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24. basTteLand
den Gesprächen derer, denen sie zum Antrieb ihres Schicksals sich eine Komödie verirrter Ehenächstenliebe entschälen, und
witd. Dieses stumme Agens ist der arme Korsakow, der Phi¬
wenn nicht unter einem heilenden Lachen, so doch unter einem
losoph und Klaviervirtuose, der um Frau Genia Hofreiters
besänftigenden und verzeihenden Lächeln konnte die Legitimi¬
willen in den Tod ging, nicht weil er mit ihr ein „Verhältnis“ tät sich die weiße Rose der beruhigten Resignation ins
gehabt, auch nicht, weil er an „unglücklicher Liebe“ litt, son=Knopfloch stecken. Statt dessen zielt dieser moralbesessene
dern weil er fühlte, daß sie beide, Genia und er, nicht geschaf= Unmoralheld auf des Gegners Herz und streckt ihn tot in
sen waren, in Lüge und ewigem Verstecken vor dem betroge¬
den Sand! Nur weil ihn der junge freche Olick reizt, ihn,
dem die Jahre schon das erste Weiß in die Haare sprenkeln!
nen Gatten zu leben, mehr noch: weil er ahnte, nichts ande¬
Pfui! Das bricht aller Sympathie, auch all unserem Ver¬
res als Liebe als Treue für diesen ihren Gatten sei es ge¬
ständnis für diesen gierigen Selbstling den Hals, und weil
wesen, weshalb die Geliebte sich seinem vermessenen Wunsche
wir weder von der Konsequenz in diesem Charakter noch von
versagte. Für diesen Korsakow braucht Schnitzler kein Vor¬
spiel, wie Sudermann. Er weiß die Kunst des Halbverhüll= der inneren Notwendigkeit dieses Ausgangs überzeugt, sind
ten zu schätzen und versteht die Technik seines Meisters Ibsen wir geneigt, das ganze Stück, soviel Feinheiten und Wahr¬
zur Genüge, aus den Andeutungen des dramatischen Dialogs heiten sein kultivierter Dialog mit sich führt, als eine jener.
allmählich erst, aber desto greifbarer die fortwirkende Schick= Wienerischen Ueberspannungen preiszugeben, die immer nur
salsmacht dieses Toten heraufzubeschwören. Denn an ihm und zwischen den Zeilen und am Rand des Lebens zu lesen wissen,
seiner tragischen Anständigkeit entzündet sich eigentlich erst, statt sich resolut an den Text selbst zu halten. Nicht die
was im Hause Hofreiters, des Glühlichtfabrikanten, endlich Seele sondern — um einen Bahrschen Ausbruck zu ge¬
zur glückverzehrenden Flamme auszüngelt. Aus Frau Ge=brauchen — die animula ist das Objekt ihrer unendlich dis¬
nias Bekenntnis, das doch noch keine Spur von Schuld in sich ferenzierten, aber auch tausendfach gebrochenen und zersplit¬
schließt, holt sich Friedrich Hofreiter für sein ohnedies leicht
terten Kunst.
zu beschwichtigendes Gewissen pränumerando die Absolution
für die neue Liebschaft, die er, einer oberflächlichen Ban¬
kiersfrau eben müde geworden, mit einem frischen, unberühr¬
ten, glücksmutigen Mädchen anknüpft. Liebt er sie so ge¬
waltig? Kann er ohne sie nicht sein? Ja, wer will das
sagen? Die Seele ist ein „weites Land“, und in seiner
eigenen kennt man sich am wenigsten aus. Genia svon
Irene Triesch meisterhaft gespielt) erfährt bald von ihres
Mannes neuer Passion und gibt sich — aus Trotz, aus Rache,
aus gekränkter Liebe, das bleibt absichtlich verhüllt — einem
blutjungen Marinefähnrich, was wiederum dem Ehemann
nicht eine Minute verborgen bleibt. In einem französischen
Schwanke wäre die Rechnung nun ja wohl gut und glatt;
bei Schnitzler setzt gerade an diesem Punkte der Mechanis¬
mus aus, und es erfolgt eine jener Unbegreiflichkeiten, eine
jener Inkonsequenzen, jener Launen zufälliger Stimmungen
und Reizungen, die nach seiner Ueberzeugung unser Schick¬
sal ausmachen: der Gatte provoziert den Fähnrich und —
schießt vorbei, denkt man noch in dem Augenblick, wo man
ihn in Gehrock und Zylinder vom Duell kommen sieht. Denn
bis hieher konnie die „Tragikomödie“ von dem „weiten
Land“, die übrigens neben der Haupthandlung nach Schnitz¬
lerscher Art noch mehr als eine Variante des Themas in sich
birgt, ihren entscheidenden Akzent noch ebenso gut auf die
dritte wie auf die erste Silbe nehmen. Aus dem durchein¬
andergewirrten Knäuel der Gefühle und Spielereien konnte
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den Gesprächen derer, denen sie zum Antrieb ihres Schicksals sich eine Komödie verirrter Ehenächstenliebe entschälen, und
witd. Dieses stumme Agens ist der arme Korsakow, der Phi¬
wenn nicht unter einem heilenden Lachen, so doch unter einem
losoph und Klaviervirtuose, der um Frau Genia Hofreiters
besänftigenden und verzeihenden Lächeln konnte die Legitimi¬
willen in den Tod ging, nicht weil er mit ihr ein „Verhältnis“ tät sich die weiße Rose der beruhigten Resignation ins
gehabt, auch nicht, weil er an „unglücklicher Liebe“ litt, son=Knopfloch stecken. Statt dessen zielt dieser moralbesessene
dern weil er fühlte, daß sie beide, Genia und er, nicht geschaf= Unmoralheld auf des Gegners Herz und streckt ihn tot in
sen waren, in Lüge und ewigem Verstecken vor dem betroge¬
den Sand! Nur weil ihn der junge freche Olick reizt, ihn,
dem die Jahre schon das erste Weiß in die Haare sprenkeln!
nen Gatten zu leben, mehr noch: weil er ahnte, nichts ande¬
Pfui! Das bricht aller Sympathie, auch all unserem Ver¬
res als Liebe als Treue für diesen ihren Gatten sei es ge¬
ständnis für diesen gierigen Selbstling den Hals, und weil
wesen, weshalb die Geliebte sich seinem vermessenen Wunsche
wir weder von der Konsequenz in diesem Charakter noch von
versagte. Für diesen Korsakow braucht Schnitzler kein Vor¬
spiel, wie Sudermann. Er weiß die Kunst des Halbverhüll= der inneren Notwendigkeit dieses Ausgangs überzeugt, sind
ten zu schätzen und versteht die Technik seines Meisters Ibsen wir geneigt, das ganze Stück, soviel Feinheiten und Wahr¬
zur Genüge, aus den Andeutungen des dramatischen Dialogs heiten sein kultivierter Dialog mit sich führt, als eine jener.
allmählich erst, aber desto greifbarer die fortwirkende Schick= Wienerischen Ueberspannungen preiszugeben, die immer nur
salsmacht dieses Toten heraufzubeschwören. Denn an ihm und zwischen den Zeilen und am Rand des Lebens zu lesen wissen,
seiner tragischen Anständigkeit entzündet sich eigentlich erst, statt sich resolut an den Text selbst zu halten. Nicht die
was im Hause Hofreiters, des Glühlichtfabrikanten, endlich Seele sondern — um einen Bahrschen Ausbruck zu ge¬
zur glückverzehrenden Flamme auszüngelt. Aus Frau Ge=brauchen — die animula ist das Objekt ihrer unendlich dis¬
nias Bekenntnis, das doch noch keine Spur von Schuld in sich ferenzierten, aber auch tausendfach gebrochenen und zersplit¬
schließt, holt sich Friedrich Hofreiter für sein ohnedies leicht
terten Kunst.
zu beschwichtigendes Gewissen pränumerando die Absolution
für die neue Liebschaft, die er, einer oberflächlichen Ban¬
kiersfrau eben müde geworden, mit einem frischen, unberühr¬
ten, glücksmutigen Mädchen anknüpft. Liebt er sie so ge¬
waltig? Kann er ohne sie nicht sein? Ja, wer will das
sagen? Die Seele ist ein „weites Land“, und in seiner
eigenen kennt man sich am wenigsten aus. Genia svon
Irene Triesch meisterhaft gespielt) erfährt bald von ihres
Mannes neuer Passion und gibt sich — aus Trotz, aus Rache,
aus gekränkter Liebe, das bleibt absichtlich verhüllt — einem
blutjungen Marinefähnrich, was wiederum dem Ehemann
nicht eine Minute verborgen bleibt. In einem französischen
Schwanke wäre die Rechnung nun ja wohl gut und glatt;
bei Schnitzler setzt gerade an diesem Punkte der Mechanis¬
mus aus, und es erfolgt eine jener Unbegreiflichkeiten, eine
jener Inkonsequenzen, jener Launen zufälliger Stimmungen
und Reizungen, die nach seiner Ueberzeugung unser Schick¬
sal ausmachen: der Gatte provoziert den Fähnrich und —
schießt vorbei, denkt man noch in dem Augenblick, wo man
ihn in Gehrock und Zylinder vom Duell kommen sieht. Denn
bis hieher konnie die „Tragikomödie“ von dem „weiten
Land“, die übrigens neben der Haupthandlung nach Schnitz¬
lerscher Art noch mehr als eine Variante des Themas in sich
birgt, ihren entscheidenden Akzent noch ebenso gut auf die
dritte wie auf die erste Silbe nehmen. Aus dem durchein¬
andergewirrten Knäuel der Gefühle und Spielereien konnte