II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 898

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25. Professor Bernhardi
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Willen, zu einer Art Märtyrer seiner Überzeugung geworden.
Seine Rückkehr aus dem Gefängnis gestaltet sich zu einem
Triumphzug, die allgemeine Gunst wendet sich ihm zu, besonders
als die Schwester Ludmilla in einer Eingabe an das Gericht sich
selbst der falschen Zeugenaussage bezichtigt. Nun besteht auch der
Minister Flint auf einer Wiederaufnahme des Prozesses, allerdings
nicht zuletzt aus dem Grunde, weil die letzten Wahlen, unter dem
Einfluß der Affäre Bernhardi, einen Umschwung der öffentlichen
Meinung im freiheitlichen Sinne erwiesen haben. Aber Bernhardi
selber, dem jetzt sogar, wenn er nur wollte, ein Abgeordneten¬
mandat sicher wäre, ergreift vor dem ganzen Trubel die Flucht. Ihm
genügt das Bewußtsein, „in einem ganz speziellen Fall das getan
zu haben, was er für das Richtige hielt" Worauf der k. k. an¬
archistische Hofrat Winkler aus dem Unterrichtsministerium — das
Buch ist dem Andenken Max Burckhards gewidmet — sehr witzig
bemerkt: „ . . . Wenn man nur einmal in der Früh, so ohne sich's
weiter zu überlegen, anfing', das Richtige zu tun und so in einem
fort den ganzen Tag lang das Richtige, so säße man sicher noch
vorm Nachtmahl im Kriminal... Mit dieser ironischen Geste
entläßt uns der Dichter, und die ganze Sache geht aus wie das
Hornberger Schießen. Man wird ja verstehen, daß er um alles
eine pathetische Wendung vermeiden wollte. Man wird ihm auch
zubilligen, daß er den Professor Bernhardi durchaus nicht als
eine sieghafte Heldennatur angelegt hat. Aber dazu ist doch der
Konflikt viel zu ernst geführt, mit einem viel zu wuchtigen Auf¬
gebot von beiden Seiten, um einfach in ein ironisches, aber harm¬
loses Wortgeplänkel aufgelöst zu werden. Da bleibt zum Schlusse
auch das befreiende Lachen aus, das uns, wohl nach des Dichters
Willen, die Torheiten dieser verkehrten Welt entlocken sollten.
Das ist der wesentlichste Einwand, den wir gegen diese jüngste
Dichtung Schnitzlers erheben müssen, die sonst so reich an drama¬
tischen Akzenten, an leidenschaftlicher Bewegung und Spannung,
so wirksam im szenischen Aufbau ist, wie vielleicht kein zweites
unter seinen größeren Bühnenwerken.
Und nun kehren wir zu der im Eingang gestellten Frage
zurück, ob die Darstellung des Konfliktes zwischen Arzt und
Priester, Wissenschaft und Kirche, ob die Stellungnahme des
Dichters zu diesem Konflikte das Zensurverbot der Aufführung
irgendwie zu rechtfertigen vermag. Wir haben gesehen, wie der
Verfasser mit fühlbarer Deutlichkeit jegliche verallgemeinernde
Tendenz ferngehalten wissen will, wie er nur den speziellen Fall
gelten und selbst in diesem die Richtigkeit von Bernhardis Vor¬
gang ironisch bezweifeln läßt. In den beiden bedeutsamen Szenen,
in denen Arzt und Priester einander gegenübergestellt werden, ist
die ganze Haltung des Vertreters der Kirche eine so sympathische,
die Szenenführung eine so durchaus diskrete und taktvolle, daß
wir uns nicht denken können, hier lägen irgend ernste Hinder¬
nisse einer Freigabe des Dramas. Diese beiden Szenen sind aber,
heene