II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 139

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24. Das weite Land
Ohnmacht, worauf sie selber —
denen Henri Murger gewesen. Das neuentdeckte Zigeuner= Lerchenfelder Latein — „Servas, Radibua! Pfiat di
auf — die gewünschte Dame an
Gott, krallewatscheter Bratelmusiker!“ — und ihr Herz
land wird von Champagner durchströmt, besitzt Gold¬
Die Handlung des Stück
ist den kleinen Truhen nicht unähnlich, welche der un¬
und Silberminen, und wenn seine Bewohner kneipen
Dauer von drei Jahren, und w
sterbliche „Mistbauer“ zwischen den Wänden seines Fuhr¬
gehen, was so ziemlich jeden Tag und den ganzen Tag
wird uns reichlich Gelegenheit g
werks auszuschütten pflegt. Ein klarer Charakter jedenfalls.
geschieht, suchen sie das allerfeinste Großstadtrestaurant
paulinischen Spruches zu erprob
Wir vermögen auch betreffs dieses mehr oder minder süßen
auf. Gleich im ersten Akt sehen wir sie in einer jener
alkoholischen Neigungen des Dich
Mädels die Anschauung des Feuchtfröhlichen nicht zu
Wirtshausszenen, wie sie Dichter nicht zum
unheilvollen Entwicklung zu ver
teilen. Sie erscheint ihm als etwas Unbegreifliches. „Sie
erstenmal schildert. Bruno der Feuchtfröhliche wird
Siebelius behandelt ihn mit Zitro
ist mir ein Rätsel,“ sagt er geradezu. Man sucht aber
nach seinem jüngsten Bühnenerfolg von ihnen gefeiert,
schüttelt jedoch den Kopf. Das be
vergebens, was an der jungen Dame rätselhaft sein könnte.
und den Festzug bildet ein ganzes Rudel grotesker
einzige, was ihn retten, seine kläg
Bei jedem wilden Veranügen ist sie dabei, sie wechselt die
Charakterköpfe, wie sie der Dichter gleichfalls nicht zum
kraft ihm zurückgeben könnte,
Liebhaber wie die Strumpfe, und fühlt sie stolzere
erstenmal auf die Bühne bringt. Man wundert sich ein
Erschütterung, und wir gesteh
Wallungen, so werden sie von einem Hundertmarkschein
wenig, in dieser Gesellschaft auch ernsteren Männern zu
zitterten wir für das Leben
beschwichtigt. Sie ist, kurz gesagt, ein — Frauenzimmer,
begegnen, und das Erstaunen wächst, als der treffliche
Dichter Stieglitz fiel uns ein,
um das unfeinere, aber deutlichere Wort nicht auszu¬
Arzt Dr. Siebelius gar ein junges Mädchen, ein sehr
Biedermeierzeit dessen Frau sich
sprechen. So hat sie der Dichter gezeichnet, gut gezeichnet,
wohlerzogenes, Geheimratstochter oder dergleichen, in
hoffte, ein großer Schmerz würd
und es war höchst überflüssig, diese kleine Venus vulgi¬
diesen Kneiptumult einzüführen wagt. Fräulein Ruth
dichterischer Leistung anregen. S#
vaga hinterher mit der Romantik des Geheimnisvollen
v. Bargen ist ein Gegenwartskind, keines von der frechen
das erschreckliche Beispiel der
schmücken zu wollen.
Sorte allerdings, keines mit freien Manieren, selbstbewußt
nachahmen wollen? Zum Glück
Da hätten wir also wieder den Mann zwischen den
auftretend und die Sitte ohrfeigend. Sie gibt sich vielmehr
und wieder nichts. Die tiefe inn
zwei Frauen, in der alten Klemme zwischen dem guten
sehr scheu und schüchtern. Vorhin im Theater hat sie sich
auf andere Weise. Das Leben
und dem bösen Prinzip. Wofür wird er sich entscheiden?
auf Knall und Fall in den Dichterkomponisten verliebt,
Frau am Ende doch unerträglich
Nachdem Bruno eine Zeitlang in freier Liebe mit Ruth
als er, vom Publikum gerufen, vor dem Vorhang er¬
sie den Gatten kategorisch vor di
v. Bargen gelebt heiratet er sie. Er entschloß sich mit
schien, und alsbald suchte sie ihn auf, folgt ihm nun
jener anderen. Er aber will und
Widerstreben zu diesem philisterhaften Hammelsprung, tat
durchs ganze Zigeunerland, von Flasche zu Flasche, aus
bekennt seine Willensschwäche,
ihn auch nur unter ausdrücklicher Wahrung seines Mannes¬
dem Restaurant ins Nachtlokal, die Zisterne, den Rats¬
zu sein, ist ihm unmöglich. Aller
rechtes, frei umherlieben zu dürfen, wann und wo es
keller, immer still, immer scheues Reh, wort= und willen¬
er lieben, aber verlassen kann e#
ihm gefallen möge. Ruth gibt sich damit zufrieden. Sie
los in den Anblick des Einzigen versunken, und schon
ihm die Treue. So geht eben
ist die geborene Dulderin. Wenn er Käthe, Steffis kleine
ahnt man, daß sie ihm auch durchs Leben folgen wird,
Bruno ist erschüttert.
Tochter und angeblich sein Kind, ins Haus nehmen will,
seine Geliebte, Frau, Magd, Käthchen von
als
Doch schon im nächsten Akt,
findet sie nicht ein Wort des Widerspruchs. Wenn er,
Heilbronn, ahnt aber zugleich allerhand Unheil, wie es
kehrt sie zurück, denn die Liebe
gestachelt von dem wohlbekannten Heimweh nach dem
aus solchen Begegnungen zu entstehen pflegt und jetzt
Schmutze, das alte Verhältnis zu dem hübschen „Un= andere hat sich inzwischen empf
schon über dem fröhlichen Getue wetterleuchtet.
geziefer“ wieder einfädelt, trägt sie die Schmach in stummer zu heiraten, hat auch ihr K#
Denn da ist auch die Steffi Hochstraßer, eine frühere Ge¬
Geduld, und erst als er ihr zumutet, diese Steffi selbst inwirklicher Vater der Baron sein
liebte Brunos, von ihm selbst „Steffi das Ungeziefer“ ge¬
ihrem ehelichen Heim aufzunehmen, empört sich ihr Selbst¬ reinigt für ein neues Leben. Die
nannt, vom Dichter als unverschämt hübsch und pikant be¬
gefühl. Vergebens dringt er in sie, sie bleibt fest. Da Wunder gewirkt. Dem Kranken
zeichnet. Sie scheint aus irgend einer Wiener Vorstadt aus¬
gekommen zu sein. Wenigstens spricht sie das gröblichste macht er es wie ein hysterisches Weib und fällt in wird erst die Nachricht, die Rut