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II
I.
24. Das
hnitt an
Der Salon, Wien
S0. 1511.
TE
u
29
+
8
D 0OO
Theater. Tloooo
—
PPEEEEREEEP G·
Burgtheater.
Das weite Land“ Komödie von Arthur
Schnitzler. Erstaufführung am 14. Oktober 1911.
Es war eine merkwürdige Völkerwanderung, die
auch uns in jenes neue Land, das sich das
weite“ nennt, führte! Ein Land modernster
und überspanntester Empfindungen und Geschehnisse,
denen einst die wirklich weltbedeutenden Bretter
unsrer Hofbühne keine Heimstätte boten! — Ja,
das „Einst“ dieses so oft, mit wegwerfendem
Lächeln, besprochene Einst“ wohin ist es ent¬
schwunden und wo sind nur seine schier für die
Ewigkeit eingegrabenen Spuren? — Sollten auch
diese schon für immer verweht sein? Verweht vom
einschläfernden Sande perverser Moderne und von
sensationslüsternem Snobismus? — Fast scheint
es so. — Jenes bis zum Giebel vollgepfropfte
Hofburgtheater am 14. Oktober, es spricht eine
laute und bitter=traurige Sprache! — Wie war's
doch im viel belächelten Einst“ anders! — Da
saßen in den Logen aller Ränge unseres schönen
Musentempels, der Reihe und dem Range nach,
unser historischer Geburtsadel, vertreten durch seine
hehrsten Sprossen, die Liechtensteins, Schwar¬
zenbergs, Windisch =Graet, Auerspergs,
Kinskys, Trauttmausdorffs, Paars,
Hunyadys n v. a., und selbst der Bürgermeister
von Wien, Dr. Zelinka, mußte sich mit seiner
schönen Gattin nur mit einer Loge III. Ranges
begnügen! Also Adel im Zuschauerraume und
auf der Bühne!
Das war das „Einst“!
Und nun wird bald das Wunder geschehen
sein, daß unseres Burgtheaters geheiligte Hallen von
lantem Jubel bei einer Premiere von „Scholem
Asch“ erzittern werden! — Darf es bis dahin
kommen?— Nein, und tausendmal nein! — Mitten
im Drange dieser Not und Gefahr ging uns jetzt
ein Hoffnungsstern auf! Mit froher Erwartung
blicken wir auf ein in lieblichstem Jugendprangen
eben jetzt vermähltes hohes Paar, auf Ihre k. u. k.
Hoheiten Erzherzog Karl Franz Josef und
dessen in Sittenstrenge und Moral erzogene, durch¬
lauchtigste Gemahlin Erzherzogin Zita, und sehen
durch diese Vermählung einer für die Kunst be¬
deutungsvollen, verjüngten Epoche entgegen.
Die Tatsache, daß das dem Throne so nahestehende
hohe Paar in absehbarer Zeit schon in der altehr¬
würdigen Residenz der Habsburger im Hetzen¬
dorfer Schlosse Wohnung nehmen soll, bestärkt die
Hoffnung, daß auch alsdann der Augenblick ge¬
kommen sein wird, wo sich wieder der historische,
alte Adel seiner Rechte und Pflichten erinnern und
der jetzt so herabgewürdigten Kunst des Hofburg¬
#theaters wieder seinen mächtigen Schutz angedeihen
lassen wird. Das wäre für unsere größte deutsche
Kunststätte das würdigste weite Land“!
Es wäre ein schweres Unrecht, wollte man den
gegenwärtigen Direktor Baron Berger für dieses
schier unmögliche Produtt Schnitzlerscher Schreibe¬
kunst verantwortlich machen. Sein werter Vor¬
gänger in dieser Ehrenstellung, Hofrat Schleuther,
hat es eben für gut und auch einer Hofbühne
würdig befunden, diese elegische, in Badener
Gesellschaftskreisen spielende Frivolität
zur Aufführung zu bringen und Baron Berger
* *
sah sich daher genötigt, „Das weite Land“ in
Szene zu setzen, dem man im Berliner Hof¬
theater das Entree verweigert hatte. Welche Erfolge
die bisher ausverkauften Vorstellungen erzielten,
beweist das Wochenrepertoire, wo „Das weite Land“.
dreimal angesetzt erscheint. Ja, es gibt eben leider
Menschen, die mehr dem Takte der Reklametrommel
als ihrem Eigenen folgen: gehört es ja doch jetzt
zum Bon-ton, diese Schnitzlersche Tragikomödie
gesehen zu haben.
Der alte Wiener. 1
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24. Das
hnitt an
Der Salon, Wien
S0. 1511.
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Theater. Tloooo
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PPEEEEREEEP G·
Burgtheater.
Das weite Land“ Komödie von Arthur
Schnitzler. Erstaufführung am 14. Oktober 1911.
Es war eine merkwürdige Völkerwanderung, die
auch uns in jenes neue Land, das sich das
weite“ nennt, führte! Ein Land modernster
und überspanntester Empfindungen und Geschehnisse,
denen einst die wirklich weltbedeutenden Bretter
unsrer Hofbühne keine Heimstätte boten! — Ja,
das „Einst“ dieses so oft, mit wegwerfendem
Lächeln, besprochene Einst“ wohin ist es ent¬
schwunden und wo sind nur seine schier für die
Ewigkeit eingegrabenen Spuren? — Sollten auch
diese schon für immer verweht sein? Verweht vom
einschläfernden Sande perverser Moderne und von
sensationslüsternem Snobismus? — Fast scheint
es so. — Jenes bis zum Giebel vollgepfropfte
Hofburgtheater am 14. Oktober, es spricht eine
laute und bitter=traurige Sprache! — Wie war's
doch im viel belächelten Einst“ anders! — Da
saßen in den Logen aller Ränge unseres schönen
Musentempels, der Reihe und dem Range nach,
unser historischer Geburtsadel, vertreten durch seine
hehrsten Sprossen, die Liechtensteins, Schwar¬
zenbergs, Windisch =Graet, Auerspergs,
Kinskys, Trauttmausdorffs, Paars,
Hunyadys n v. a., und selbst der Bürgermeister
von Wien, Dr. Zelinka, mußte sich mit seiner
schönen Gattin nur mit einer Loge III. Ranges
begnügen! Also Adel im Zuschauerraume und
auf der Bühne!
Das war das „Einst“!
Und nun wird bald das Wunder geschehen
sein, daß unseres Burgtheaters geheiligte Hallen von
lantem Jubel bei einer Premiere von „Scholem
Asch“ erzittern werden! — Darf es bis dahin
kommen?— Nein, und tausendmal nein! — Mitten
im Drange dieser Not und Gefahr ging uns jetzt
ein Hoffnungsstern auf! Mit froher Erwartung
blicken wir auf ein in lieblichstem Jugendprangen
eben jetzt vermähltes hohes Paar, auf Ihre k. u. k.
Hoheiten Erzherzog Karl Franz Josef und
dessen in Sittenstrenge und Moral erzogene, durch¬
lauchtigste Gemahlin Erzherzogin Zita, und sehen
durch diese Vermählung einer für die Kunst be¬
deutungsvollen, verjüngten Epoche entgegen.
Die Tatsache, daß das dem Throne so nahestehende
hohe Paar in absehbarer Zeit schon in der altehr¬
würdigen Residenz der Habsburger im Hetzen¬
dorfer Schlosse Wohnung nehmen soll, bestärkt die
Hoffnung, daß auch alsdann der Augenblick ge¬
kommen sein wird, wo sich wieder der historische,
alte Adel seiner Rechte und Pflichten erinnern und
der jetzt so herabgewürdigten Kunst des Hofburg¬
#theaters wieder seinen mächtigen Schutz angedeihen
lassen wird. Das wäre für unsere größte deutsche
Kunststätte das würdigste weite Land“!
Es wäre ein schweres Unrecht, wollte man den
gegenwärtigen Direktor Baron Berger für dieses
schier unmögliche Produtt Schnitzlerscher Schreibe¬
kunst verantwortlich machen. Sein werter Vor¬
gänger in dieser Ehrenstellung, Hofrat Schleuther,
hat es eben für gut und auch einer Hofbühne
würdig befunden, diese elegische, in Badener
Gesellschaftskreisen spielende Frivolität
zur Aufführung zu bringen und Baron Berger
* *
sah sich daher genötigt, „Das weite Land“ in
Szene zu setzen, dem man im Berliner Hof¬
theater das Entree verweigert hatte. Welche Erfolge
die bisher ausverkauften Vorstellungen erzielten,
beweist das Wochenrepertoire, wo „Das weite Land“.
dreimal angesetzt erscheint. Ja, es gibt eben leider
Menschen, die mehr dem Takte der Reklametrommel
als ihrem Eigenen folgen: gehört es ja doch jetzt
zum Bon-ton, diese Schnitzlersche Tragikomödie
gesehen zu haben.
Der alte Wiener. 1