II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 299

box 28/4
24. Das weiteLand
Der Koland von Berlin.
1431
In der Hofhaltung des Deutschen Kaisers ist ein seit längerer Zeit
erwarteter Wechsel eingetreten. Der bisherige Kommandant der Yacht
„Hohenzollern“, Kapitän zur See Graf Oskar von Platen¬
Hallermund, ist, an Stelle des Grafen Valentin Henckel von
Donnersmarck, zum Hofmarschall des Kaisers ernannt worden
und gleichzeitig als Kontreadmiral zu den Offizieren à la suite der
Marine übergetreten. Graf Valentin Henckel hat von seinem Posten
zurücktreten müssen infolge einer schweren Krankheit, die er sich als
Adjutant des damaligen Staatssekretärs der Kolonien Dernburg in
Afrika geholt hat. Die Kunst der Aerzte hat ihn nicht wiederherzustellen
vermocht, und so ist ihm jetzt, nachdem der Oberküchenmeister Graf
Pückler ihn längere Zeit vertrat, ein Nachfolger gegeben worden.
Graf Oskar Platen, ein echter Holsteiner, groß, breitschultrig, blond¬
haarig, blanäugig, ist dem Kaiserpaare seit Jahren bekannt und steht
ihm auch dadurch nahe, daß er eine frühere Hofdame der Kaiserin, die
Gräfin Armgard zu Stolberg=Wernigerode, eine Tochter
Udo Stolbergs, des verstorbenen Reichstagspräsidenten, zur Gemahlin
hat. Heutzutage ist das Amt des Hofmarschalls wesentlich komplizierter
als in den Tagen des Herrn von Kalb, und namentlich der Hofmarschall
des Deutschen Kaisers führt kein müßiges Leben. In seinen Händen
liegen, unter der Direktive des weltklugen und in seinem Fache vorbild¬
lichen Oberhofmarschalls Grafen August zu Eulenburg, die An¬
ordnungen nicht nur für alle Festlichkeiten bei Hofe, sondern auch für
die zahlreichen Reisen, die der Kaiser unternimmt. Der kaiserliche Hof¬
marschall ist Arrangeur, Kurier, Quartiermacher in einer Person und
muß mit gesunden Nerven ausgestattet sein, um den männigfaltigen
Pflichten seiner Stellung zu genügen.
Im „Lessingtheater“ gibt Arthur Schnitzlers fünf¬
aktige Tragikomödie „Das weite Land“ bei natürlich weit ernst¬
hafteren literarischen Absichten, unwillkürlich ein Pendant zu der Gro¬
teske aus Berlin „WW.“ — ich bitte, diese Abkürzung recht zu ver¬
stehen —, die vor wenigen Tagen auf der Welttheaterbühne einen
Sensationserfolg hatte. Leicht cachiertes Metternich=Milien, mit der
graziösen, halb tändelnden, halb foppenden Tonart der Wiener Gesell¬
schaft ausgestattet. „Sentimental sind wir nicht,“ ist der Wahlspruch.
Diese Ehepaare sind nicht mehr in den „Hundstagen“ sondern bereits
in den Herbsttagen ihres legitimen Glückes, das vielleicht nie eines ge¬
wesen ist: nicht mehr beim „Zwischenspiel“, dessen muntere Takte
Schnitzler schon einmal auf seiner Ehebühne anklingen und verklingen
ließ, sondern bei einem erheblich melancholischeren Nachspiel. Man ist
von einer Brutalität, die auch durch das Gewebe der gewähltesten Aus¬
drucksweise hindurchschimmert: von einer Toleranz, die dem natürlich
bester Auer Glühkörperg
Tegea.
Auergesellschaft, Berlin O. 17. stadtgeschane: für hängendes und stehendes!
Potsdamer Str. 101 u. Kommandantenstr. 86—86.
Gasglühlicht!