II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 53

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24. Das deite-Land

Dann aber richtet sich die Gestalt des dem Gedanken des nahen Abschieds, noch ein¬
Friedrich Hofreiter vor uns auf, sprüht in dem mal so stark auf. Aber dieses Abschiedsbewußt¬
sein ist jetzt in seinen Begierden, in seinem
Feuilleton.
seltsamen, flackernden, gelegentlich aber auch
Liebesdurst, in seinem Temperament wie ein
blendenden Licht der eigenen Lebendigkeit, und
Burgtheater. 8#
scharfes gefährliches Gift.
wir empfinden einen wirklichen Menschen.
Keinen Menschen von Größe. Doch immerhin
An fünfzehn Jahre ist er jetzt verheiratet,
(„Das weite Land“ Tragikomödie in fünf Akten
einen von innerer Fülle. Ein Mensch, der nicht
hat einen dreizehnjährigen Buben, den er
von Arthur Schnitzler. — Zum erstenmal am
unter einem großen Schicksal dahingeht, aber
draußen in England erziehen läßt, hat eine
Strover 1911.)
unter einem tragisch gefärbten Verhängnis.
schöne Frau, die ihn liebt, hat einen Beruf,
Ein kurzes Sträuben ist am Anfang in uns,
der ihn wie ein waghalsiger Sport interessiert.
Ein Kerl voll Feuer und Liebeslust, ein Ver¬
und dann am Schluß ein nachträglich sich be¬
Wenn er aber aus dem Comptoir in die Welt
führer der Frauen und Mädchen; ein Tempera¬
sinnender Widerstand. Dazwischen aber ist die
hinaustritt, in seine Welt der Salons, der
ment, das in hundert Abenteuern die
feine Kunst Arthur Schnitzlers, die mit ihrer
Tennisplätze, der vornehmen Hotels und der
drängende, schäumende Kraft seiner Gesund¬
aromatischen Zärtlichkeit so süß beschwichtigt.
heit noch nicht verbraucht fühlt, das noch auf heimlichen Absteigquartiere, dann ist der Be¬
Diese edle und gereifte Kunst, die in all ihrer
ruf vergessen. In der Welt draußen kann er
Bergesgipsel klettern, auf Sportplätzen sich
Ruhe so viel Leidenschaft birgt, in all ihrer
auch seines Sohnes nicht gedenken, ist sich als
austoben muß, um endlich ein bißchen müde
Gelassenheit so viel anmutigen Schwung, in
ewig Werbender noch nicht recht zur Vater¬
zu werden. Jetzt aber dämmern seinem jubeln¬
ihrer leisen Feinheit so viel Kraft. Diese Kunst,
schaft gereift. Kann auch seines Weibes sich
den Lebenstag schon langsam die grauen
die so sanft an der hellen Oberfläche des Da¬
nicht besinnen, denn als ewiger Eroberer, als
Schatten des Abends; jetzt aber ist sein brausen¬
seins hinzuwandeln scheint, und uns dann
beständiger Beutesucher ist ihm das sichere
der Frühling ohne Uebergang, ohne Frucht
wieder mit solcher Gewalt in die Tiefe ver¬
Eigentum nicht weiter reizvoll. Diese Frau
und Ernte, nahe daran, ein dürrer Herbst zu
borgener Nachdenklichkeiten reißt. Dennoch: am
wird von seinen Freunden umschwärmt und
werden. Den ersten Frosthauch trägt er schon
Anfang dieser neuen Theaterszenen von
in den Gliedern, fühlt sich schon angeweht vom begehrt. Er achtet es nicht. Zunächst, weil er sich
Schnitzler steht etwas in uns dagegen auf und
ersten Schauer des Alters. Das macht ihn un= durch eine Treulosigkeit nicht verletzbar glaubt,
wehrt sich, und zögert, und will sich verweigern.
Da ist sie schon wieder, diese wienerische Gesell-= ruhig und gereizt. Er hat schon irgendwo in und dann, weil er doch stärker zu sein denkt,
seinem Ahnen die dunkle Botschaft vernommen: als alle anderen Männer. Einer dieser Freunde
schaft, dieser ganz bestimmte Kreis der Wiener
tritt abl eine andere Jugend ist da. Räume hat sich erschossen. Niemand weiß, warum, nie¬
Gesellschaft, den man im Leben so gern ver¬
den Platz! Gerade das aber ist es, was er nicht mand ahnt, was diesen jungen Künstler in den
meidet, und in der Kunst nicht gar so oft be¬
kann und nicht will: in dieser herrlichen Welt Tod getrieben. Wenn das Stück beginnt,
gegnen möchte. Diese Menschen, die ihre kleinen,
der Jugend, der Liebe und der Freude vom kommen die Leute von dem Begräbnis des
lüsternen und nichtigen Begierden Jugend
toten Klavierspielers und bedauern ihn, und
Platz weichen. Alles in ihm lehnt sich dagegen
nennen, ihre Treulosigkeit Schmerz, die ihren
ergehen sich in Vermutungen. Auch Friedrich
auf. Er weiß ja, daß es gegen die Gebote der
Snobismus Weltanschauung nennen, und ihre
Hofreiter kommt in den sommerlichen Garten
Vergänglichkeit keine Auflehnung gibt. Aber
schäbigen Skandale Tragik; diese Leute, die
seiner Villa zurück. Zu seiner Frau. Jetzt, da
für alle niedrigen Dinge hohe Worte haben. fügen und sich ergeben, das kann er nicht. Er
Korsakoff sich erschossen hat, vermutet Hof¬
Diese Menschen, die eine wertlose Schicht, ein wird vielleicht „nächstens zusammenschnappen“,
schales Milien, aber keine Menschheit sind; die das sagt er selbst. Inzwischen kämpft er. Aber reiter, seine Frau sei Korsakoffs Geliebte ge¬
sich an allen großen Freuden der Erde auf eine es ist ein Verzweiflungskampf. Der freudige wesen, habe das Verhältnis gelöst, und aus
kleinliche Weise bereichern, die aber selber un¬ Mann ist in seinem Wesen verbittert. Seine Be= Gram darüber sei der Aermste usw. Aber Kor¬
fähig bleiben, anderen Menschen irgendeinen gierden, sein Durst nach Liebe, sein Tempera=] sakoff hat sich umgebracht, weil Frau Genia
inneren Reichtum zu geben. Dies ist am Anfang. ment, all seine Kräfte flammen, entzündet von sich ihm versagte. Sprachlos steht Hofreiter vor