II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 273

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24. Das weite Land
c. Kuemse.
Telephon 12.801.
FDie
Zeitungs-Ausschaltte
platz 4.
ania, Genf, Kopen¬
neapolis, New-Vork.
m, St. Petersburg.
Ficher Zeitzne
ben besteht ja noch aus allerlei anderm als aus einem Meister des Schachspiels schieben. Statt auf kreis, wie ein Orden zu dem des Strebers. Nun 4#
Abenteuern einer gewissen Art“, läßt Schnitzler einen
dem Boden der Wirklichkeit zu gehen, banlancieren
hält die Komödie, die bis dahin in einem amüsan
jungen Arzt sagen, den er vielleicht zum Sprachrohr
sie auf dem psychologischen Drahtseil. Und gewisse
Dialog plätscherte, plötzlich ihre tragische Trübui
seines eigenen Standpunktes ausersehen hat. Wenn
Figuren haben nur den Zweck, den Hauptakteuren die
Der Fähnrich fällt im Zweikampf, und das gibt ei
man aber die gesamte Produktion des Wieners von
Stange zu reichen, damit sie nicht (die literarische
menschlich ergreifende Situation: wenn der Räch
der tragischen „Liebelei" bis zu diesen tragikomischen
Luft macht leicht schwindlig) herunterpurzeln.

seiner Ehre vom Duell heimkehrt und der ahnung
evereen überblickt, würde man kaum auf den Ge¬
. Oktober.)
Die Hauptakteure sind der Fabrikant Hofreiter
losen Mutter des Getöteten die Hand reicht. Dan
danken verfallen, daß noch andres vorhanden ist. Es
und seine Frau Genia. Das Stück fängt damit an,
hält er innere Einkehr, schüttelt beherzt eine jugend?
bez
muß den Betrachter dieser sympathischen Dichterper¬
daß sich ein russischer Pianist erschießt. Wegen uner¬
liche Geliebte ab, die ihm zu folgen bereit ist, un#
sönlichkeit fast wehmütig stimmen, daß sie, die bald
was für
widerter Liebe. Genia versagt sich dem Künstler —
zieht in eine neue Welt hinaus. Wobei es unentschiel
an der Schwelle der fünfzig angelangt ist, das Leben
unde sind?
aus Reinlichkeitsgefühl, wie es ihr Mann zu nennen
den bleibt, ob die neue Welt für ihn Amerika ist oder
so einseitig sub specie Veneris sieht. Oder soll in
Liebe und
beliebt. Aber der Gedanke, daß dieTugend seiner Frau
sein Junge, der eben aus England zurückkommt.
den Worten des Arztes eine Selbstkritik liegen?
betung für
einen Menschen in denTod getrieben hat,wird ihm un¬
Treulosigkeit trotz Liebe — das scheint Schnitzlers¬
oder nach
Dann flösse aus demselben Geist die Bemerkung:
heimlich und treibt ihn von ihr fort zu neuen Aben¬
Problem. Hofreiter betet, so oft er seine Frau auch
„Wir vergessen immer wieder, daß es im Leben jeder
in uns zu
teuern. Hat diese sophistische Auslegung wirklich noch
betrügt, sie im Grunde doch an; er sagt es ihr nur
ng ist doch
Frau, auch wenn sie Liebhaber hat, eine Menge
einen Schimmer von Lebenswahrheit? Gibt es auf
nicht. Zeigt es vielmehr durch die Tat: indem er je¬
sche ist das
Stunden gibt, in denen sie an ganz andere Dinge zu
der weiten Welt einen Mann, der die Treue seiner
den, der die Finger nach ihr ausstreckt, hinwegräumt.
denken hat, als an die Liebe.“
eele ist ein
Frau als Entschuldigung für die eigene Treulosigkeit,
Aber sein Verhalten bleibt problematisch. Um es zus
Titel und
Denn nichts andres als Abenteuer einer gewissen
als einen Grund sie zu verlassen benützen könnte?
erklären — zu klären vermag er es nicht ganz — er¬
Art füllen Schnitzlers fünf Akte. Ein Reigen von
Gibt es das in Gottes reichem Tierhaus? Existiert
findet der Dichter ein andres Paar: da hat ein Mann
oren, deckt
Liebeleien, und der Weg ins Freie führt zum ein¬
das nicht einzig in des Dichters engem Treibhaus?
seine Frau geliebt wie nie eine andere und sie doch
daß man
samen Weg. Das Leben, wie es sich hier spiegelt,
Dabei wird nicht einmal ganz klar, ob der Russe frei¬
betrogen; aber sie hat ihm das nicht verziehen, son¬
ungen von
mit Verzicht auf alle sozialen Perspektiven, das
willig Hand an sich gelegt hat. Wir sollen annehmen,
dern sich von ihm losgesagt. Die höchste Liebe (das
myriadenhafte Leben schrumpft zu einem halb fri¬
Und gilt
daß er als Opfer eines amerikanischen Duells fiel,
scheint die Nutzanwendung dieser kommentatorischen
die Mode
volen, halb elegischen Spiel der Geschlechter zusam¬
das ihm der Ehemann aufdrängte. Zu welchen Thea¬
Episode) verzeiht eben nicht.
men. Wir hören wohl gelegentlich, daß der Fabri¬
oweit ge¬
termitteln muß der feine Schnitzler greifen, wenn er
In Schnitzlers Schaffen stellt das neue Werk
ld, welches
kant Hofreiter morgens ins Bureau fährt, daß er für
sich auf dem psychologischen Seil produziert!
lediglich eine Phantasie über alte Themen dar.
eißt: Irr¬
ein neues Patent interessiert ist, daß er zu Geschäfts¬
Wie durch das Erlebnis Frau Genias Lüste ge¬
Seine Technik neigt, wie im „Ruf des Lebens“, etwas
Gattungs¬
zwecken eine Reise nach Amerika plant; aber was hat
weckt worden sind, brechen ihre Revanchegelüste her¬
zum Theatercoupmäßigen. Dabei wird es nicht recht
ch.
die Arbeit in dieser Phäakensiedelung zu suchen?
vor, als ihr Mann sich daraufhin von ihr abwendet.
ersichtlich, ob er seiner Wiener Genußwelt einen
leit — sie
Neben dem Spork der Liebe wird nur noch der Sport
Sie gibt sich einem Marine=Fähnrich hin, der das
Spiegel vorhalten, ob er ihr — trivial ausgedrückt —
tten. Sie
des Tennis mit Eifer betrieben, und er scheint uns
Pech hat, von dem rechtzeitig heimkehrenden Gatten
am warnenden Beispiel zeigen wollte, wie keiner, der
des Men¬
für jenen bei weitem der geeignetste Nährboden.
beobachtet zu werden, als er nachts aus dem Fenster
die Treue bricht, glücklich endet, oder ob es ihn nur
Allenfalls Bergsteigen ist noch erlaubt.
lizierteste;
ihres Schlafzimmers steigt. Sofort spielt Hofreiter
reizte, diese Menschen, die aus der Liebe ein ver¬
Es mußte
Man vermißt also du aus das Leben mit seinen
den Verteidiger des häuslichen Herdes und fordert
wegenes Spiel machen, zu gestalten. Unnötig zu
cher Sats
tausendfältigen Aspekten. Man vermißt sogar — was
den Liebhaber seiner Frau zum Duell. Wirkt ein
sagen, daß ihm die Zeichnung der gefühlständleri¬
se Vielfäl¬
schwerer ins Gewicht fällt — das Leben in diesen
Duell in dieser Welt laxester Grundsätze, wo eben
schen Atmosphäre trefflich gelungen ist, daß der Duft
ist sie die
„Herzensschlampereien“. Schnitzlers Geschöpfe schei¬
noch die Tugend der Frau als Grund zur Entfrem¬
seines graziösen, mit zynischen Kräutern gewürzten
Schaffens,
nen dem Leben entfremdet, weil sie zu sehr Demon¬
dung galt, nicht einfach lächerlich? Ist es nicht die
Dialogs wie immer bestrickt; aber der menschliche Er¬
„Das Le¬
strationsobjekte der Kunst, Schreibtisch=Homunculi
leerste Formsache? Ein Anachronismus? Ein Stil¬
trag dieser umfänglichen Komödie ist nicht groß —
geworden sind. Sie sollen zu viel beweisen. Sie er¬
fehler? Aber es scheint zu Schnitzlers Inventar zu
nicht groß genug für Arthur Schnitzler.
erlin.
klären sich überdeutlich. Sie lassen sich zu willig von gehören wie die Liebelei; zu seinem Vorstellungs¬
15. Oktober.
M. M.