II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 331


24. Das veite Land
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mmer dieses die Ehe sozusagen gedankenlos, denn im Grunde liebt er Genia, seine
en in Won¬
tugendhafte Frau. Frau Genia sieht dem Spiel mit duldender Ver¬
ferlose Meer
zweiflung zu, aber da ihr Hoffen auf Treue vergebens, wird auch aus
sucht, dieses
ihr eine ungetreue Frau. Sie händelt mit einem Marineleutnant
die Moral,
an, nicht aus unstillbarem Trieb, auch nur aus Spiel, Langeweile,
Fatum. Und der ungetreue Gatte, obwohl eben erst frisch aus den
großen Lei¬
Armen einer wurmstichigen Halbjungfrau kommend und noch heiß von
der Haupt¬
ihren Küssen, knallt den ertabbten jungen Eindringling in seine von
le mit dem
ihm selbst am meisten besutelte Ehe im Ehrenduell nieder. Frau
inge. Aber
Genia sagt sich mit Schauder von dem Mörder los— Menschenleben
rden — das
und Glück vernichtet durch nichts. Denn alles war ja nichts, war
ema Schnitz¬
Liebelei, Spielerei. Das Echte war nur die verborgene Liebe Fra¬
benker“, der
Genias zu ihrem Mann, war dessen heimliches Hängen an ihr, die
ische Seele.
er dennoch leichtsinnig betrog. Und in die Zerrüttung hinein klingt
id des Ero¬
am Schluß der Ruf ihres unschuldigen Kindes: „Papa, Mama“
Herkömm¬
Grausames Land der Seele!
uchen. Das
Doch nein, gewinnen wir unser klares Denken wieder! Schnitz¬
ußerbürger¬
ler hat uns mittels seiner Dichtkraft, seines Geistes, seiner reizvollen
griffe wer¬
Kunst zu sich und seinen Menschen hinübergezogen — aber wie?
ch sündhaft,
Wissen diese Menschen, die da lächelnd sich in das Verderben tänzeln
it diesem
und liebeln, nichts von Charakterstärke, von Pflicht, von Zucht des
Indessen,
Willens? Icht eiß, es wirkt wie ein kalter Wasserstrahl, das Spie¬
ht auch die
ßerwort Pflicht in der Welt dieser Auskoster der Lebensfreuden.
ein müder
Die „neuen Gefühle“ mißt man nicht mit der Tugendelle und was
hat die Moral mit dem kategorischen Imperativ des Herzens zu tun?
evom Fa¬
Schnitzler sagt: Fatalismus, Determinismus ..
Doch sollte dem
usgedehnt¬
gegenüber nicht das Wort Ethos stehen dürfen? Aber das ist ja eben
i verwege¬
das Fragezeichen der Schnitzlerschen Stücke. Und alle die Menschen
den Mut
im Irrgarten der Liebe sind Wiener — wissen Sie, was das heißt?
n zu Her¬
Wiener Luft, Wienerwald, Wiener Walzer, Wiener Mädel, wissen
rgeworfen,
Sie, was das heißt? Man muß wirklich schon ein Held sein, wenn
nter Aus¬
man da nicht eine Anatolseele bekommt ...
ind keiner
Unsere Aufführung war gut, aber eben dieses Weanerische war
nicht da! Das Weiche, die Melancholie, das Musikalische in der
n Anatol¬
Prosa, möchte ich sagen, hörte ich nicht klingen. Herr Basil hatte
ben, blei¬
dem Stück zwar ein gefälliges Antlitz gegeben (hübsch modern einge¬
sinns, sie
rahmt von den Herren Klein und Fischer), indessen es wurde
doch wieder die Tragödie mehr betont, als die Komödie. Frau Ha¬
indelt, insgen wirkte bildhaft und rührend wie eine Elegie der Untreue, doch
: brüchelt im letzten Akte verlor auch sie sich zu sehr im tragischen Gestus, der
Ausschnitt aus:
Münshener Kunst- und Theater Ar
vom: 1S0hI. L
München
zu Brepden ns
Arthur Schnitzlers Tragikomödie „Das
weite Land“ der am Samstag bei der Urauffüh¬
rung am hiesigen Kgl. Residenztheater so beifällige
Aufnahme beschieden war, hatte am gleichen Abend
auch in Wien, Hamburg, Hannover, Prag, Leipzig
vollen Erfolg.
en Gishe. Opereile von Zinling
Assschnltt aus:
Allgemeine Rundschau, München
21. OK7. 911

vom:

Bühnen= und Musikrundschau.
Münchener Hoftheater. Die Theater halten den Samstag
für den günstigsten Premierentag der Woche, und so sind trotz
aller Bitten der Kritik Kollisionen häufig. Diesmal hatten sogar
die beiden Hofbühnen Erstaufführungen zu gleicher Stunde an¬
gesetzt. Im großen Hause wurde Beer=Walbrunns musikalische Tragi¬
komödie „Don Quijote“ in einer einschneidenden Neuformung mit
freundlichem Beifall gegeben und im K. Residenztheater ging
Telte 704.
Allgeme
(gleichzeitig mit Wien und sechs anderen Städten) die Urau
führung von Artur Schnitzlers Tragikomödie „Dasweit
Land“ in Szene. Es wird auf „Don Quijote“ in einem späterer
Berichte zurückzukommen sein. Die Urpremiere des Schnitzlerschen
Stückes fand eine sehr beifällige, wenn auch keine allzu warme
Aufnahme. Das spannend geschriebene Werk spielt im Sumpfe
der sog. guten Gesellschaft. Gewiß kann der Dichter sich auch
moralischen Zersetzungserscheinungen zuwenden, aber der Zuschauer
muß immer die Empfindung haben, daß der Autor sie auch als
solche empfindet. Bei Schnitzler überwiegen jedoch das Interesse
an psychologischen Finessen, ein weiches „tout comprendre“ ein
müder Fatalismus. So kann durch einen bedeutenden Menschen¬
schilderer, der Schnitzler sicherlich ist, vielleicht ein Zeitdokument
aber kein positiver Kulturwert geschaffen werden. Sympathie er¬
weckt fast nur die unverstandene, vernachlässigte Frau des lieder¬
lichen Fabrikanten, und gerade sie fällt schließlich einem Fähnrich
zum Opfer. Der treulose Gatte rächt im Duell den Ehebruch der
Gattin. Wie der Fabrikant der ahnungslosen Mutter des Mannes,
den er im Duell erschossen, gegenübersteht, das ist eine Szene
von verhaltener, bebender Tragik, und auch sonst findet man manch
dichterisch fein gesehenen Zug; um so peinlicher wirken aber Ge¬
schöpfe, wie des Fabrikanten Geliebte, dieses Mädchen aus gutem
Hause, das ohne die geringste Gewissensregung sich seinen Empfin¬
dungen überläßt. Die Aufführung wies eine Reihe bedeutender
Leistungen auf, die die Intentionen des Dichters wohl restlos er¬
füllten. Im Wiener Burgtheater wurde Schnitzler stürmisch ge¬
feiert.
Schaulplelbaus. „Die Hydra“, ein Lustspiel von Karl