II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 235

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24. Das veite-Land
o schürzt den Schick=1 strieren sich exempelhaft. Man täuscht sich nicht, daß dies
des Veispiels, der Produzierung nachdenklicher Lebenssachen
irgshotel ein leiden¬
wegen geschieht, daß die handelnden Personen als typische
jährigen, und Genia
Repräsentanten erscheinen und nicht, was dichterisch wert¬
ne=Fähnrich.
voller, aus dem Selbstzweck heraus, höchst persönliches Er¬
sen beiden Parallel¬
lebnis zu vermitteln.
und überläßt moti¬
So wendet sich zunächst hier alles an den Kopf, nicht
rem Einfühlen. Wir
zuletzt auch der kluge, einfallfunkelnde Dialog, den die Um¬
Genia liegt es so,
welt=Staffage zur Illuminierung des Bühnenbildes aufführt,
hmer nur den glatten
besonders beweglich in dem flüssigen dritten Akt auf dem
durch diesen Selbst¬
dankbaren Situations=Schauplatz einer mondänen Alpenhotel¬
gefühlsverwirrt ge¬
Hall. Auf dem Umweg über den Kopf, gedanklich übertragen,
Vorstellungen ihrer
trifft diese Spiegelung dann aber auch unser Gefühl, unseres
och vorhandenen neu
die Stendhal lieben und den Fürsten Pinkler und die
Beute einer Stunde,
Liaisons dangereuses die mit Anatol jung waren und mit
de ist gar nicht die
Herrn von Sala wissend lächelnd an der Lebenswende vor¬
mmte Sehnsucht nach
und rückwärts blickten, die es nicht lassen können, an den
die früher nie an
Küsten zu stehen, zu schauen, wie alles gleitet und vorüber¬
mmt. Heikler liegt
rinnt und die sich trotzdem immer wieder von neuer Welle
ebenshungrige natur¬
zu bunten Trugbildern tragen lassen. Für andere aber
sich ihm
Langels
hat Schnitzler nie geschrieben.
öhenrausch der Dolo¬
Man hätte dem Werk Bassermanns faszinierende Phy¬
erklärt zu werden.
Monnards Hofreiter war zu
siognomie gewünscht.
dem Fluidum und
trocken, zu voluminos, die Angeln seines Wesens kuarrten.
Favoris für junge
Ueberzeugend schien die Genia der Triesch und die Hal¬
F
Einrichtung. Nach¬
tung, die Stieler dem Fähnrich gab.
d, der von Schnitzler
ng ausgeliefert wird.
ftlich begehrten Nacht
Fiterscheinungen über¬
Glück auszukosten.
fück, entdeckt das Ver¬
ich im Duell. Und
ffallen. Diese Rache
ag gewiß im Spiel
as sagen Hofreiters
nüberstehen Auge in
Haß des Alternden,
laus dem frischen un¬
Gequers herausfor¬
Besiegte bleibt er
ksammen. Er wehrt
zwanzig, Du gehörst
Und man kann
)einmal sagt: „Ich
weiter Entfernung
her verhallend: „Ich
thur Schnitzler auch
geht uns im tiefsten
nicht geringer, wenn
s geschieht, mehr er¬
ematisch den Stoff
Miterlebens schafft.
d’amour unser Ge¬
Erkenmtnisse demon¬
Kölnische Zeitun
17 10. 1910
e
Theater und Musik.
Das weite Land von Arthur Schnitzler.
2 Berlin. Eine fünfaktige Tragödie von Arthur Schnitzler: Das
weite Land ist am Samstag in einer ganzen Reihe von Theatern, darunter
auch im Berliner Lessingtheater aufgeführt worden. Das weite
Land bedeutet die menschliche Seele, die auch vom stärksten Gefühl nie so
vollständig ausgefüllt wird, daß nicht Raum bliebe für gefährliche Neben¬
gefühlchen. Der Vergleich ist nicht sehr plastisch; zutreffender wäre der
Titel: Der weite Magen — mit der Nutzanwendung, daß das unvorsichtige!
Knabbern von Süßigkeiten außerhalb der Hauptmahlzeiten Indigestionen
zur Folge hat. Mit „weitem Land“ verbindet man unwillkürlich den Be¬
griff des frei dahinstürmenden Windes; in Schnitzlers Stück aber weht
muffige Boudoirluft und süßlich faules Parfüm, untermischt mit dem Ge¬
##ruch beizend scharfer Desinfektionsmittel. Daß der Dialog die Handlung
überwuchert, drängt sich um so eher als Fehler auf, als uns die Personen
mit ihrem marklosen Sybaritentum und seichten Lebensweisheit bald herz¬
lich gleichgültig sind und selbst die tragische Schießerei am Schluß nicht mehr
zu lebendiger Teilnahme aufrüttelt. Dazu ist die Hauptperson mit einer ge¬
zierten, müden Spitzfindigkeit so überfein gezeichnet, daß ihr Innenleben uns #
trotz gelegentlicher taktloser Offenherzigkeiten bis zum Ende ein Rätsel bleibt.
Friedrich Hofreiter, ein Wiener Industrieller, tragt — allmählich dämmert
uns das auf — im tiefen Herzen eine sublime Liebe zu seiner Frau, und
seine Frau liebt ihn. Aber die Ehe ist kalt und unbefriedigend. Hofreiter
liebelt mit einer lockern Bankiersfrau, dann mit einem jungen Mädchen,
das zuerst modern starkgeistig auftritt und sich später als lüsternes Gäns¬
chen entpuppt. Er gibt sich keine Mühe, seine Untreue zu verbergen, er
stellt sich sogar, als wenn er auch seiner Frau eine vergnügliche Abschwei¬
fung von der langweiligen Chaussee der Pflicht keineswegs verübeln würde.
So bedauert er wortreich einen Künstler, der sich aus unerwiderter Liebe
zu seiner, Hofreiters, Frau erschossen hat, und macht ihr kaum verhüllte
Vorwürse, daß sie ein hoffnungsreiches junges Leben durch ihre Unbarm¬
herzigkeit geknickt habe. Erst später ahnen wir, daß Hofreiter unter dem
Gewand des frivolen Skeptikers sich mit schmerzendem Dolch zersetzt,
daß jener Künstler infolge eines amerikanischen Duells mit Hofreiter Hand,
an sich gelegt hat. Vergeblich schmachtet seine Frau, die nur aus Liebe zu
ihrem Gatten den verführerischen Anbeter zurückgewiesen hat, nach einem
herzlichen Wort; aufs tiefste gekränkt und entmutigt rächt sie sich, indem
sie dem Beispiel der andern folgt und sich einem blutjungen Marinefähnrich
in die Arme wirft. Hofreiter beobachtet, wie der Fähnrich nächtlicherweile
aus dem Fenster des Schlafzimmers seiner Frau steigt. Einem Freund
gegenüber spöttelt er über die Hörner, die ihm aufgesetzt worden sind, bricht
dann aber mit dem Fähnrich einen Streit vom Zaun, der zum Duell führen
muß, nicht etwa, weil er die beleidigte Gattenehre reinwaschen will — viel
Ehrgefühl steckt nicht in den schlaffen Seelen — sondern aus wildem Grimm
gegen den begünstigten Nebenbuhler. Im Zweikampf schießt Hofreiter den
Gegner nieder. Seine Frau sagt sich von ihm los wegen seiner erbar¬
mungslosen Brutalität, der Tod des Jünglings, der doch nur ein Lücken¬
büßer war, geht ihr nicht sehr zu Herzen; Hofreiter selbst weist das schon
erwähnte Mädchen, das ihm überall hin folgen will, schroff zurück, und
der Vorhang fällt, während draußen die jauchzende Stimme des eben
aus der Pension zurückkehrenden Sohnes des unglücklichen Ehepaars er¬
klingt. Dem Falle Hofreiter sind ähnliche Fälle gegenübergestellt. Als
einziger aufrechter, gesunder Mensch, der von „Herzensschlampereien“.
nichts wissen will, bleibt nur ein leider recht lederner Arzt übrig. Das
Stück, das in Baden bei Wien, während eines Aktes in einem Dolomiten¬
hotel spielt, bringt dann noch eine Reihe unterhaltender Typen: einen un¬
säglich faden Lawn=Tennis=Gecken, einen Nachtcafé=Dichter, einen schön¬
geistig wissenschaftlerischen Zierbengel, eine einfältig plappermäulige alte
Dame der Gesellschaft, einige komische Touristen. Am Schluß hat der Zu¬
schauer das Gefühl: Wozu alle die endlosen Redereien, wozu das Pistolen¬
19? Was gehen mich die Mollusken an, die da ihre weichen, schlei¬
#r durcheinander flechten? Für solche Milieuschilderungen und
der Roman da, auf der Bühne zerfließen sie zu Brei.
12 Heinz Monnard gab die schwierige, wider¬
Hofreiter; als Frau Hofreiter vermied Irene
zern, ihrem Talent ebenbürtigen Aufgaben
intes Wesen. Emanuel Reicher spielte den
Don Juan. Dem Beifall, den das Publikum
erzeugung; er galt mehr andern, bessern
Darstellern.