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24. DasgeiteLand
leubtig Jasenrta
GUAS 1014
Traurig=Lustiges über das Süßeste und Wichtigste des Da¬
Das weite Land.
seins, die Liebe, zu sagen hat — statt dessen wetteifert er
Tragikomödie in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
mit Blumenthal und schreibt einen neuen Akt zum „Weißen
Rößl“
(Lessing=Theater.)
Einer beschwindelt und betrügt unablässig seine Frau,
Dem übermäßig gedehnten Stück fehlt es keineswegs an
tut das letzte, ihr die Liebe zu ihm aus dem Herzen zu
starken dramatischen Wirkungen. Schnitzler weiß die großen
reißen, und als sie endlich, müde und rach= oder doch revanche= Szenen bis zum Rande mit elektrischer Spannung zu füllen;
lustig, dem bewußten jungen Fähnrich in die Arme sinkt, da Blitz und Donner der Kulisse gehorchen ihm. Leider plaudert
geht er hin und erschießt ihn. Jedes Drama, so heißt es, ist er sich nach jedem Gewitterschlage wieder fest, ohne zu ahnen,
gut, wenn man seine Handlung in einen einzigen Satz, in welche Ungeduld er damit weckt. Immer wieder sei es ihm
vier oder fünf Zeilen zusammenfassen kann. Schade nur, daß zugegeben, daß er ein geistreicher Plauderer ist und etwas
Schnitzler, alter Gewohnheit folgend, den Stoff zu sorgfältig zu sagen weiß — nur braucht er uns dies nicht Akt für Akt,
nach allen Seiten gewendet und beschaut hat. Schade, daß Szene für Szene durch feine Worte, glitzernde Aphorismen#
er sich immer allzusehr seiner vermeintlichen Pflicht bewußt und überraschende Knallbonbons umständlich darzutun.
gewesen ist, ein buntes Weltbild zu malen, Prismen funkeln
Seine starke Theatralik verliert alle Kraft im Geplausch.
zu lassen und erstaunlichen Reichtum zu zeigen, wo zwingende
Warum hat Brahm, der doch Bahrs Schwatzkomödien auf die
Einfachheit des Aufbaus am Platze gewesen wäre.
Hälfte ihres ursprünglichen Umfangs zusammen zu streichen
Es drängte ihn, die tragische Komödie einer Ehe, die und dadurch erst bühnenfähig zu machen pflegt, den gleichen?
an innerem Gegensatz der Gatten zugrunde geht, zur Tragi¬
Liebesdienst nicht auf Schnitzler erwiesen?
komödie der Liebe überhaupt zu erweitern. Neben die hübsch
Gespielt wurde wieder bewundernswert. Man müßte,
erfundene Figur des jedem Gelüst erliegenden sieghaften Lebe= um gerecht zu sein, mit einer Ausnahme den ganzen Theater¬
mannes tritt der unelegante, ehrbare u. bei den Frauen erfolg=zettel abschreiben. Monnard, der vierzigjährige Lebe¬
lose Junggesell; über die alles ernst nehmende Gattin des Da= jüngling, der den nicht eben überzeugend begründeten
mentöters triumphiert ein junges Ding von heut und morgen, tragischen Schluß ergreifend herausbrachte weniger aller¬
das nicht geheiratet, das nur in die Arme genommen werden dings die eigenartige Komik der Figur; Irene Trieschs
will. Zwei Welten! ruft Schnitzler bedeutsam. Unüber= allmählich erkaltende, doch noch immer heimlich liebende
brückbare Kluft, Lebensauffassungen, die durch Jahrhunderte und eigentlich in der Liebe irrende Frau; Marri
voneinander getrennt sind. Uebrigens erschöpfen diese Ge= als vom Frühling Ausgeschlossener, der dürstend
stalten Schnitzlers noch bei weitem nicht die Fülle seines Vor= den Glücklicheren trinken sieht; die köstlich dumm¬
rates. Er packt unablässig neues Material aus, wandelt das liche Frau Wahl von Ilka Grüning; Hilde
Thema immer breiter ab. Wir lernen einen lachenden] Herterichs modernes Mädel mit der unwahrscheiflichen
Philosophen kennen, der seinem Weibe allen Willen läßt und Neigung, sich das Geheiratetwerden zu verbitten, im übrigen
ihr keinen Liebhaber mißgönnt, eben weil er sie anbetet und aber dem Erwählten das Letzte willig zu gestatten. In einer
nicht von ihr loskommen kann. Es begegnet uns das große,
der zahlreichen, eigentlich völlig zwecklosen Episodenrollen
keine Schürze verschonende Kind, das zwar von tiefer,
war Forest ausgezeichnet, Froböse nicht minder als
herzinniger Liebe zur eigenen Frau Gemahlin flammt, aber
Bankier Natter. Und so fort. Jeder Akt fand dankbaren
eben deshalb dauernd Abwege wählt und treu nur in der
Beifall, der indes nie über ein recht anständiges Mittelmaß
Untreue sein kann. Aus Schnitzlers Sortiment hätte noch
hinausging.
r. u.
ganz g
t die doppelte Zahl interessanter Liebespatienten
vorgeführt werden können. Er spricht von der Seele und
ihrer Sehnsucht als von einem „weiten Lande“ — vielleicht
im selben Sinne, wie der alte Fontane seinen prächtigen
Briest die Wendung „das ist ein weites Feld“ prägen läßt.
Leider genügt dem Dichter die so erzielte Fülle der
Gesichte nicht. Er leistet sich, als Nebenthema und um die
Bezeichnung seines Werkes als Tragikomödie besser zu recht¬
fertigen, noch allerhand kleine Gesellschaftssatire: die Ver¬
höhnung der Tennisfexerei, niedliche Witzchen über Rucksack¬
touristen u. dgl. m. Gewiß ist das höchst fidel und reizt zum
Lachen, aber mit dem angeschnittenen Problem hat es wenig
zu tun. Der Theaterabend wird durch diese ausgiebigen,
sehr geschwätzigen Spasseteln über Gebühr verlängert, die
aufgeworfene Frage selbst jedoch in den Hintergrund ge¬
drängt. Wir wollen hören, was der Menschenkenner Schnitzler
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leubtig Jasenrta
GUAS 1014
Traurig=Lustiges über das Süßeste und Wichtigste des Da¬
Das weite Land.
seins, die Liebe, zu sagen hat — statt dessen wetteifert er
Tragikomödie in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
mit Blumenthal und schreibt einen neuen Akt zum „Weißen
Rößl“
(Lessing=Theater.)
Einer beschwindelt und betrügt unablässig seine Frau,
Dem übermäßig gedehnten Stück fehlt es keineswegs an
tut das letzte, ihr die Liebe zu ihm aus dem Herzen zu
starken dramatischen Wirkungen. Schnitzler weiß die großen
reißen, und als sie endlich, müde und rach= oder doch revanche= Szenen bis zum Rande mit elektrischer Spannung zu füllen;
lustig, dem bewußten jungen Fähnrich in die Arme sinkt, da Blitz und Donner der Kulisse gehorchen ihm. Leider plaudert
geht er hin und erschießt ihn. Jedes Drama, so heißt es, ist er sich nach jedem Gewitterschlage wieder fest, ohne zu ahnen,
gut, wenn man seine Handlung in einen einzigen Satz, in welche Ungeduld er damit weckt. Immer wieder sei es ihm
vier oder fünf Zeilen zusammenfassen kann. Schade nur, daß zugegeben, daß er ein geistreicher Plauderer ist und etwas
Schnitzler, alter Gewohnheit folgend, den Stoff zu sorgfältig zu sagen weiß — nur braucht er uns dies nicht Akt für Akt,
nach allen Seiten gewendet und beschaut hat. Schade, daß Szene für Szene durch feine Worte, glitzernde Aphorismen#
er sich immer allzusehr seiner vermeintlichen Pflicht bewußt und überraschende Knallbonbons umständlich darzutun.
gewesen ist, ein buntes Weltbild zu malen, Prismen funkeln
Seine starke Theatralik verliert alle Kraft im Geplausch.
zu lassen und erstaunlichen Reichtum zu zeigen, wo zwingende
Warum hat Brahm, der doch Bahrs Schwatzkomödien auf die
Einfachheit des Aufbaus am Platze gewesen wäre.
Hälfte ihres ursprünglichen Umfangs zusammen zu streichen
Es drängte ihn, die tragische Komödie einer Ehe, die und dadurch erst bühnenfähig zu machen pflegt, den gleichen?
an innerem Gegensatz der Gatten zugrunde geht, zur Tragi¬
Liebesdienst nicht auf Schnitzler erwiesen?
komödie der Liebe überhaupt zu erweitern. Neben die hübsch
Gespielt wurde wieder bewundernswert. Man müßte,
erfundene Figur des jedem Gelüst erliegenden sieghaften Lebe= um gerecht zu sein, mit einer Ausnahme den ganzen Theater¬
mannes tritt der unelegante, ehrbare u. bei den Frauen erfolg=zettel abschreiben. Monnard, der vierzigjährige Lebe¬
lose Junggesell; über die alles ernst nehmende Gattin des Da= jüngling, der den nicht eben überzeugend begründeten
mentöters triumphiert ein junges Ding von heut und morgen, tragischen Schluß ergreifend herausbrachte weniger aller¬
das nicht geheiratet, das nur in die Arme genommen werden dings die eigenartige Komik der Figur; Irene Trieschs
will. Zwei Welten! ruft Schnitzler bedeutsam. Unüber= allmählich erkaltende, doch noch immer heimlich liebende
brückbare Kluft, Lebensauffassungen, die durch Jahrhunderte und eigentlich in der Liebe irrende Frau; Marri
voneinander getrennt sind. Uebrigens erschöpfen diese Ge= als vom Frühling Ausgeschlossener, der dürstend
stalten Schnitzlers noch bei weitem nicht die Fülle seines Vor= den Glücklicheren trinken sieht; die köstlich dumm¬
rates. Er packt unablässig neues Material aus, wandelt das liche Frau Wahl von Ilka Grüning; Hilde
Thema immer breiter ab. Wir lernen einen lachenden] Herterichs modernes Mädel mit der unwahrscheiflichen
Philosophen kennen, der seinem Weibe allen Willen läßt und Neigung, sich das Geheiratetwerden zu verbitten, im übrigen
ihr keinen Liebhaber mißgönnt, eben weil er sie anbetet und aber dem Erwählten das Letzte willig zu gestatten. In einer
nicht von ihr loskommen kann. Es begegnet uns das große,
der zahlreichen, eigentlich völlig zwecklosen Episodenrollen
keine Schürze verschonende Kind, das zwar von tiefer,
war Forest ausgezeichnet, Froböse nicht minder als
herzinniger Liebe zur eigenen Frau Gemahlin flammt, aber
Bankier Natter. Und so fort. Jeder Akt fand dankbaren
eben deshalb dauernd Abwege wählt und treu nur in der
Beifall, der indes nie über ein recht anständiges Mittelmaß
Untreue sein kann. Aus Schnitzlers Sortiment hätte noch
hinausging.
r. u.
ganz g
t die doppelte Zahl interessanter Liebespatienten
vorgeführt werden können. Er spricht von der Seele und
ihrer Sehnsucht als von einem „weiten Lande“ — vielleicht
im selben Sinne, wie der alte Fontane seinen prächtigen
Briest die Wendung „das ist ein weites Feld“ prägen läßt.
Leider genügt dem Dichter die so erzielte Fülle der
Gesichte nicht. Er leistet sich, als Nebenthema und um die
Bezeichnung seines Werkes als Tragikomödie besser zu recht¬
fertigen, noch allerhand kleine Gesellschaftssatire: die Ver¬
höhnung der Tennisfexerei, niedliche Witzchen über Rucksack¬
touristen u. dgl. m. Gewiß ist das höchst fidel und reizt zum
Lachen, aber mit dem angeschnittenen Problem hat es wenig
zu tun. Der Theaterabend wird durch diese ausgiebigen,
sehr geschwätzigen Spasseteln über Gebühr verlängert, die
aufgeworfene Frage selbst jedoch in den Hintergrund ge¬
drängt. Wir wollen hören, was der Menschenkenner Schnitzler