24. Das weiteLand
Zeitung: Der Tag
7.Okt 1911
Arthur Schnitzler: „Das weite Land“.
Erstaufführung im Lessing=Theater.
( Oder der bestrafte Selbstling. ... In der Mitte stehl
ein Glühlichtfabrikant. Jeder Mensch dient ihm
zu etwas. Und was ist er den Menschen? Sie fliegen
auf ihn. Er entzückt sie, — doch er hinterläßt sie,
wenn er von ihnen bekam, was er gewollt hat, in
Schmerzen.
Der Mann ließe sich verteidigen. Er hat ihnen
doch, nämlich vorher, das größte Glück ihres Daseins
gebracht. Hat er sie nicht einmal emporgetragen,
wohin sie niemals gelangt wären ohne seine Gier?
Ist seine Selbstgier nicht ihre Seligkeit geworden?
Nun also. Verdanken sie ihm nicht ein wunderbares
Unterbrechen ihrer Bürgerlichkeit? ... Soll ihr Leben
zu Ende sein, eines frühen Glockenschlags, ohne daß
der Südwirbel, ohne daß ein schmerzend=schöner
Fliegen darinnen war und alle Wonnen des Blutens?
Und er? Soll ihm die Zeit seines Hierseins, dieser
einmalige Fall, vergehn mit Darben, Selbstbelügen,
Ducken — und dem Trost erfüllter Vereinsvorschriften?
Der Mann ließe sich verteidigen....
II.
Doch er dürfte nicht etliche Züge wie von Spiel¬
hagen; er dürste nichts von einem (wenn auch ent¬
box 28/4
langen —, denn jene waßten Warcn¬
fernt) verfluchten Kerl; er dürfte nichts von einem
Hahn auf dem irdischen Hennenhof ... noch von
einem Schwerenotsbold etwas haben, der immer kann
wie er will; der beim Duell wie ein Gott beschließt:
Tja, weil er jung und frech ausschaut, werd' ich ihn
doch töten! und ihn auch wirklich dann trifft, bis er
tot ist... Also das geht nicht. Ein Hauch zuviel.
Taktangelegenheit. Ein großartiger Tennisspieler ist
er auch noch. In dieser Art. Eine Taktangelegenheit.
Aber ich muß umreißen, was vorgeht. Jemand
(nämlich dieser Fabrikant), der seine Frau stets be¬
trügt, macht ihr fast Vorwürfe, daß sie einen Pianisten
sich selbstmorden ließ, weil er sie nichterhört geliebt hat.
(Beiläufig: Zivilisierung der Menschennatur; ist sie
beim Schnitzler schon sehr vorgerückt, wenn er in
diesem Fünfakter einen Pistolenschuß am Beginn,
einen Pistolenschuß am Ende zu brauchen scheint?
ist es nicht ziviler zu machen? Würde der Fall nicht
an leichter Nebenkomik etwas loswerden?)
Wollte sagen: ein Mann verargt es seiner Frau
beinah, daß sie sich nicht gerächt hat; sobald sie es aber
getan hat, schießt er den hierfür Erkorenen, einen
Marinefähnrich ... Nein.
Er schießt ihn auch dann keineswegs und gewiß
nicht aus diesem Grunde tot. Er hat nicht das tiefe
Bedürfnis, den Mann zu morden, der seine Frau ver¬
boten umarmt hat. Es ist ihm wurst (in diesem Alter
ergrauenden Haares, nach vielen eigenen Erlebtheiten,
und bei seinem zerpflückenden Verstande).
Grollt er dem Marinefähnrich
er will einen andren fordern,
über einen toten Musikus und
verbreitet hat. Als der ablehnt
darum, bestimmt er den Seesol
.. wie
Zweckmäßigkeit. Er
Fall? .. . er spielt mit den
Leben, mit ihrem Tode, dieser
sich nicht helfen.
Oder: Der bestrafte Selbstling
III.
Ein andrer, ein geschiedene
in Tirol, hat die ganze Gegend
Er kennt seinen amtlichen Sohn
wird er trotzdem ... nicht nur
geliebt haben; sondern immer
sie allein, allein geliebt haben.
Das taucht zwischendurch emp
Das ganze Stück scheint nicht v
verfaßt. Die Mannsbilder sind
doch gut). Während leider
Damenschaft nicht vieles Abfä
der Unruhe, die sie (neben alle
ihnen ist) in die Welt bringen;
Grasenden, das sie etwas mehr
Ton. Sie geben hier die
Liebenden.
Namentlich Genia, Gattin de
das komisch, wenn für die
Zeitung: Der Tag
7.Okt 1911
Arthur Schnitzler: „Das weite Land“.
Erstaufführung im Lessing=Theater.
( Oder der bestrafte Selbstling. ... In der Mitte stehl
ein Glühlichtfabrikant. Jeder Mensch dient ihm
zu etwas. Und was ist er den Menschen? Sie fliegen
auf ihn. Er entzückt sie, — doch er hinterläßt sie,
wenn er von ihnen bekam, was er gewollt hat, in
Schmerzen.
Der Mann ließe sich verteidigen. Er hat ihnen
doch, nämlich vorher, das größte Glück ihres Daseins
gebracht. Hat er sie nicht einmal emporgetragen,
wohin sie niemals gelangt wären ohne seine Gier?
Ist seine Selbstgier nicht ihre Seligkeit geworden?
Nun also. Verdanken sie ihm nicht ein wunderbares
Unterbrechen ihrer Bürgerlichkeit? ... Soll ihr Leben
zu Ende sein, eines frühen Glockenschlags, ohne daß
der Südwirbel, ohne daß ein schmerzend=schöner
Fliegen darinnen war und alle Wonnen des Blutens?
Und er? Soll ihm die Zeit seines Hierseins, dieser
einmalige Fall, vergehn mit Darben, Selbstbelügen,
Ducken — und dem Trost erfüllter Vereinsvorschriften?
Der Mann ließe sich verteidigen....
II.
Doch er dürfte nicht etliche Züge wie von Spiel¬
hagen; er dürste nichts von einem (wenn auch ent¬
box 28/4
langen —, denn jene waßten Warcn¬
fernt) verfluchten Kerl; er dürfte nichts von einem
Hahn auf dem irdischen Hennenhof ... noch von
einem Schwerenotsbold etwas haben, der immer kann
wie er will; der beim Duell wie ein Gott beschließt:
Tja, weil er jung und frech ausschaut, werd' ich ihn
doch töten! und ihn auch wirklich dann trifft, bis er
tot ist... Also das geht nicht. Ein Hauch zuviel.
Taktangelegenheit. Ein großartiger Tennisspieler ist
er auch noch. In dieser Art. Eine Taktangelegenheit.
Aber ich muß umreißen, was vorgeht. Jemand
(nämlich dieser Fabrikant), der seine Frau stets be¬
trügt, macht ihr fast Vorwürfe, daß sie einen Pianisten
sich selbstmorden ließ, weil er sie nichterhört geliebt hat.
(Beiläufig: Zivilisierung der Menschennatur; ist sie
beim Schnitzler schon sehr vorgerückt, wenn er in
diesem Fünfakter einen Pistolenschuß am Beginn,
einen Pistolenschuß am Ende zu brauchen scheint?
ist es nicht ziviler zu machen? Würde der Fall nicht
an leichter Nebenkomik etwas loswerden?)
Wollte sagen: ein Mann verargt es seiner Frau
beinah, daß sie sich nicht gerächt hat; sobald sie es aber
getan hat, schießt er den hierfür Erkorenen, einen
Marinefähnrich ... Nein.
Er schießt ihn auch dann keineswegs und gewiß
nicht aus diesem Grunde tot. Er hat nicht das tiefe
Bedürfnis, den Mann zu morden, der seine Frau ver¬
boten umarmt hat. Es ist ihm wurst (in diesem Alter
ergrauenden Haares, nach vielen eigenen Erlebtheiten,
und bei seinem zerpflückenden Verstande).
Grollt er dem Marinefähnrich
er will einen andren fordern,
über einen toten Musikus und
verbreitet hat. Als der ablehnt
darum, bestimmt er den Seesol
.. wie
Zweckmäßigkeit. Er
Fall? .. . er spielt mit den
Leben, mit ihrem Tode, dieser
sich nicht helfen.
Oder: Der bestrafte Selbstling
III.
Ein andrer, ein geschiedene
in Tirol, hat die ganze Gegend
Er kennt seinen amtlichen Sohn
wird er trotzdem ... nicht nur
geliebt haben; sondern immer
sie allein, allein geliebt haben.
Das taucht zwischendurch emp
Das ganze Stück scheint nicht v
verfaßt. Die Mannsbilder sind
doch gut). Während leider
Damenschaft nicht vieles Abfä
der Unruhe, die sie (neben alle
ihnen ist) in die Welt bringen;
Grasenden, das sie etwas mehr
Ton. Sie geben hier die
Liebenden.
Namentlich Genia, Gattin de
das komisch, wenn für die