II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 233

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24. Das H.iteLand
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Konvention, von der er sich lossagt, aus großer Liebe zu
seiner Frau, die plötzlich mit Macht durchbricht, aus Eitelkeit,
Arthur Schnitzlers neues Werk.
Man schreibt uns aus Berlin: „Die Seele ist einum nicht „der Dumme“ zu sein, aus einer Laune, die das
Raubtier=Element des Ewig=Männlichen erweckt? Von
weites Land.“ Unter diesem Motto vereinigt Schnitzler
allem diesem wird etwas angedeutet und eben dieses s###¬
in seinem neuen Drama, der fünfaktigen Tragikomödie
lernde Zwiespältige haftet überhaupt dem Charakter und
„Das weite Land“, die am Sonnabend ihre Erstauf¬
dem Stil des ganzen Diamas an.
führung im Lessingtheater erlebte, die Lebenswege
Schnitzler nennt sein Stück „Tragikomödie“ und rückt
und Seelenschicksale einer ganzen Reihe von Menschen. Ein
Ausschnitt aus der modernen österreichischen Gesellschaft dadurch die Gestalten in eine ungewiß spielerische Beleuch¬
spiegelt sich in einem bunten Kranz von psychologischenstung. Die Frauen, die Gattin Hofreiters, das junge
Auseinandersetzungen und anmutigen Plaudereien. Diese Mädchen, das er verführt, die Mutter des im Duell ge¬
töteten Liebhabers, sie stehen alle im Schatten und dienen
Kunst der feinen, innerlich belebten Dialogführung, ge¬
nur dazu, das Wesen der Männer in einem gebrochenen
tragen von einer resignierten, tiefsinnig plaudernden Le¬
Lichte wiederzuspiegeln. So tragen Form wie Inhalt dieses
bensweisheit, muß nun hinweghelfen über die mancher¬
lei Schwächen und Rätsel in Handlung und Charakterzeich=!Werkes etwas unsicher Schwankendes an sich und lassen
nung des neuen Werkes. So viel man auch noch von dem nur leise jene Schnitzler eigentümliche Stimmung an¬
Feminismus Schnitzlers und seinem Kult des „süßen Mä= klingen, die aus Ironie und Wehmut gemischt ist, die
dels“ reden mag, so ist doch längst das eigentliche Problemsäußerlich kalt berechnet und innerlich so leidenschaftlich
heiß ist.
seines Schaffens der Mann gewor n. Diesmal hat er
sich nun noch tiefer in das Wesen der stärkeren Geschlechtes
Die Aufführung war sehr gut, die Aufnahme aber
hineinfühlen wollen; es war sein Ziel, bis zu jenem Un¬
ziemlich kühl, da das Publikum keine Klarheit über das
ergründlichen, triebhaft Dämonischen der männlichen Psyche
Wesen des Helden gewinnen konnte. An dieser Unzuläng¬
vorzudringen, wo die Urkräfte primitiver Leidenschaft noch
lichkeit in der Zeichnung der Hauptrolle scheiterte auch ihr
ungebrochen walten.
Darsteller, Heinz Monnard, der mit Irene Trisch zusammen
die stärkste schauspielerische Leistung des Abends bot.
„Du verstehst mich nicht“ ruft der Held, Friedrich Hof¬
reiter, im Schlußakt seiner Frau zu, „in mich sieht keiner,
hinein, keiner!“ Er hat sie betrogen, seit Jahren, diese
gute und kluge Frau, die ihn liebt und darum einen Ver¬
ehrer in den Tod gehen läßt; nun steht für ihn der Tote
zwischen ihnen; er begreift nicht, warum seine Frau ihm
treu blieb und jener sterben mußte. Weiter stürmt er auf
seiner Bahn, verführt ein frühreif unreises Mädel, das
sein bester Freund sich zur Gattin ersehnt. Als aber seine
Frau nun die ihr so oft freigestellte „Revanche“ nimmt
und einen jungen Fähnrich mit ihrer Liebe beglückt, er¬
trägt er es doch nicht, sondern schießt den Liebhaber über
den Haufen. Warum? Aus einem Rückfall in die alte!