box 28/4
24. Das weite Land
den Fabrikanten Friedrich Hofreiter, gruppieren sich leicht skizzierte
Typen aus der Wiener Welt. Vielerlei Fäden gehen hinüber und
herüber. Man hört von einem Freunde, der der vornehmen, still¬
resignierten Frau Genia den Hof machte und sich dann eines Tages
erschoß. In der Art, wie Friedrich seine Gattin über das Geheimnis
dieses Todes ausforscht, blitzt eifersüchtiger Argwohn auf. Sie zeigt
ihm den letzten Brief des Freundes — ein Geständnis, daß er
um ihretwillen, da seine Liebe nicht Erwiderung fand,
sich töten wolle. Beruhigt fällt Friedrich auf der Stelle
wieder in seinen spöttischen, frivolen Ton zurück. Es sei doch schade
um den guten Burschen, dem eine solche Kleinigkeit das Leben
kostete. Warum tat sie ihm denn nicht den Gefallen und nehme
Dinge, die es nicht wert sind, stets so schwer? Weshalb muß sie so
anders sein wie er? Das drückte ihn. Er möchte reisen, um wieder:
in das richtige Gleichgewicht zu kommen.
Der dritte Akt, von drolligen Touristenepisoden eingerahmt,
spielt in einem Alpenhotel. Ein kokettes, romantisch abenteuerlustiges
Fräulein, Friedrichs Weggefährtin auf einer waghalsigen Kletter¬
„
tour, hat ihn in hellen Brand gesetzt. Ein Rausch verzebrend wilder
Leidenschaft steigt plötzlich in ihm auf, der bequeme Cyniker stammelt
verzückte Schwüre. Ein ehrenwerter Bräutigam erwartet sie, er selber
ist gebunden. Was tuts? Wenn sie sich ihm ergibt, will er sein
Weib verlassen. Ein Komödiant, der in dem Augenblick der Rede
selbst felsenfest an jedes seiner Worte glaubt. Wer kennt sich in
dem weiten Land der Seeien aus, wie weiß einer, der sich haltlos;
treiben läßt. Ziel und Richtung seines Handelns?
Frau Genia, die immerfort Zurückgewiesene, die keine Pflicht?
mehr an den Gatten bindet, findet für ihr Leid Vergessen
in der Liebe eines jungen Offiziers. Weshalb sollte ste dies
Treue einem Manne bewahren, der nichts als lästige Gewohnheit
darin zu sehen scheint. In der Nacht, als Friedrich, das Herz noch
voll von seiner neuen Leidenschaft beimkehrt, sieht er den Mann ins
ihrem Zimmer. Er hat den besten Scheidungsgrund. Doch nun,
da das, womit er in Gedanken schon lange spielte, Wirklichkeit ge¬
worden, faßt ihn hämisch bösartiger Geoll: Der rachsüchtige Instinkte
des in seinem Herrenrecht gekränkten Männchens. Und der momentane
Impuls, der ihm nach seiner ganzen Denkart als lächerlich grotesker¬
Atavismus gelten müßte, reißt ihn wie früher die Begierde, das
Mädchen zu besitzen, besinnungslos mit fort. Er zwingt den Lentnant#
durch eine ehrenrührige, vom Zann gebrochene Beleidigung zume
Zweikampf. — Die Gattin und die Geliebte, versöhnt in der Ge¬
fahr, harren zitternd auf den Ausgang des Duells. Blaß, m.it zerz
Vorwärts, Berlin
wühlten Mienen tritt Hofreiter ins Zimmer. Seine Kugel traf det
Feind ins Herz. Nicht durch einen unglückseligen Zufall. Kalten#
Sinnes hat er gezielt. Ihn würgt der Abschen vor der Tat, in der##
M7 10 WI7
er sich selbst nicht mehr erkennt. Aus ists. Er schüttelt die
Geliebte von sich. Einsam will er ins Ausland flüchten. Viel¬
leicht kommt da die Stunde, wo er Mut gewinnt, die Bürdes
der verpfuschten Existenz von sich zu werfen. — Die Schilderung
ist nachdenklich und reich an interessanten Ausblicken — namentlich
auch in den Szenen zwischen den beiden verlassenen Frauen: Genia#
Theater.
und der Mutter des jungen Offiziers.
Lessing=Theater: „Das weite Land“ Tragi¬
Eine bis in die kleinen Nebenrollen aufs feinste abgetönte Auf¬
komödie von Artur Schnitzler. Ein in die Jahre gekommener
führung unterstützte die Wirkung. Leistungen ersten Ranges waren
Anatol, der aber neben seinen Liebeleien Zeit fürs Geschäft gefunden
Monnards verführerisch schillernder Friedrich Hofreiter und die
und sich im Wechselspiel von Flirt und angespannter Arbeit doppelt
feinfühlige, menschlich rührende Frau Genia von Irene
behaglich fühlt, ist in dem neuen Schnitzlerstück der „Held“. Um ihn, Triesch.
dt.
24. Das weite Land
den Fabrikanten Friedrich Hofreiter, gruppieren sich leicht skizzierte
Typen aus der Wiener Welt. Vielerlei Fäden gehen hinüber und
herüber. Man hört von einem Freunde, der der vornehmen, still¬
resignierten Frau Genia den Hof machte und sich dann eines Tages
erschoß. In der Art, wie Friedrich seine Gattin über das Geheimnis
dieses Todes ausforscht, blitzt eifersüchtiger Argwohn auf. Sie zeigt
ihm den letzten Brief des Freundes — ein Geständnis, daß er
um ihretwillen, da seine Liebe nicht Erwiderung fand,
sich töten wolle. Beruhigt fällt Friedrich auf der Stelle
wieder in seinen spöttischen, frivolen Ton zurück. Es sei doch schade
um den guten Burschen, dem eine solche Kleinigkeit das Leben
kostete. Warum tat sie ihm denn nicht den Gefallen und nehme
Dinge, die es nicht wert sind, stets so schwer? Weshalb muß sie so
anders sein wie er? Das drückte ihn. Er möchte reisen, um wieder:
in das richtige Gleichgewicht zu kommen.
Der dritte Akt, von drolligen Touristenepisoden eingerahmt,
spielt in einem Alpenhotel. Ein kokettes, romantisch abenteuerlustiges
Fräulein, Friedrichs Weggefährtin auf einer waghalsigen Kletter¬
„
tour, hat ihn in hellen Brand gesetzt. Ein Rausch verzebrend wilder
Leidenschaft steigt plötzlich in ihm auf, der bequeme Cyniker stammelt
verzückte Schwüre. Ein ehrenwerter Bräutigam erwartet sie, er selber
ist gebunden. Was tuts? Wenn sie sich ihm ergibt, will er sein
Weib verlassen. Ein Komödiant, der in dem Augenblick der Rede
selbst felsenfest an jedes seiner Worte glaubt. Wer kennt sich in
dem weiten Land der Seeien aus, wie weiß einer, der sich haltlos;
treiben läßt. Ziel und Richtung seines Handelns?
Frau Genia, die immerfort Zurückgewiesene, die keine Pflicht?
mehr an den Gatten bindet, findet für ihr Leid Vergessen
in der Liebe eines jungen Offiziers. Weshalb sollte ste dies
Treue einem Manne bewahren, der nichts als lästige Gewohnheit
darin zu sehen scheint. In der Nacht, als Friedrich, das Herz noch
voll von seiner neuen Leidenschaft beimkehrt, sieht er den Mann ins
ihrem Zimmer. Er hat den besten Scheidungsgrund. Doch nun,
da das, womit er in Gedanken schon lange spielte, Wirklichkeit ge¬
worden, faßt ihn hämisch bösartiger Geoll: Der rachsüchtige Instinkte
des in seinem Herrenrecht gekränkten Männchens. Und der momentane
Impuls, der ihm nach seiner ganzen Denkart als lächerlich grotesker¬
Atavismus gelten müßte, reißt ihn wie früher die Begierde, das
Mädchen zu besitzen, besinnungslos mit fort. Er zwingt den Lentnant#
durch eine ehrenrührige, vom Zann gebrochene Beleidigung zume
Zweikampf. — Die Gattin und die Geliebte, versöhnt in der Ge¬
fahr, harren zitternd auf den Ausgang des Duells. Blaß, m.it zerz
Vorwärts, Berlin
wühlten Mienen tritt Hofreiter ins Zimmer. Seine Kugel traf det
Feind ins Herz. Nicht durch einen unglückseligen Zufall. Kalten#
Sinnes hat er gezielt. Ihn würgt der Abschen vor der Tat, in der##
M7 10 WI7
er sich selbst nicht mehr erkennt. Aus ists. Er schüttelt die
Geliebte von sich. Einsam will er ins Ausland flüchten. Viel¬
leicht kommt da die Stunde, wo er Mut gewinnt, die Bürdes
der verpfuschten Existenz von sich zu werfen. — Die Schilderung
ist nachdenklich und reich an interessanten Ausblicken — namentlich
auch in den Szenen zwischen den beiden verlassenen Frauen: Genia#
Theater.
und der Mutter des jungen Offiziers.
Lessing=Theater: „Das weite Land“ Tragi¬
Eine bis in die kleinen Nebenrollen aufs feinste abgetönte Auf¬
komödie von Artur Schnitzler. Ein in die Jahre gekommener
führung unterstützte die Wirkung. Leistungen ersten Ranges waren
Anatol, der aber neben seinen Liebeleien Zeit fürs Geschäft gefunden
Monnards verführerisch schillernder Friedrich Hofreiter und die
und sich im Wechselspiel von Flirt und angespannter Arbeit doppelt
feinfühlige, menschlich rührende Frau Genia von Irene
behaglich fühlt, ist in dem neuen Schnitzlerstück der „Held“. Um ihn, Triesch.
dt.