II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 209

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24. Das veiteLand
Quellenangabe ohns Rawfhr.
Ssbiache Tagssreilung, Veran
Ausschnitt aus:
15.0KT1911
vom:
1
S
Traurig=Lustiges über das Süßeste und Wichtigste des Da¬
seins, die Liebe, zu sagen hat — statt dessen wetteifert er
Das weite Land.
mit Blumenthal und schreibt einen neuen Akt zum „Weißen
Tragikomödie in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
Rößl“
Dem übermäßig gedehnten Stück fehlt es keineswegs an
(Lessing=Theater.)
starken dramatischen Wirkungen. Schnitzler weiß die großen
Einer beschwindelt und betrügt unablässig seine Frau,
Szenen bis zum Rande mit elektrischer Spannung zu füllen:
tut das letzte, ihr die Liebe zu ihm aus dem Herzen zu
Blitz und Donner der Kulisse gehorchen ihm. Leider plaudert“
reißen, und als sie endlich, müde und rach= oder doch revanche¬
er sich nach jedem Gewitterschlage wieder fest, ohne zu ahnen,
lustig, dem bewußten jungen Fähnrich in die Arme sinkt, da
geht er hin und erschießt ihn. Jedes Drama, so heißt es, ist
gut, wenn man seine Handlung in einen einzigen Satz, in welche Ungeduld er damit weckt. Immer wieder sei es ihm
vier oder fünf Zeilen zusammenfassen kann. Schade nur, daß zugegeben, daß er ein geistreicher Plauderer ist und etwas
Schnitzler, alter Gewohnheit folgend, den Stoff zu sorgfältig zu sagen weiß — nur braucht er uns dies nicht Akt für Akt,
nach allen Seiten gewendet und beschaut hat. Schade, daß Szene für Szene durch feine Worte, glitzernde Aphorismen!
er sich immer allzusehr seiner vermeintlichen Pflicht bewußt und überraschende Knallbonbons umständlich darzutun.
gewesen ist, ein buntes Weltbild zu malen, Prismen funkeln Seine starke Theatralik verliert alle Kraft im Geplausch.
Warum hat Brahm, der doch Bahrs Schwatzkomödien auf die
zu lassen und erstaunlichen Reichtum zu zeigen, wo zwingende
Hälfte ihres ursprünglichen Umfangs zusammen zu streichen
Einfachheit des Aufbaus am Platze gewesen wäre.
Es drängte ihn, die tragische Komödie einer Ehe, die und dadurch erst bühnenfähig zu machen pflegt, den gleichen
Liebesdienst nicht auf Schnitzler erwiesen?
Gespielt wurde wieder bewundernswert. Man müßte,
an innerem Gegensatz der Gatten zugrunde geht, zur Tragi¬
um gerecht zu sein, mit einer Ausnahme den ganzen Theater¬
komödie der Liebe überhaupt zu erweitern. Neben die hübsch
zettel abschreiben. Monnard, der vierzigjährige Lebe¬
erfundene Figur des jedem Gelüst erliegenden sieghaften Lebe¬
jüngling, der den nicht eben überzeugend begründeten
mannes tritt der unelegante, ehrbare u. bei den Frauen erfolg¬
tragischen Schluß ergreifend herausbrachte, weniger aller¬
lose Junggesell; über die alles ernst nehmende Gattin des Da¬
dings die eigenartige Komik der Figur; Irene Trieschs
mentöters triumphiert ein junges Ding von heut und morgen,
allmählich erkaltende, doch noch immer heimlich liebende
das nicht geheiratet, das nur in die Arme genommen werden
Marr
will. Zwei Welten! ruft Schnitzler bedeutsam. Unüber¬
und eigentlich in der Liebe irrende Frau;
als vom Frühling Ausgeschlossener, der dürstend
brückbare Kluft, Lebensauffassungen, die durch Jahrhunderte
voneinander getrennt sind. Uebrigens erschöpfen diese Ge¬
den Glücklicheren trinken sieht; die köstlich dumm¬
stalten Schnitzlers noch bei weitem nicht die Fülle seines Vor¬
liche Frau Wahl von Ilka Grüning; Hilde
rates. Er packt unablässig neues Material aus, wandelt das
Herterichs modernes Mädel mit der urwahrscheinlichen
Thema immer breiter ab. Wir lernen einen lachenden
Neigung, sich das Geheiratetwerden zu verbitten, im übrigen
Philosophen kennen, der seinem Weibe allen Willen läßt und
aber dem Erwählten das Letzte willig zu gestatten. In einer
ihr keinen Liebhaber mißgönnt, eben weil er sie anbetet und
der zahlreichen, eigentlich völlig zwecklosen Episodenrollen
nicht von ihr loskommen kann. Es begegnet uns das große,
keine Schürze verschonende Kind, das zwar von tiefer, war Forest ausgezeichnet, Froböse nicht minder als
herzinniger Liebe zur eigenen Frau Gemahlin flammt, aber Bankier Natter. Und so fort. Jeder Akt fand dankbaren
eben deshalb dauernd Abwege wählt und treu nur in der Beifall, der indes nie über ein recht anständiges Mittelmaß
r. u.
hinausging.
Untreue sein kann. Aus Schnitzlers Sortiment hätte noch
ganz gut die doppelte Zahl interessanter Liebespatienten
S
vorgeführt werden können. Er spricht von der Seele und
ihrer Sehnsucht als von einem „weiten Lande“ — vielleicht
im selben Sinne, wie der alte Fontane seinen prächtigen
Briest die Wendung „das ist ein weites Feld“ prägen läßt.
Leider genügt dem Dichter die so erzielte Fülle der
Gesichte nicht. Er leistet sich, als Nebenthema und um die
Bezeichnung seines Werkes als Tragikomödie besser zu recht¬
fertigen, noch allerhand kleine Gesellschaftssatire: die Ver¬
höhnung der Tennisfexerei, niedliche Witzchen über Rucksack¬
touristen u. dgl. m. Gewiß ist das höchst fidel und reizt zum
Lachen, aber mit dem angeschnittenen Problem hat es wenig
zu tun. Der Theaterabend wird durch diese ausgiebigen,
sehr geschwätzigen Spasseteln über Gebühr verlängert, die
aufgeworfene Frage selbst jedoch in den Hintergrund ge¬
drängt, Wir wollen hören, was der Menschenkenner Schnitzler
B