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25. BrfzoBernhandi
32 —
vom ersten Augenblick an mit Spannung wie mit Elektronen
sättigen=, und glossieren: „Elektrone sind Bernsteine, aber das
macht nichtse, Jene Gebildeten meinen nun, Sie verspotteten den
Satz, weil Sie nicht wüßten, was in jedem physikalischen Schulbuch
stehe, nämlich daß es wirklich Elektronen gibt. Solche Vorzugs¬
schüler, die nach dem Schulbuch schreien, wo ihnen Ohr oder
Auge versagt, verdienen das Lineal über das Maul gestrichen, Ich,
der icn mir anmaße, dutzendemal mehr von den Elektronen zu
verstehen als der gesamte wissenschaftlich gestikulierende Teil Ihrer
Leserschaft, habe die Glosse folgendermaßen aufgefaßt: Sie
entblößen die spannungsbeflissene Leere des gebrauchten Bildes
(das, als innerlich unerlebt, unsachlich ist), indem Sie ihm die
schlichte ältere Bedeutung des Wortes entgegenstellen; Sie sind
durch die Ubersetzung -Bernsteinee gleichzeitig imstande, das
Gemauschel mit aufgeschnappten Fachwörtern zu charakterisieren,
davon nicht erst zu reden, daß sich diese Ubersetzung dem
Dramatiker Schnitzler sofort assoziiert. Aber auch wenn Sie nicht
so komponiert hätten oder wenn Sie wirklich von der übrigens
viel befehdeten Elektronenhypothese nichts wüßten, ja sogar wenn
Ihr Satz im physikalischen Unrecht und die Phrase im Recht wäre
(was nicht der Fall ist, denn die Phrase hinkt sprachlich wie
physikalisch und Ihre Wendung hat gerade für den tatsächlich
wissenschaftlich Geschulten und Erkennenden besonderen Reiz), so
bliebe die Berechtigung jener Stelle außer Zweifel; denn Sie haben
nicht bloß das Recht, Sie haben die Pflicht — nicht als ein -Du
sollst-, sondern als ein -Ich muße — dem Schmock immer über
die Schnauze zu fahren, wenn er sich erfrecht, seine bericht¬
erstattende Nebensächlichkeit durch wissenschaftliche Wortschälle
aufzubauschen; der Schmock hätte auch dort wissenschaftlich
Unrecht, wo er zwischen seinen Neuigkeiten einen wissenschaft¬
lichen Ausdruck scheinbar richtig einsetzt. Und so: Elektrone
sind Bernsteine und die Schnitzler sättigen ihre Handlungen mit
Bernsteinen und nicht mit Elektronen und Professor Bernhardi hat
nichts mit der Wissenschaft, aber alles mit der Zeitung zu tun.
Ihr ergebener L. E. Tesar, Physikprofessor.
Denn: Und sie bewegt sich doch nicht — seitdem es auch
die Presse weiß.
W
Aerdeunnt aue!
Salzburger Cbronik
P7:
28A. 19“
Salzburg
—
Kultur und Geschäft. Die Kultur war da¬
mals in höchster Gefahr. Wenigstens die Juden¬
presse tat so, als ob dies der Fall gewesen wäre,
nämlich als die Wiener Zensur das=Schnitlen
sche Schauspiel „Professor Bernhardi“
von der Aufführung an den Wiener Bühnen
man für gewöhnlich nur auf dem Gebiete der
Manufaktur begegnet, drängten sich um die an¬
geblich durch klerikale Umtriebe bedrängte mo¬
derne Kultur mit einem Getöse, als gelte es,
noch ein zweitesmal die Mauern von Jericho
zu Fall zu bringen. Nun wurde in Preßburg
von einem Berliner Ensemble dieses „weltbe¬
wegende Schauspiel“ auf die Bühne gebracht.
Eine Kulturtat ersten Ranges. Täglich las man
von ihr in der Presse, Separatdampferfahrten
wurden eingeleitet, und dergleichen Tam Tam
mehr. Und was ist bei diesem Schnitzlerrum¬
mel herausgekommen? Selbst die „Wage“ eine
Wochenschrift, deren „geistiger“ jüdischer Leiter
der betannte Indenliberale Abg. Zenker ist,
macht das Geständnis, „daß zwar das Verbot
des Stückes durch die Zensur eine Dummheit
var, daß es aber eden eine solche Dumm¬
seit ist, die Aufführung dieses Stückes eine
Kulturtat“ zu nennen. Das ist eine recht in¬
eressante Beurteilung. Aber wehe, wenn sich
o ein „Klerikaler“ dieses Urteil über das
Nachwerk des Herrn Schnitzler angemaßt hätte!
der Liberalismus hat wirklich Pech. Politisch
ommt er immer mehr auf den Hund und lite¬
arisch wird er nun auch noch an seiner Leuchte
chnitzler irre.
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vom ersten Augenblick an mit Spannung wie mit Elektronen
sättigen=, und glossieren: „Elektrone sind Bernsteine, aber das
macht nichtse, Jene Gebildeten meinen nun, Sie verspotteten den
Satz, weil Sie nicht wüßten, was in jedem physikalischen Schulbuch
stehe, nämlich daß es wirklich Elektronen gibt. Solche Vorzugs¬
schüler, die nach dem Schulbuch schreien, wo ihnen Ohr oder
Auge versagt, verdienen das Lineal über das Maul gestrichen, Ich,
der icn mir anmaße, dutzendemal mehr von den Elektronen zu
verstehen als der gesamte wissenschaftlich gestikulierende Teil Ihrer
Leserschaft, habe die Glosse folgendermaßen aufgefaßt: Sie
entblößen die spannungsbeflissene Leere des gebrauchten Bildes
(das, als innerlich unerlebt, unsachlich ist), indem Sie ihm die
schlichte ältere Bedeutung des Wortes entgegenstellen; Sie sind
durch die Ubersetzung -Bernsteinee gleichzeitig imstande, das
Gemauschel mit aufgeschnappten Fachwörtern zu charakterisieren,
davon nicht erst zu reden, daß sich diese Ubersetzung dem
Dramatiker Schnitzler sofort assoziiert. Aber auch wenn Sie nicht
so komponiert hätten oder wenn Sie wirklich von der übrigens
viel befehdeten Elektronenhypothese nichts wüßten, ja sogar wenn
Ihr Satz im physikalischen Unrecht und die Phrase im Recht wäre
(was nicht der Fall ist, denn die Phrase hinkt sprachlich wie
physikalisch und Ihre Wendung hat gerade für den tatsächlich
wissenschaftlich Geschulten und Erkennenden besonderen Reiz), so
bliebe die Berechtigung jener Stelle außer Zweifel; denn Sie haben
nicht bloß das Recht, Sie haben die Pflicht — nicht als ein -Du
sollst-, sondern als ein -Ich muße — dem Schmock immer über
die Schnauze zu fahren, wenn er sich erfrecht, seine bericht¬
erstattende Nebensächlichkeit durch wissenschaftliche Wortschälle
aufzubauschen; der Schmock hätte auch dort wissenschaftlich
Unrecht, wo er zwischen seinen Neuigkeiten einen wissenschaft¬
lichen Ausdruck scheinbar richtig einsetzt. Und so: Elektrone
sind Bernsteine und die Schnitzler sättigen ihre Handlungen mit
Bernsteinen und nicht mit Elektronen und Professor Bernhardi hat
nichts mit der Wissenschaft, aber alles mit der Zeitung zu tun.
Ihr ergebener L. E. Tesar, Physikprofessor.
Denn: Und sie bewegt sich doch nicht — seitdem es auch
die Presse weiß.
W
Aerdeunnt aue!
Salzburger Cbronik
P7:
28A. 19“
Salzburg
—
Kultur und Geschäft. Die Kultur war da¬
mals in höchster Gefahr. Wenigstens die Juden¬
presse tat so, als ob dies der Fall gewesen wäre,
nämlich als die Wiener Zensur das=Schnitlen
sche Schauspiel „Professor Bernhardi“
von der Aufführung an den Wiener Bühnen
man für gewöhnlich nur auf dem Gebiete der
Manufaktur begegnet, drängten sich um die an¬
geblich durch klerikale Umtriebe bedrängte mo¬
derne Kultur mit einem Getöse, als gelte es,
noch ein zweitesmal die Mauern von Jericho
zu Fall zu bringen. Nun wurde in Preßburg
von einem Berliner Ensemble dieses „weltbe¬
wegende Schauspiel“ auf die Bühne gebracht.
Eine Kulturtat ersten Ranges. Täglich las man
von ihr in der Presse, Separatdampferfahrten
wurden eingeleitet, und dergleichen Tam Tam
mehr. Und was ist bei diesem Schnitzlerrum¬
mel herausgekommen? Selbst die „Wage“ eine
Wochenschrift, deren „geistiger“ jüdischer Leiter
der betannte Indenliberale Abg. Zenker ist,
macht das Geständnis, „daß zwar das Verbot
des Stückes durch die Zensur eine Dummheit
var, daß es aber eden eine solche Dumm¬
seit ist, die Aufführung dieses Stückes eine
Kulturtat“ zu nennen. Das ist eine recht in¬
eressante Beurteilung. Aber wehe, wenn sich
o ein „Klerikaler“ dieses Urteil über das
Nachwerk des Herrn Schnitzler angemaßt hätte!
der Liberalismus hat wirklich Pech. Politisch
ommt er immer mehr auf den Hund und lite¬
arisch wird er nun auch noch an seiner Leuchte
chnitzler irre.