II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 157

Tugend in den Selblimord getrieben habe. Diele Wendung
Art, verinnerlichte Konflikte und Probleme, die jedem
muß natürlich auf den durchleimittlichen Theaterbellcher
modernen Menlchen nahe gehen und mit denen hier ein
konsternierend wirken, wie eine Ungeheuerlichkeit: Ein
Dichter fertig zu werden verlucht.
Mann macht leiner Frau ihre Treue zum Vorwurf. Ein
Das Belte in dem Stück, das Markantelte, das einem
derart heikles und kompliziertes Problemn läßt lich auf der
bleibt, ist dieler Friedrich Hofreiter. Die Geltalt dieles
Bühne nicht löfen oder einem großen Publikum nur einiger¬
lcheinbaren Zynikers wirkt auf die Leute im Theater be¬
fremdend, unverltändlich, abltoßend. Es ilt wie bei einer maßen begreiflich machen. In der Novelle wäre es ganz
plaulibel: Ein Mannweill,
Photographie, die in
daß leine Frau ihn nicht
grellltem Sonnenlicht
liebt und einen anderen
aufgenommen wurde.
den lie dennoch
liebt,
Licht und Schatten lind
ruhig in den Tod gehen
übertrieben heil und
läßt. Vor dieler Rarren,
dunkel, ohne Uber¬
unnützen Tugend faßt den
gänge. Schnitzler hat
Überempfindlichen ein
den Hofreiter zu grell,
Grauen, das Rärker ist
zu scharf, zu aufrichtig
als alle Ehemannsgefühle.
gezeichnet, wenigltens
Das ist ungefähr der
für die Bühne, so daß
plychologilche Vorgang
lich die vielen Modelle
in dieler Szene, über die
drunten im Parkett nicht
man lich lo entletzt hat.
erkennen und entletzt
Im Verhältnis zu Ernd,
lind. Und dabei ist es
dem modernen Mädchen
eine lo prachtvolle, echte
mit der Aufrichtigkeit
und wahre Figur. Dieler
und Kourage des Herzens
Mann am Ende der
und der Sinne, benimmt
Vierzig, unabhängig,
lich Hofreiter gar zu
reich, gesellichaftlich be¬
Solneßmältig. Wieder
liebt und dennoch mit
führt die Jugend den
dem ganzen modernen
Alternden und Zaudern¬
Jammer einer kompli¬
den auf den Turm, der
zierten Innerlichkeit, der
hier eine schwierige
ewigen Selbltbelpiege¬
Dolomitenlpitze ist. Daß
lung behiftet. Ein ruhe-
lie lich ime Höhenrausche
loler Menich, der von
finden, iit eine Schnitz¬
nichts wirklich überzeugt
leriche Nuance, aber es
ist. Seine großen Fabriks-
wird nur nachher davon
unternehmungen, lein
erzählt, man lieht und
Tennislport, leine Affären
erlebt den Höhenrauich
mit Weibern, das alles ist
nicht mit. Trotzdem ge¬
nur eine Art Betäubung,
hört die verhaltene Lie¬
um zu vergellen, wie
bestzene zwilchen den
lehnell die Jugend und
zweien zu den ichönlten
das Leben vorübergehen.
des Stückes. Noch
Und eigentlich iit dieser
Rtärker ilt der Moment,
Friedrich Hofreiter gar
in dem der immer über¬
nicht lo befremdend,
legen und zynilch tuende
londern eine echte
Hofreiter lofort zum be¬
Schnitzlergestalt. Ein lee¬
leidigten Ehemann und
liicher Vetter des Herrn
Gentleman wird, als er
von Sala aus dem „Ein¬
die Untreue leiner Frau,
lamen Wege. Nur ein
um die er genan wullte,
mondänerer Herr von
von einem Dritten er¬
Sala, der zufällig ver¬
fährt. Und wundervoll
heiratet ilt und der den
Atelier d’Ora
im fünften Akt die Rück¬
2Baumeilter Solneße mit
Marietta Weber 7 Jolefllädter Theater, Wien
kehr Hofreiters vom
Nutzen gelelen hat. Das
Duell, lein Zulammen¬
zeigt lichn leinem Ver¬
treffen mit der Mutter des Getöteten, leine tiefe Er¬
hältnis zu den beiden Frauen des Stückes. Mit Genia lebt
lehetterung; wie er gleichlam auf der Szene jäh altert,
er leit 15 Jahren in einer Ehe, deren Vorgelchichte nicht
leine Flucht vor der Jugend, zu der er geltern selber noch
weiter erzählt wird. Er betrügt lie ganz selbltverltändlich
gehörte, in die Arme der neuen Jugend, die draußen im
und lie weill es, ignoriert es vornehm und revanchiert
Garten ruft: Vater!
lich nicht, denn dazu ilt lie lich lelblt zu gut. Und gerade
Im Theater, auf das große, immer lachbereite Publikunng,
diele Treue kann ihr Hofreiter nicht verzeihen. Er wirft
ihr vor, daß lie einen jungen Menichen durch ihre wirkt natürlich die Hotelhallßzene am Rärksten. Es lind
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