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L.
24. Das weite Land
für gesorgt, daß das Künstliche wenigstens äußerlich wir dieses näher. Wien ist im „weiten Land“ teils auf
obenauf bleibt und in irgend einer-Form immer wieder der Sommerfrische, im nahen Baden, teils im Tiroler
eton.
hergestellt wird. Sein innerstes Gelüste loszulassen, ist Hochgebirge. Dort blickt der Stefansturm, hier der
nur der Totgeweihten letztes Recht.
„Aignerturm“, eine gefährliche Dolomitenspitze, in die
eater.
Schon aus den Beispielen, die in der oben
Szene herein. Von dort fahren die Herren täglich nach
zitierten Stelle für die chaotischen Möglichkeiten im
Wien, vom Hotel am „Wölser Weiher“ machen sie mit
omödie in fünf Atten von
um erstenmale aufgeführt
weiten Land der Seele angeführt werden, erkennen wir,
den Damen waghalsige Bergtouren. An beiden Orten
Oktober 1911.
daß uns Liebeskonflikte beschäftigen sollen. Sie tun es
mondainstes Milien: Automobilfahrten, Tennismatches
Treichlich, überreichlich! Wie? Das kritisiert der Dichter
usw vor allem aber zügellose Verliebtheit mit allen
nd“? Das weite Land
kite Moral des modernen selbst mit den Worten eines Arztes und grundehrlichen
möglich Folgen: Selbstmord, Ehebruch, Tod im Duell,
gendträumen und Beloh= Mannes, dem es natürlich übel ergeht in dieser Welt
Mädchenverführung. Ein besonderer Charakterkopf in
Webendigen unserer Zeit.der weiten Gewissen: „Nicht das geringste hätt' ich ein= dieser Gesellschaft ist der schon genannte Hoteldirektor
mit der uns der Dichter zuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe wirklich von Aigner. Er hat jeden Tag eine andere vornehme
dte Hoteldirektor Doktor nichts anderes wäre, als ein köstliches Spiel. Aber Geliebte, alle jungen Kellner und Liftboys, sowie
zu einem Gaste wie folgt dann — dann ehrlich, bitte! Ehrlich bis zur Orgie.
Bauernkinder im weitesten Umkreis, sehen ihm verdäch¬
noch nicht aufgefallen Das ließe ich gelten. Aber dieses Ineinander von Zu##tig ähnlich. Seinen ehelichen Sohn aber, den zwanzig¬
bjekte wir Menschen im rückhaltung und Frechheit, von feiger Eifersucht und erjährigen Marinefähnrich Otto, kennt er nicht. Er ist
zugleich Raum in uns! logenem Gleichmut, von rasender Leidenschaft und nämlich so zart besaitet, daß er seine edle, von ihm un¬
Treulosigkeit, Anbetung leerer Lust, wie ich es hier sehe, das finde ich trübselig endlich geliebte Gattin einfach verlassen hat, nachdem er
es zuwege gebracht, sie mit einer anderen zu betrügen.
nach einer anderen oder und — grauenhaft. Der Freiheit, die sich hier brüstet,
wohl Ordnung in uns der fehlt es am Glauben an sich selbst. Darum gelingt Gerade daß er sie so sehr liebte und trotzdem fähig
er diese Ordnung ist doch ihr die heitere Miene nicht, die sie so gern annehmen war, sie zu betrügen, das machte ihn irre an sich und
möchte; darum grinst sie, wo sie lachen will.“ Sehr der ganzen Welt. Nun gab es für ihn überhaupt keine
Matürliche ist das Chaos.
Sicherheit mehr auf Erden, keine Möglichkeit des Ver¬
Seele ist ein weites Land, wahre Worte, und Schuld daran trägt nicht etwa nur
brückte. Es kann übrigens das engherzige Moralgesetz oder die Strafbestimmungen
trauens. Nicht daß es geschehen, nein, daß es über¬
sen sein." Ein anderer, der staatlichen Ordnung, sondern weit mehr der erbliche
haupt möglich gewesen war, das hat ihn von seiner
Gattin fortgetrieben, nachdem er ihr seinen Fehltritt
ht auch schon gesagt: „eng Druck Jahrtausende alter äußerlicher Sittenübung,
selbst eingestanden. Das war er ihr schuldig, meint er,
weit; leicht bei einander gegen den sich alle Fragezeichen revolutionärer Kritik
gerade weil er sie anbetete. Er wäre sich recht feig vor¬
art im Raume stoßen sich machtlos erweisen.
Nachdem wir des Dichters eigenes Urteil — so
gekommen, wenn er ihr's verschwiegen hätte; denn so
ttere nicht, so träte das
schrecklich in Erscheinung. dürfen wir es wohl auslegen — über das von ihm ge¬ leicht dürfe man sich die Dinge doch eigentlich nicht
elt der Moralbegriffe da= schilderte erotische Getriebe kennen gelernt, betrachten machen. Er vergißt dabei, daß er sich durch diese gro߬
L.
24. Das weite Land
für gesorgt, daß das Künstliche wenigstens äußerlich wir dieses näher. Wien ist im „weiten Land“ teils auf
obenauf bleibt und in irgend einer-Form immer wieder der Sommerfrische, im nahen Baden, teils im Tiroler
eton.
hergestellt wird. Sein innerstes Gelüste loszulassen, ist Hochgebirge. Dort blickt der Stefansturm, hier der
nur der Totgeweihten letztes Recht.
„Aignerturm“, eine gefährliche Dolomitenspitze, in die
eater.
Schon aus den Beispielen, die in der oben
Szene herein. Von dort fahren die Herren täglich nach
zitierten Stelle für die chaotischen Möglichkeiten im
Wien, vom Hotel am „Wölser Weiher“ machen sie mit
omödie in fünf Atten von
um erstenmale aufgeführt
weiten Land der Seele angeführt werden, erkennen wir,
den Damen waghalsige Bergtouren. An beiden Orten
Oktober 1911.
daß uns Liebeskonflikte beschäftigen sollen. Sie tun es
mondainstes Milien: Automobilfahrten, Tennismatches
Treichlich, überreichlich! Wie? Das kritisiert der Dichter
usw vor allem aber zügellose Verliebtheit mit allen
nd“? Das weite Land
kite Moral des modernen selbst mit den Worten eines Arztes und grundehrlichen
möglich Folgen: Selbstmord, Ehebruch, Tod im Duell,
gendträumen und Beloh= Mannes, dem es natürlich übel ergeht in dieser Welt
Mädchenverführung. Ein besonderer Charakterkopf in
Webendigen unserer Zeit.der weiten Gewissen: „Nicht das geringste hätt' ich ein= dieser Gesellschaft ist der schon genannte Hoteldirektor
mit der uns der Dichter zuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe wirklich von Aigner. Er hat jeden Tag eine andere vornehme
dte Hoteldirektor Doktor nichts anderes wäre, als ein köstliches Spiel. Aber Geliebte, alle jungen Kellner und Liftboys, sowie
zu einem Gaste wie folgt dann — dann ehrlich, bitte! Ehrlich bis zur Orgie.
Bauernkinder im weitesten Umkreis, sehen ihm verdäch¬
noch nicht aufgefallen Das ließe ich gelten. Aber dieses Ineinander von Zu##tig ähnlich. Seinen ehelichen Sohn aber, den zwanzig¬
bjekte wir Menschen im rückhaltung und Frechheit, von feiger Eifersucht und erjährigen Marinefähnrich Otto, kennt er nicht. Er ist
zugleich Raum in uns! logenem Gleichmut, von rasender Leidenschaft und nämlich so zart besaitet, daß er seine edle, von ihm un¬
Treulosigkeit, Anbetung leerer Lust, wie ich es hier sehe, das finde ich trübselig endlich geliebte Gattin einfach verlassen hat, nachdem er
es zuwege gebracht, sie mit einer anderen zu betrügen.
nach einer anderen oder und — grauenhaft. Der Freiheit, die sich hier brüstet,
wohl Ordnung in uns der fehlt es am Glauben an sich selbst. Darum gelingt Gerade daß er sie so sehr liebte und trotzdem fähig
er diese Ordnung ist doch ihr die heitere Miene nicht, die sie so gern annehmen war, sie zu betrügen, das machte ihn irre an sich und
möchte; darum grinst sie, wo sie lachen will.“ Sehr der ganzen Welt. Nun gab es für ihn überhaupt keine
Matürliche ist das Chaos.
Sicherheit mehr auf Erden, keine Möglichkeit des Ver¬
Seele ist ein weites Land, wahre Worte, und Schuld daran trägt nicht etwa nur
brückte. Es kann übrigens das engherzige Moralgesetz oder die Strafbestimmungen
trauens. Nicht daß es geschehen, nein, daß es über¬
sen sein." Ein anderer, der staatlichen Ordnung, sondern weit mehr der erbliche
haupt möglich gewesen war, das hat ihn von seiner
Gattin fortgetrieben, nachdem er ihr seinen Fehltritt
ht auch schon gesagt: „eng Druck Jahrtausende alter äußerlicher Sittenübung,
selbst eingestanden. Das war er ihr schuldig, meint er,
weit; leicht bei einander gegen den sich alle Fragezeichen revolutionärer Kritik
gerade weil er sie anbetete. Er wäre sich recht feig vor¬
art im Raume stoßen sich machtlos erweisen.
Nachdem wir des Dichters eigenes Urteil — so
gekommen, wenn er ihr's verschwiegen hätte; denn so
ttere nicht, so träte das
schrecklich in Erscheinung. dürfen wir es wohl auslegen — über das von ihm ge¬ leicht dürfe man sich die Dinge doch eigentlich nicht
elt der Moralbegriffe da= schilderte erotische Getriebe kennen gelernt, betrachten machen. Er vergißt dabei, daß er sich durch diese gro߬