II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 300

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24. DaseieLand
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Der Rolano von Berlin.
gänzlich veralteten, „anständigen Menschen“ die Schamröte ins Gesicht
treibt. Es ist nicht mehr schick, die Eheirrung zu verschleiern, in Ton
und Benehmen die Form zu wahren. Nein: man leistet einander
zynische Ohrenbeichten, klopft, wie der Musterehemann, den sich die
Offenbachische Moral vorstellt, vorm Eintreten vorsichtig an der Tür
an, zerstört immer weiter die Brücke, die vom „Gatten“ des alten
Schlages zur Gattin führte. Auf die Personen des Schnitzlerschen
Stückes angewendet: der Fabrikant Friedrich Hofreiter nimmt sich die
junge Brunst eines heißblütigen Mädels aus den besten Kreisen: Frau
Genia hält sich, nach redlichem Bemühen, sich den eigenen Mann zurück¬
zuerobern, an einem kleinen Marinefähnrich schadlos. An diesem Punkte
aber bekommt der Zynismus dieser seelisch fest gepanzerten Gesell¬
schaftsschicht jene Abfuhr, die ihm Schnitzler zugedacht hat. Denn als
der Mann zum ersten Male sehenden Auges dem Faktum gegenüber¬
steht, mit dem seine leichtfertige Rede schon häufig spielte, da greift er,
der „Moderne“, doch auf Hebels antiquiertes Schlagwort zurück. Mit
dem Gedanken: „Darüber kann kein Mann hinweg“ schießt er den
Nebenbuhler ganz nach veralteter Methode zusammen. Damit zerstört
er freilich auch das eigene Lebensgebäude. Denn hier löst das ver¬
großene Blut, statt zu binden: und Genia geht von ihm ...
Die Aufführung kann ich mir besser denken, als sie im „Lessing¬
theater“ gezeigt wurde. Zumal Herr Heinz Monnard ist nicht
der Mann für die Verkörperlichung morbider Nervensysteme: (derjenige,
dem solche gebrochenen, etwas schrillen Töne glatt zu Gebote stehen,
Albert Bassermann, saß im Zuschauerraum). Frau Triesch war aus¬
gezeichnet in der Befangenheit einer „guten Frau“, die eine leicht¬
sinnige Frau werden muß: Fräulein Herterich in dem flackernden,
werbenden Blick, mit dem sie dem Manne ihrer Wahl ihre sehnsüchtige
Jugend in die Arme legte. Herr Froböse als Ehemann, der, wenn
ein Liebhaber seiner Frau zugegen, die Tür sorgsam — zuhält, Fräu¬
lein Grüning als fabelhaft naturalistisch gestaltete „bekannte“
Wiener Jüdin, Herr Forest als Raunzer (mit der Peter=Altenberg¬
Maske) und Poet dazu waren die „lustigen Personen“.
Aber das Publikum wollte nicht recht warm werden.
U 20 heißt die neue Pantomine, oder sagen wir das Original¬
Ausstattungsstück des Cirkus Busch, denn das stumme Spiel wird
fleißig durch Dialog und Chorgesang belebt und gewinnt dadurch neuen
Reiz. Merkwürdig, zum ersten Male seit Menschengedenken wird die
Manege nicht unter Wasser gesetzt, aber doch spielt das aufregende
Marinedrama fünfzig Meter unter Wasser und senkt sich sogar bis
zum Meeresgrund, der mit den Wundern und Ungeheuern der Tief¬
see aufwartet. Die Sensation ist die Katastrophe und Rettung des