zum Herost 1848 zum Sieg zu verhelien, lostete es was es wolle. Und
Aus der Theaterwelt.
es lostete ihm den Kopf. Zehnmal hätte der Mann von Wien entflieben
lönnen — wie es ja fast allen seinen Genossen gelang. Aber er wollte
(Ist Baron Alfied Berger zum Burgtheaterdirektor geboren? — Ent¬
nictt; er wollte den „Radikalen“ auch in der Belagerungszeit erscheinen
hüllungen eines boshaften Wiener Historikers. — Ein Stadlbahnge präch
lassen. Bis man ihn eines Tags auf dem Wege zur Redaktion vor dem
mit dem Direktor des Burgtycaters. — „Das weite Land“
und das Publitum der Hofbuhne. — Ueber die Aufgaben des Konver¬
Restaurant „Tabakspfeife“ hopp nahm. Man weiß nicht einmal, wo er
sationsstückes im Burgtheater.— Die Erben Einn Hartmanns.—
begraben liegt. Denn als die Pbilharmoniker vor einigen Jahren
Station Braunschweiggasse.)
gelegentlich ihres fünfzigjährigen Jubiläums sein Grab bekränzen wollten
Dr. Becher und Dr. Schmidt, diese beiden Journalisten waren
Vor ungefähr zwei Wochen trafen wir im herbstlich stillen Prater
nämlich die Gründer der Pbilharmonischen Vereinigung — konnten sie
einen Wiener Privatgesehrten, der fernab vom Getriebe des Tages —
—
trotz eifriger Nachforschungen in den Archiven des Kriegsministeriums
er hat's nicht nötig, mitzutreiben — über die Männer, die da Geschichte
keinerlei Anhaltepunite zur Auffindung der Ruhestätte des armen
der Gegenwart machen, allerband gebeime Studien pflegt, über ihre
Mannes emdecken. Des „Taufpaten“ unseres Burgtheaterdirektors!
Herkunit, ihr Werden, ihre Dummhenen. Und es ist ganz merkwürdig:
Glauben Sie auch jetzt noch, daß Alfred v. Berger von Gebur:
Der Mann hat schon die unerhörtesten Dinge herausgebracht. Ent¬
aus zum Direktor eines Hoftheaters bestimmt war?“
deckungen, die am meisten gerade diejenigen überraschten, deren Leben
Wir mußten nun selbst lachen.
jene Eröffnungen betrafen. Da lachte er dann immer ganz teuflisch, der
sonst gutmütige Mann; denn die Geheimn sse, die er da offenbarte,
„Es war eben eine merkwürdige Zeit,“ meinten wir. „Glauben
waren nicht so leicht aus der Welt zu schaffen — alles war bistorisch
Sie denn, Dr. J. N. Berger habe damals auch nur im entferntesten
fundiert. So waren wir denn nicht wenig neugierig, als der interessante
geahnt, er werde siebzeyn Jahre später Minister sein?“
Mann bei jener Praterbegegnung plötzlich den Namen des gegenwärtigen
„Allerdings nicht,“ meinte unser historischer Trödler. „Es gab
Burgtheaterdirektors n nnte.
sogar Leute, die ihm, als er schon Minister war, seine Freundschaft mit
Becher nicht vergessen konnten. Mit Dr. Becher und mit anderen Ge¬
„Was wissen Sie von Baron Berger?“ fragten wir den
4310
Bücherwulm.
nossen, die eine Zeit lang ganz unberechtigterweise — das wurde gerichts¬
19 80
mäßig erwiesen — irgendwie mit der Ermordung des Grafen Latour in
„O, etwas höchst Pikantes —“
Verbindung gebracht wurden. Es war P. Wiesinger, der dem Minister
„Von dem er selbst teine Ahnung hat?“ wollten wir weiter wissen.
Dr. Berger in der „Kirchenzeitung" boshatterweise den Namen Latour
„Höchstwahrscheinlich weiß er es nicht!“ antwortete unser unheim¬
sozusagen unter die Nase rieb. Wissen Sie nun — wie witzig sich der
licher Genährsmann. Und wieder ließ er sein diabolisches Lachen hören.
Minister revanchierte? Damals regte die rätselhafte Ermordung eines
„Sie müssen nämlich wissen“ — fuhr der boshafte Gelehrte fort
Uhrmachers namens Melichar die Wiener Oeffentlichkeit mächtig auf.
„ich muß immer so lachen, wenn ich nur den Tiiel und den Namen
Da ließ nun Minister Dr. Berger in einer befreundeten Zeitung einen
lese: „Der Direitor des Hofburgtheaters Dr. Alfred Freiheir v. Berger.“
im ernstesten Tone gehaltenen Artikel erscheinen, in welchem die Spur
Wir machten Augen; wir verstanden unseren historischen Sonder¬
der Täterschaft auf — den Minister Dr. Berger gelenkt wird. Ganz
lng diesmal ganz und gar nicht!
Wien lachte... Doch, um zum Sohne, zum Burgtheaterdirektor zurück¬
„Was gibt es da zu lachen?“ fragten wir. „Man kann über das
zukehren, habe ich Ihnen aufschneiderisch etwas Pikantes versprochen?
gegenwärtige Burgtheater verschiedener Meinung sein. Aber wenn irgend
Glauben Sie, daß Baron Alfled Berger eine Ahnung hat, wem er
jemand durch Leben, Studien, Leidenschaft, Persönlichseit, Beziehungen
seinen Namen verdankt? Möchten Sie ihn einmal darüber fragen?“
für die Stellung eines Burgtheaterdneltors geradezu prädestiniert war,
4
Wir versprachens dem hiftorischen Sonderling: Aber, wie dem schon
von Geburt an¬
ist — als wir dieser Tage zufällig die Freude hatten, Herrn Baron
„Halt!“ unterbrach uns der Historiker. „Alles durften Sie von
Berger zu begegnen (es war in der Stadtbahn, Wientallinie, Richtung
Baron Ber#eis Bestimmung sagen, was Sie erwähnt haben, nur nicht:
Hietzing) lag uns das Burgtheater viel näher als jenes Gespräch im
„von Geburt an“.
herbstlichen Prater. Wir sprachen vom „Weiten Land“ und dem ganz
Nun waren wir erst recht begierig zu ersorschen, wo die Forschung
ungewöhnlich starien Interesse, dem dieses jüngste Werk Schnitzlers beim
des neuaierigen Mannes eingesetzt hat.
Wiener Publikum begegnet. Baron Berger wußte eine sehr hübsche Er¬
„Ich habe Beweise dafür, zu Hause, in meinem Schreibtische“ .
klärung dieser erfreulichen Erscheinung.
sagte unser Pratergenosse —“ daß Freiberr v. Berger von Geburt aus
„Das Wiener Publikum — so ungefähr meinte der Direktor —
zu allem eher ausersehen war, als zum Direktor eines Hostheaters.“
hat das Recht, vom Burgtheater die im höchsten Maße verfeinerte Pflege
„Und woher haben Sie diese Ihre Wissenschaft?“
des Konversationsstückes zu verlangen. Es entspricht dies einer ruhm¬
„Selbstverständlich vom Trödler“, antwortete der boshafte Mensch.
vollen Tradition der Hofbühne. Nun waren aber die Jahre, die seit dem
„Sie wissen ja: aus alten, zum Papierwert vom Tandier erworbenen
Naturalismus gekommen sind, gerade für jenen Typus von Stücken, in
Manuskripten und Schartecken habe ich meine schönsten Sachen heraus¬
denen das Burgtheater eines Lauve glänzte, sehr unfruchtbar. Der
gefunden. So habe ich vor einigen Jahren um einen Pappenstiel Bücher
Naturalismus dichtete hauptsächlich den vierten Stand, er
und Manuskripte eines Wiener Achtundvierzigers gekauft, der ein Freund
machte ihn bühnenfähig. Das Burgtheater braucht aber zum mindesten
Dr. Johann Nepomuk Bergers geweien ist, des Achtundvierzigers
den dritten Stand. Nun aber hat es sich getroffen, daß das
Redakteurs des „Radikalen“ und späteren Ministers. Mein Achtund¬
Burgtheater in Artur Schnitzler einen Dichter fand, der
viertiger war sogar ein intimer Freund des Vaiers unseres gegenwärtigen
geradezu sein Premierenpublikum dramati¬
Burgtheaterdirektors. Denn aus den Aufzeichnungen über die Gespräche,
sierte.“
de er mit Dr. Berger geführt hat, geht hervor, daß die beiden vor
„Glauben Sie, daß Schnitzler daran gedacht hat?“
einander kein Geheiwnis hatt.n. Unter den Papieren, die ich vom
„Nicht im entferntesten!“ fuhr Baion Berger fort. „Das ist
Trödler erstand, befand sich nun ein Tagebuch jenes gemütlichen Reoo¬
—
meine Empfindung, eine Blobachtung, die ich gemacht habe. Ich habe
lutionäts — er ist in behaglichster bürgerlicher Stellung genorben —
aber nicht erst aus diesem Anlasse, sondern schon im Winter des ver¬
bis weit in die süniziger Jahre geführt. Und da heißt es unterm
gangenen Jahres den Entschluß gefaßt, die halbklassischen Stücke, deren
1. Mai 1853:
Inszenirung ich vorhatte, ein wenig hinauszuschieben und zunächst das
„Heute erzählt mir Berger glückstrahlend, gestern sei ihm
Repertoire nach der modernen Richtung hin zu erweitern. Nicht nur
ein zweiter Sohn geboren worden. Er werde ihn zum An¬
des erhöbten Inteiesses wegen, das sich beim Publikum zeigt, sondrn
denien an seinen unvergeßlichen Freund und Genossen Becher auf
auch — und hauptsächlich — weil sich die Schauspieler am Konver¬
die Namen Alfred Maria Fulius taufen lassen.“
sationsstück am besten heranbilden. Denken Sie nur daran: Wie lange
„Nun, und was weiter?“ fragten wir.
hätte ein Direktor des Burgtheaters zu tun gehabt, etwa einen Schau¬
„Ja, wissen Sie denn nicht, wer Doltor Alfred Maria Julius
spieler wie Herin Korff. im klassischen Stück beim Publikum durch¬
Becher war?“ fuhr der Historiker fort.
7100
zusetzen!“
Wir begannen zu ahnen. Es siel uns ein, den Namen Doktor
Wir meinten nun, daß doch auch die Neu=Romantiker modernen
Bechers in Geschichten des Jahres achtundvierzig neben dem Doktor
Schauspielern interessante Aufgaben geboten hätten.
Jellineks gelesen zu haben — die beide im Revolutionsjahre kriegs¬
„Die Neu=Romantiker haben in Wien am allerwenigsten Boden
rechtlich erschossen worden sind.
„Jawohl, Altied Maria Julius Berger trägt die Namen eines
fassen können!“ sagte Freiherr v. Berger. Denken Sie an Stucken. Der
Revolunonärs aus dem Jahre 1848, der nach der Erstürmung Wiens
einzige Hardt mit „Tantris der Narr“, der bei uns sich einzubürgern
vermocht hat. Das Burgtheater braucht nun einmal, um interessant zu
im Stadtgraben vor dem Neutor mit Pulver und Blei ins Jenseits
sein und seine Schauspieler entwickeln zu können, das Konversationsstück.
bi überges hickt worden ist. Er war allerdings ein idealer R volutionär.
Ein Musiter und Misikkriti er von Beruf, der plötzlich in die
Deskalb wird es sich auch nie von der französischen Produltion los¬
trennen können, vom französischen Konversationsstück, das ein Fundament
Politik geraten war, die ihm so furchtbar schlecht betommen sollte.
des Laubeschen Reperloirs gebildet hat. Freilich, als nach dem großen
Er war Redaktionskollege Dr. J. N. Bergers beim „Radikal“
Kriege von 1870 mit einem Male eine ausschließlich germanische Kultur
ein Stürmer und Dlänger, der sichs in den
gewesen
Konf gesetzt hatte, H.ktor Berlios und der Konstitution bis #eschaffen werden sollte. da wollte Dingelstedt mit raschem Entschluß
Aus der Theaterwelt.
es lostete ihm den Kopf. Zehnmal hätte der Mann von Wien entflieben
lönnen — wie es ja fast allen seinen Genossen gelang. Aber er wollte
(Ist Baron Alfied Berger zum Burgtheaterdirektor geboren? — Ent¬
nictt; er wollte den „Radikalen“ auch in der Belagerungszeit erscheinen
hüllungen eines boshaften Wiener Historikers. — Ein Stadlbahnge präch
lassen. Bis man ihn eines Tags auf dem Wege zur Redaktion vor dem
mit dem Direktor des Burgtycaters. — „Das weite Land“
und das Publitum der Hofbuhne. — Ueber die Aufgaben des Konver¬
Restaurant „Tabakspfeife“ hopp nahm. Man weiß nicht einmal, wo er
sationsstückes im Burgtheater.— Die Erben Einn Hartmanns.—
begraben liegt. Denn als die Pbilharmoniker vor einigen Jahren
Station Braunschweiggasse.)
gelegentlich ihres fünfzigjährigen Jubiläums sein Grab bekränzen wollten
Dr. Becher und Dr. Schmidt, diese beiden Journalisten waren
Vor ungefähr zwei Wochen trafen wir im herbstlich stillen Prater
nämlich die Gründer der Pbilharmonischen Vereinigung — konnten sie
einen Wiener Privatgesehrten, der fernab vom Getriebe des Tages —
—
trotz eifriger Nachforschungen in den Archiven des Kriegsministeriums
er hat's nicht nötig, mitzutreiben — über die Männer, die da Geschichte
keinerlei Anhaltepunite zur Auffindung der Ruhestätte des armen
der Gegenwart machen, allerband gebeime Studien pflegt, über ihre
Mannes emdecken. Des „Taufpaten“ unseres Burgtheaterdirektors!
Herkunit, ihr Werden, ihre Dummhenen. Und es ist ganz merkwürdig:
Glauben Sie auch jetzt noch, daß Alfred v. Berger von Gebur:
Der Mann hat schon die unerhörtesten Dinge herausgebracht. Ent¬
aus zum Direktor eines Hoftheaters bestimmt war?“
deckungen, die am meisten gerade diejenigen überraschten, deren Leben
Wir mußten nun selbst lachen.
jene Eröffnungen betrafen. Da lachte er dann immer ganz teuflisch, der
sonst gutmütige Mann; denn die Geheimn sse, die er da offenbarte,
„Es war eben eine merkwürdige Zeit,“ meinten wir. „Glauben
waren nicht so leicht aus der Welt zu schaffen — alles war bistorisch
Sie denn, Dr. J. N. Berger habe damals auch nur im entferntesten
fundiert. So waren wir denn nicht wenig neugierig, als der interessante
geahnt, er werde siebzeyn Jahre später Minister sein?“
Mann bei jener Praterbegegnung plötzlich den Namen des gegenwärtigen
„Allerdings nicht,“ meinte unser historischer Trödler. „Es gab
Burgtheaterdirektors n nnte.
sogar Leute, die ihm, als er schon Minister war, seine Freundschaft mit
Becher nicht vergessen konnten. Mit Dr. Becher und mit anderen Ge¬
„Was wissen Sie von Baron Berger?“ fragten wir den
4310
Bücherwulm.
nossen, die eine Zeit lang ganz unberechtigterweise — das wurde gerichts¬
19 80
mäßig erwiesen — irgendwie mit der Ermordung des Grafen Latour in
„O, etwas höchst Pikantes —“
Verbindung gebracht wurden. Es war P. Wiesinger, der dem Minister
„Von dem er selbst teine Ahnung hat?“ wollten wir weiter wissen.
Dr. Berger in der „Kirchenzeitung" boshatterweise den Namen Latour
„Höchstwahrscheinlich weiß er es nicht!“ antwortete unser unheim¬
sozusagen unter die Nase rieb. Wissen Sie nun — wie witzig sich der
licher Genährsmann. Und wieder ließ er sein diabolisches Lachen hören.
Minister revanchierte? Damals regte die rätselhafte Ermordung eines
„Sie müssen nämlich wissen“ — fuhr der boshafte Gelehrte fort
Uhrmachers namens Melichar die Wiener Oeffentlichkeit mächtig auf.
„ich muß immer so lachen, wenn ich nur den Tiiel und den Namen
Da ließ nun Minister Dr. Berger in einer befreundeten Zeitung einen
lese: „Der Direitor des Hofburgtheaters Dr. Alfred Freiheir v. Berger.“
im ernstesten Tone gehaltenen Artikel erscheinen, in welchem die Spur
Wir machten Augen; wir verstanden unseren historischen Sonder¬
der Täterschaft auf — den Minister Dr. Berger gelenkt wird. Ganz
lng diesmal ganz und gar nicht!
Wien lachte... Doch, um zum Sohne, zum Burgtheaterdirektor zurück¬
„Was gibt es da zu lachen?“ fragten wir. „Man kann über das
zukehren, habe ich Ihnen aufschneiderisch etwas Pikantes versprochen?
gegenwärtige Burgtheater verschiedener Meinung sein. Aber wenn irgend
Glauben Sie, daß Baron Alfled Berger eine Ahnung hat, wem er
jemand durch Leben, Studien, Leidenschaft, Persönlichseit, Beziehungen
seinen Namen verdankt? Möchten Sie ihn einmal darüber fragen?“
für die Stellung eines Burgtheaterdneltors geradezu prädestiniert war,
4
Wir versprachens dem hiftorischen Sonderling: Aber, wie dem schon
von Geburt an¬
ist — als wir dieser Tage zufällig die Freude hatten, Herrn Baron
„Halt!“ unterbrach uns der Historiker. „Alles durften Sie von
Berger zu begegnen (es war in der Stadtbahn, Wientallinie, Richtung
Baron Ber#eis Bestimmung sagen, was Sie erwähnt haben, nur nicht:
Hietzing) lag uns das Burgtheater viel näher als jenes Gespräch im
„von Geburt an“.
herbstlichen Prater. Wir sprachen vom „Weiten Land“ und dem ganz
Nun waren wir erst recht begierig zu ersorschen, wo die Forschung
ungewöhnlich starien Interesse, dem dieses jüngste Werk Schnitzlers beim
des neuaierigen Mannes eingesetzt hat.
Wiener Publikum begegnet. Baron Berger wußte eine sehr hübsche Er¬
„Ich habe Beweise dafür, zu Hause, in meinem Schreibtische“ .
klärung dieser erfreulichen Erscheinung.
sagte unser Pratergenosse —“ daß Freiberr v. Berger von Geburt aus
„Das Wiener Publikum — so ungefähr meinte der Direktor —
zu allem eher ausersehen war, als zum Direktor eines Hostheaters.“
hat das Recht, vom Burgtheater die im höchsten Maße verfeinerte Pflege
„Und woher haben Sie diese Ihre Wissenschaft?“
des Konversationsstückes zu verlangen. Es entspricht dies einer ruhm¬
„Selbstverständlich vom Trödler“, antwortete der boshafte Mensch.
vollen Tradition der Hofbühne. Nun waren aber die Jahre, die seit dem
„Sie wissen ja: aus alten, zum Papierwert vom Tandier erworbenen
Naturalismus gekommen sind, gerade für jenen Typus von Stücken, in
Manuskripten und Schartecken habe ich meine schönsten Sachen heraus¬
denen das Burgtheater eines Lauve glänzte, sehr unfruchtbar. Der
gefunden. So habe ich vor einigen Jahren um einen Pappenstiel Bücher
Naturalismus dichtete hauptsächlich den vierten Stand, er
und Manuskripte eines Wiener Achtundvierzigers gekauft, der ein Freund
machte ihn bühnenfähig. Das Burgtheater braucht aber zum mindesten
Dr. Johann Nepomuk Bergers geweien ist, des Achtundvierzigers
den dritten Stand. Nun aber hat es sich getroffen, daß das
Redakteurs des „Radikalen“ und späteren Ministers. Mein Achtund¬
Burgtheater in Artur Schnitzler einen Dichter fand, der
viertiger war sogar ein intimer Freund des Vaiers unseres gegenwärtigen
geradezu sein Premierenpublikum dramati¬
Burgtheaterdirektors. Denn aus den Aufzeichnungen über die Gespräche,
sierte.“
de er mit Dr. Berger geführt hat, geht hervor, daß die beiden vor
„Glauben Sie, daß Schnitzler daran gedacht hat?“
einander kein Geheiwnis hatt.n. Unter den Papieren, die ich vom
„Nicht im entferntesten!“ fuhr Baion Berger fort. „Das ist
Trödler erstand, befand sich nun ein Tagebuch jenes gemütlichen Reoo¬
—
meine Empfindung, eine Blobachtung, die ich gemacht habe. Ich habe
lutionäts — er ist in behaglichster bürgerlicher Stellung genorben —
aber nicht erst aus diesem Anlasse, sondern schon im Winter des ver¬
bis weit in die süniziger Jahre geführt. Und da heißt es unterm
gangenen Jahres den Entschluß gefaßt, die halbklassischen Stücke, deren
1. Mai 1853:
Inszenirung ich vorhatte, ein wenig hinauszuschieben und zunächst das
„Heute erzählt mir Berger glückstrahlend, gestern sei ihm
Repertoire nach der modernen Richtung hin zu erweitern. Nicht nur
ein zweiter Sohn geboren worden. Er werde ihn zum An¬
des erhöbten Inteiesses wegen, das sich beim Publikum zeigt, sondrn
denien an seinen unvergeßlichen Freund und Genossen Becher auf
auch — und hauptsächlich — weil sich die Schauspieler am Konver¬
die Namen Alfred Maria Fulius taufen lassen.“
sationsstück am besten heranbilden. Denken Sie nur daran: Wie lange
„Nun, und was weiter?“ fragten wir.
hätte ein Direktor des Burgtheaters zu tun gehabt, etwa einen Schau¬
„Ja, wissen Sie denn nicht, wer Doltor Alfred Maria Julius
spieler wie Herin Korff. im klassischen Stück beim Publikum durch¬
Becher war?“ fuhr der Historiker fort.
7100
zusetzen!“
Wir begannen zu ahnen. Es siel uns ein, den Namen Doktor
Wir meinten nun, daß doch auch die Neu=Romantiker modernen
Bechers in Geschichten des Jahres achtundvierzig neben dem Doktor
Schauspielern interessante Aufgaben geboten hätten.
Jellineks gelesen zu haben — die beide im Revolutionsjahre kriegs¬
„Die Neu=Romantiker haben in Wien am allerwenigsten Boden
rechtlich erschossen worden sind.
„Jawohl, Altied Maria Julius Berger trägt die Namen eines
fassen können!“ sagte Freiherr v. Berger. Denken Sie an Stucken. Der
Revolunonärs aus dem Jahre 1848, der nach der Erstürmung Wiens
einzige Hardt mit „Tantris der Narr“, der bei uns sich einzubürgern
vermocht hat. Das Burgtheater braucht nun einmal, um interessant zu
im Stadtgraben vor dem Neutor mit Pulver und Blei ins Jenseits
sein und seine Schauspieler entwickeln zu können, das Konversationsstück.
bi überges hickt worden ist. Er war allerdings ein idealer R volutionär.
Ein Musiter und Misikkriti er von Beruf, der plötzlich in die
Deskalb wird es sich auch nie von der französischen Produltion los¬
trennen können, vom französischen Konversationsstück, das ein Fundament
Politik geraten war, die ihm so furchtbar schlecht betommen sollte.
des Laubeschen Reperloirs gebildet hat. Freilich, als nach dem großen
Er war Redaktionskollege Dr. J. N. Bergers beim „Radikal“
Kriege von 1870 mit einem Male eine ausschließlich germanische Kultur
ein Stürmer und Dlänger, der sichs in den
gewesen
Konf gesetzt hatte, H.ktor Berlios und der Konstitution bis #eschaffen werden sollte. da wollte Dingelstedt mit raschem Entschluß