,
sind natürlich (wie wär’s möglich dann?!) die Klerikalen schuld —
nach einer Exposition und dramatischen Verwicklung, in der der
Held passiv zum Uberhelden wird, erfolgt seine Anklage und Ver¬
urteilung wegen Religionsstörung. Vor Antritt seiner Haftstrafe
hat der Professor noch eine Unterredung mit dem Priester, die
dieser suchte: sie gipfelt darin, daß der Arzt sich berühmt, auch
dort verstehen zu müssen, wo ihm kein Verständnis entgegen¬
gebracht werde, und daß der Geistliche den Grundsatz der Liebe
auch zu seinen Feinden als endliche Erkenntnis ausspricht. Man
glaube aber ja nicht, daß der liberale Edelsinn engherzig sei;
der Professor will durchaus nicht, daß aus dem Vorfall politisches
Kapital für oder gegen die eine oder die andere Richtung ge¬
schlagen werde, er verzichtet auf alle Rechtsmittel, verbüßt die
Strafe, will keine Revision, als sich herausstellt, daß er eigentlich
nur auf Grund falscher Zeugenaussagen verurteilt wurde, und
muß sich dafür zu Dank sagen lassen, daß er eigensinnig, ja, daß
er eigentlich der Held einer harmlosen Tragikomödie sei, da es
in Österreich heute doch keine Scheiterhaufen mehr gebe. Welche
Hochherzigkeit! Ja, ja usw.
Was soll der katholische Priester nun als Objekt dieses
Tendenzstückes, das sich schließlich noch so zart und verlogen
dagegen verwahrt, Tendenzstück zu sein? Der Gedanke, den Li¬
beralismus auf Kosten einer schwarz in schwarz gemalten, als
Gegenstück von recht auffälliger Abstrusität, zwar verständnislos
aber nur tendenziös gegnerisch gezeichneten Religionsaufgabe
hochleben zu lassen, ist nicht neu; Lessing hat es schon, aber
geschmackvoller gemacht — sein Nachtreter kann es nicht einmal
zu dem bischen Anstandsminimum bringen, das bei solchen Dingen
immerhin einzuhalten wäre. Wenn auch Arzt und Priester hier nur
typisierte Figuranten des möglichen Gegensatzes, in verschie¬
denem Sinne menschlich und transzendental Gutes zu wollen,
sind, so mag man sich immerhin gegen eine poetische Lizenz
verwahren, die die Grenzen dessen, quod licet, nicht einzuhalten
vermag und darum mit dem Zensurverbot der Aufführung dieses
Stückes einverstanden sein. Soweit muß auch der auf seine Zähig¬
keit viel und erfolgreich geprüfte Liberalismus des katholi¬
schen Klerus nicht gehen, daß er sein Kleid, seine persona
zu beliebigen Statistereien für Bühnenwerke eines themensuchenden
Schriftstellers hergibt. Besonders dann nicht, wenn dieser den
Geist der Gestalt nicht zu geben vermag, wie hier, wo er deren
Geistes keinen Hauch gespürt.
Andererseits aber wäre eben darum, weil die Hohlheit der
Geschichte bei einer Aufführung erst ins rechte Licht treten
könnte, beinahe die Freigabe des Stückes zu wünschen; dessen
innere Verlogenheit (im Sinne von Lebensunwahrheit) würde sich
selbst richten. Liberalismus der Uberzeugung gegen Liberalismus
der Geschäftsmache: welcher ist stärker? Lassen wir die Frage
ruhig offen. —
Verlohnte sich eigentlich der Protest oder nehmen wir die
Sache besser als Registrandum zu den vielen anderen dazu? —
Lassen wir am besten wohl allen Schnitzlern weiter die poetische
Lizenz, sich mit Dingen zu befassen, die sie brauchen; sie haben
es notwendig, wenn auch die Dinge einer Behandlung durch sie
entraten können. Nur eines ist zu beachten: den Liberalismus,
wie er heute ist und wahrscheinlich weiter sein wird, richtig ver¬
stehen und seine Emanationen induktiv auf die Ursachen unter¬
suchen. Wenn man diese Methode hier richtig anwendet — das
Resultat steht in der Einleitung dieser Zeilen — dann fällt es
wirklich nicht schwer, alles zu verstehen und alles zu verzeihen.
Der liberale Professor Bernhardi hätte sicherlich auch dafür ent¬
schieden, daß erotische Schriftstellerei gewissen anderen Richtungen
vorzuziehen sei.
Es fällt manchmal nicht leicht, aber es ist schließlich doch
das Beste: tout comprendre — c’est tout pardonner. Und im
übrigen? Rebus in Judaicis — acquam servare mentem! So¬
lange es nämlich keine schlimmere Feindschaft gibt . .. Cato.
Ctwa in die osterferemenes
die Psyehe des nach ihm nicht in letzter Linie so benannten
#süßen Mädels' entdeckte. Diese Gattung weiblicher Jugend,
deren ziemlich gleichförmige Lebensschicksale er, soweit das
männiglich interessant erscheinen kann, mehrfach dramatisch -
Oodem heißt ursprünglich bekanntermaßen: handeln! — gestaltete,
hat sich nun etwas überlebt und ist dem Aussterben nahe. Die
Mädehen von heute scheinen nämlich (abgesehen davon, daß sie
niemals die kompliziert gesuchte Psychologie besaßen, die
Schnitzler und seinen Werken große Auflagen und viele Tantièmen
brachte) so bedeutend klüger geworden zu sein, daß selbst die
sentimentalste Erotik, in deren Begreiflichmachung Schnitzler ein
besonderer Meister ist, nicht mehr vermochte, seine Gestalten
bevorstchen den E C- e
der schönsten Erwartungen für ihre Rekonvaleszenz. Der Pro¬
fessor läßt sie in diesen Illusionen befangen bleiben und hält
den Priester, der dem Mädohen die Sterbesakramente bringen
will, zurück, damit die Sterbende in ihrem Traum nicht gestört
werde. Hier stehen sich zwei Weltanschauungen gegenüber. Die
Patientin erfährt jedoch, noch während Arzt und Priester sich
auseinandersetzen, von der Pflegeschwester, daß sie versehen
werden sollte und stirbt. „Als Sünderin, ohne jede Tröstung der
und das ist die Schuld des
Religion ist sie dahingegangen
Arztes' sagt der Priester. Die Sache spricht sich herum und
nach einer Reihe kunterbunter politisch-gesellschaftlicher Ereig¬
allen Dingen, die
nisse, Vorfälle, Machenschaften usw.
— Elatt fal del R
sich da gegen den Helden Bernhardi anspinnen und entwickeln,
sind natürlich (wie wär’s möglich dann?!) die Klerikalen schuld —
nach einer Exposition und dramatischen Verwicklung, in der der
Held passiv zum Uberhelden wird, erfolgt seine Anklage und Ver¬
urteilung wegen Religionsstörung. Vor Antritt seiner Haftstrafe
hat der Professor noch eine Unterredung mit dem Priester, die
dieser suchte: sie gipfelt darin, daß der Arzt sich berühmt, auch
dort verstehen zu müssen, wo ihm kein Verständnis entgegen¬
gebracht werde, und daß der Geistliche den Grundsatz der Liebe
auch zu seinen Feinden als endliche Erkenntnis ausspricht. Man
glaube aber ja nicht, daß der liberale Edelsinn engherzig sei;
der Professor will durchaus nicht, daß aus dem Vorfall politisches
Kapital für oder gegen die eine oder die andere Richtung ge¬
schlagen werde, er verzichtet auf alle Rechtsmittel, verbüßt die
Strafe, will keine Revision, als sich herausstellt, daß er eigentlich
nur auf Grund falscher Zeugenaussagen verurteilt wurde, und
muß sich dafür zu Dank sagen lassen, daß er eigensinnig, ja, daß
er eigentlich der Held einer harmlosen Tragikomödie sei, da es
in Österreich heute doch keine Scheiterhaufen mehr gebe. Welche
Hochherzigkeit! Ja, ja usw.
Was soll der katholische Priester nun als Objekt dieses
Tendenzstückes, das sich schließlich noch so zart und verlogen
dagegen verwahrt, Tendenzstück zu sein? Der Gedanke, den Li¬
beralismus auf Kosten einer schwarz in schwarz gemalten, als
Gegenstück von recht auffälliger Abstrusität, zwar verständnislos
aber nur tendenziös gegnerisch gezeichneten Religionsaufgabe
hochleben zu lassen, ist nicht neu; Lessing hat es schon, aber
geschmackvoller gemacht — sein Nachtreter kann es nicht einmal
zu dem bischen Anstandsminimum bringen, das bei solchen Dingen
immerhin einzuhalten wäre. Wenn auch Arzt und Priester hier nur
typisierte Figuranten des möglichen Gegensatzes, in verschie¬
denem Sinne menschlich und transzendental Gutes zu wollen,
sind, so mag man sich immerhin gegen eine poetische Lizenz
verwahren, die die Grenzen dessen, quod licet, nicht einzuhalten
vermag und darum mit dem Zensurverbot der Aufführung dieses
Stückes einverstanden sein. Soweit muß auch der auf seine Zähig¬
keit viel und erfolgreich geprüfte Liberalismus des katholi¬
schen Klerus nicht gehen, daß er sein Kleid, seine persona
zu beliebigen Statistereien für Bühnenwerke eines themensuchenden
Schriftstellers hergibt. Besonders dann nicht, wenn dieser den
Geist der Gestalt nicht zu geben vermag, wie hier, wo er deren
Geistes keinen Hauch gespürt.
Andererseits aber wäre eben darum, weil die Hohlheit der
Geschichte bei einer Aufführung erst ins rechte Licht treten
könnte, beinahe die Freigabe des Stückes zu wünschen; dessen
innere Verlogenheit (im Sinne von Lebensunwahrheit) würde sich
selbst richten. Liberalismus der Uberzeugung gegen Liberalismus
der Geschäftsmache: welcher ist stärker? Lassen wir die Frage
ruhig offen. —
Verlohnte sich eigentlich der Protest oder nehmen wir die
Sache besser als Registrandum zu den vielen anderen dazu? —
Lassen wir am besten wohl allen Schnitzlern weiter die poetische
Lizenz, sich mit Dingen zu befassen, die sie brauchen; sie haben
es notwendig, wenn auch die Dinge einer Behandlung durch sie
entraten können. Nur eines ist zu beachten: den Liberalismus,
wie er heute ist und wahrscheinlich weiter sein wird, richtig ver¬
stehen und seine Emanationen induktiv auf die Ursachen unter¬
suchen. Wenn man diese Methode hier richtig anwendet — das
Resultat steht in der Einleitung dieser Zeilen — dann fällt es
wirklich nicht schwer, alles zu verstehen und alles zu verzeihen.
Der liberale Professor Bernhardi hätte sicherlich auch dafür ent¬
schieden, daß erotische Schriftstellerei gewissen anderen Richtungen
vorzuziehen sei.
Es fällt manchmal nicht leicht, aber es ist schließlich doch
das Beste: tout comprendre — c’est tout pardonner. Und im
übrigen? Rebus in Judaicis — acquam servare mentem! So¬
lange es nämlich keine schlimmere Feindschaft gibt . .. Cato.