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25 BrofessenBernhandi
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Dabei wütet er immer. Das ist das Komödienhafte. Aber es wird
nicht geboren. Es bleibt in den Wehen. Erst im Schlußakt ver¬
sucht es der Dichter. Mit untauglichen Mitteln. Er führt im
fünften Akt eine neue Figur auf: den Hofrat Winter. Eine gute,
wirksame Figur, gewiß. Aber sie sprengt den Rahmen. Sie hat
keine Daseinsberechtigung; keine andere wenigstens, als den Akt,
in dem nichts geschieht, mit Scherzen auszufüllen. Und diese
Scherze nennt der Minister für Kultus und Unterricht jovial:
anarchistisch . .. Bis Professor Bernhardi
sozialdemokratisch
aus dem Gefängnis kommt ..
III.
Man wundert sich ordentlich, daß Professor Bernhardi, der
Held, allein kommt. Daß er nicht seinen Sohn mitgebracht hat,
um ihn wieder einmal gerührt auf die Stirn zu küssen, weil er
„selbstverständlich“ zu ihm hält.
Es tut einem weh, Arthur Schnitzler mit solchen Mitteln
arbeiten zu sehen. Er schämt sich oft und läßt jemanden zurufen:
„Fort mit den Sentimentalitäten.
Auch in der letzten Szene mit dem Kultusminister stellt sich
diese Wendung ein. Diese Szene soll eine Abrechnung werden.
Sie wird — eine verworrene Auseinandersetzung — eine schlecht
gelungene Rückerklärung.
Und der Schluß ist: Der Hofrat konstatiert: Es war eine
Viecherei ... sich so zu echauffieren über die ganze Sache — eine
Dummheit
Die Tragikomödie des Starrsinns ist fertig ...
IV.
Ich liebe Schnitzler zu sehr, um nicht wahr zu ihm zu sein.
Er hat kostbare Worte in diesem verfehlten Kunstwerk, wie:
„Seine Freunde kann man sich suchen — während man seine
Er hat
Feinde nehmen muß, wo und wie man sie findet ..
einen packenden Dialog. Er hat die Kraft des Gegenspiels ..
Und trotzdem habe ich von dem Gegenspieler, dem Pfarrer Reder,
kein Wort gesprochen. Weil dieser Pfarrer immer von sich
als von „Menschen meiner Art“ spricht. Dabei ist er weder eine
Art, noch eine Abart des Gottesmenschen, des Menschen, der mit
Gott geht. Er debattiert. Er zieht sich zurück. Er gibt seine Hand
„über Abgründe" und „schließt für einen Moment die Augen“.
Vogelstraußpolitik der Religion
Ich werde wohl noch ausführlicher über das Werk sprechen
müssen. Heute sage ich nur noch: Es ist weder eine Tragödie,
noch eine Komödie. Und eine Tragikomödie nun erst recht nicht.
Aber ein gutes Theaterstück ist es, wenn Schauspieler mit Kraft
und Können sich dafür einsetzen. Es ist ein Rollenstück — leider
Gottes.
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Dabei wütet er immer. Das ist das Komödienhafte. Aber es wird
nicht geboren. Es bleibt in den Wehen. Erst im Schlußakt ver¬
sucht es der Dichter. Mit untauglichen Mitteln. Er führt im
fünften Akt eine neue Figur auf: den Hofrat Winter. Eine gute,
wirksame Figur, gewiß. Aber sie sprengt den Rahmen. Sie hat
keine Daseinsberechtigung; keine andere wenigstens, als den Akt,
in dem nichts geschieht, mit Scherzen auszufüllen. Und diese
Scherze nennt der Minister für Kultus und Unterricht jovial:
anarchistisch . .. Bis Professor Bernhardi
sozialdemokratisch
aus dem Gefängnis kommt ..
III.
Man wundert sich ordentlich, daß Professor Bernhardi, der
Held, allein kommt. Daß er nicht seinen Sohn mitgebracht hat,
um ihn wieder einmal gerührt auf die Stirn zu küssen, weil er
„selbstverständlich“ zu ihm hält.
Es tut einem weh, Arthur Schnitzler mit solchen Mitteln
arbeiten zu sehen. Er schämt sich oft und läßt jemanden zurufen:
„Fort mit den Sentimentalitäten.
Auch in der letzten Szene mit dem Kultusminister stellt sich
diese Wendung ein. Diese Szene soll eine Abrechnung werden.
Sie wird — eine verworrene Auseinandersetzung — eine schlecht
gelungene Rückerklärung.
Und der Schluß ist: Der Hofrat konstatiert: Es war eine
Viecherei ... sich so zu echauffieren über die ganze Sache — eine
Dummheit
Die Tragikomödie des Starrsinns ist fertig ...
IV.
Ich liebe Schnitzler zu sehr, um nicht wahr zu ihm zu sein.
Er hat kostbare Worte in diesem verfehlten Kunstwerk, wie:
„Seine Freunde kann man sich suchen — während man seine
Er hat
Feinde nehmen muß, wo und wie man sie findet ..
einen packenden Dialog. Er hat die Kraft des Gegenspiels ..
Und trotzdem habe ich von dem Gegenspieler, dem Pfarrer Reder,
kein Wort gesprochen. Weil dieser Pfarrer immer von sich
als von „Menschen meiner Art“ spricht. Dabei ist er weder eine
Art, noch eine Abart des Gottesmenschen, des Menschen, der mit
Gott geht. Er debattiert. Er zieht sich zurück. Er gibt seine Hand
„über Abgründe" und „schließt für einen Moment die Augen“.
Vogelstraußpolitik der Religion
Ich werde wohl noch ausführlicher über das Werk sprechen
müssen. Heute sage ich nur noch: Es ist weder eine Tragödie,
noch eine Komödie. Und eine Tragikomödie nun erst recht nicht.
Aber ein gutes Theaterstück ist es, wenn Schauspieler mit Kraft
und Können sich dafür einsetzen. Es ist ein Rollenstück — leider
Gottes.
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