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wie dargelegt, die Kardinalszenen des Stückes, in diesen beiden
Angeln bewegt sich die Handlung. Bliebe also nur übrig, die
Ursachen zur Bedenklichkeit der Zensur anderswo zu suchen. Und
so drängt sich uns vor allem die Gestalt des Unterrichtsministers
Flint auf, eine Meisterleistung psychologischer Charakteristik, die
typische Figur eines Regierungsbeamten aus dem neuen Österreich.
Hier ist gewiß an kein bestimmtes Vorbild zu denken und das
Witzwort vom „Minister für Kultus und Konkordat“, das dem
Manne angeheftet wird, hat — leider! — allgemeinste Bedeutung.
Aber ein unglückseliges, zufälliges Zusammentreffen mit aktuellen
politischen Verhältnissen, deren deutlichere Bezeichnung sich aus
naheliegenden Gründen verbietet, mochte eine Aufführung der
Komödie solange „untunlich“ erscheinen lassen, als keine Ande¬
rung in eben jenen Verhältnissen eingetreten. Hoffen wir, daß
dies in nicht allzuferner Zeit geschehe, im Interesse nicht bloß des
Dichters, sondern und vor allem im Interesse der heimatlichen
dramatischen Produktion, die, von allen Seiten eingeengt, nicht,
auch noch durch Zufälligkeiten der Tagespolitik behindert werden
möge!
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Theater, Kunst und Musik.
Volksbühne: Gabriel Schillings Flucht. Drama in fünf Akten,
von Gerhart Hauptmann.
Seiten noch hat uns die szenische Kunst so tiefe Befriedigung
gewährt, wie die jüngste Darbietung der Volksbühne. Und selten
noch hat eine bedeutsame, fesselnde Dichtung in uns so tiefes
Mißbehagen geweckt, wie einzelne Szenen des dargestellten Werkes
von Gerhart Hauptmann. Man lauscht entzückt: Wahrhaftig, das
ist das große brausende Meer, das an die stille Küste dieser
kleinen einsamen Insel anschlägt. Wahrhaftig, das sind Menschen
von Fleisch und Blut, Menschen mit reichem inneren Erleben,
die vor der todbringenden steinernen Fratze der Großstadt hieher
ihre Flucht genommen haben, hieher ins Leben. Und Scherz und
lachender Wagemut geben ihrer Seele blühende Flügel . .. Weiter!
Wir lauschen
weiter! ein neues Griechenland zu erobern ...
entzückt. Dann aber drängt sich aller Schmutz und aller stinkender
Unrat des Menschenhaufens nach und erstickt ... erstickt ..
erstickt das silberne Lachen, nur leise zittern noch die Flügel, dann
.. Und etwas wehrt sich in uns
für immer
sind sie still
mit heftigem, leidenschaftlichem Widerstreben: Wir wollen nicht
erdrückt sein von diesem atembeklemmenden, unreinen Dunst
rasender Weiber. Luft! Luft! Oh, ginge doch ein reinigendes
Gewitter nieder, daß sich unsere Seele wieder weiten könnte zum
blauenden Horizont. Und wir atmen erst wieder auf, wenn sich
die Tore dieses Schicksals hinter uns geschlossen haben. Schicksal?
„Das große, gigantische Schicksal?“ Nein, nur kleinliches Ver¬
hängnis voll Marter und Pein. Dem Todesröcheln eines von
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wie dargelegt, die Kardinalszenen des Stückes, in diesen beiden
Angeln bewegt sich die Handlung. Bliebe also nur übrig, die
Ursachen zur Bedenklichkeit der Zensur anderswo zu suchen. Und
so drängt sich uns vor allem die Gestalt des Unterrichtsministers
Flint auf, eine Meisterleistung psychologischer Charakteristik, die
typische Figur eines Regierungsbeamten aus dem neuen Österreich.
Hier ist gewiß an kein bestimmtes Vorbild zu denken und das
Witzwort vom „Minister für Kultus und Konkordat“, das dem
Manne angeheftet wird, hat — leider! — allgemeinste Bedeutung.
Aber ein unglückseliges, zufälliges Zusammentreffen mit aktuellen
politischen Verhältnissen, deren deutlichere Bezeichnung sich aus
naheliegenden Gründen verbietet, mochte eine Aufführung der
Komödie solange „untunlich“ erscheinen lassen, als keine Ande¬
rung in eben jenen Verhältnissen eingetreten. Hoffen wir, daß
dies in nicht allzuferner Zeit geschehe, im Interesse nicht bloß des
Dichters, sondern und vor allem im Interesse der heimatlichen
dramatischen Produktion, die, von allen Seiten eingeengt, nicht,
auch noch durch Zufälligkeiten der Tagespolitik behindert werden
möge!
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Theater, Kunst und Musik.
Volksbühne: Gabriel Schillings Flucht. Drama in fünf Akten,
von Gerhart Hauptmann.
Seiten noch hat uns die szenische Kunst so tiefe Befriedigung
gewährt, wie die jüngste Darbietung der Volksbühne. Und selten
noch hat eine bedeutsame, fesselnde Dichtung in uns so tiefes
Mißbehagen geweckt, wie einzelne Szenen des dargestellten Werkes
von Gerhart Hauptmann. Man lauscht entzückt: Wahrhaftig, das
ist das große brausende Meer, das an die stille Küste dieser
kleinen einsamen Insel anschlägt. Wahrhaftig, das sind Menschen
von Fleisch und Blut, Menschen mit reichem inneren Erleben,
die vor der todbringenden steinernen Fratze der Großstadt hieher
ihre Flucht genommen haben, hieher ins Leben. Und Scherz und
lachender Wagemut geben ihrer Seele blühende Flügel . .. Weiter!
Wir lauschen
weiter! ein neues Griechenland zu erobern ...
entzückt. Dann aber drängt sich aller Schmutz und aller stinkender
Unrat des Menschenhaufens nach und erstickt ... erstickt ..
erstickt das silberne Lachen, nur leise zittern noch die Flügel, dann
.. Und etwas wehrt sich in uns
für immer
sind sie still
mit heftigem, leidenschaftlichem Widerstreben: Wir wollen nicht
erdrückt sein von diesem atembeklemmenden, unreinen Dunst
rasender Weiber. Luft! Luft! Oh, ginge doch ein reinigendes
Gewitter nieder, daß sich unsere Seele wieder weiten könnte zum
blauenden Horizont. Und wir atmen erst wieder auf, wenn sich
die Tore dieses Schicksals hinter uns geschlossen haben. Schicksal?
„Das große, gigantische Schicksal?“ Nein, nur kleinliches Ver¬
hängnis voll Marter und Pein. Dem Todesröcheln eines von
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