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24. Das veite Land
Aktstcht etwas höher mit seinererschütternden Szene zwischen
der Mutter und der Gelichten ihres Sohnes. Aber dazwischen
S
plätzen Kulissenmätzchen; ein Telegranm, das viel weniger
die Ankunft des Sohnes ankündigen, denn die Spannung
steigern soll. Und wenn der Verhang fällt, dann sitzen wir
und greiten uns an den Kopf und lragen uns: War das Schnitzler?
Wenn gleichwohl der Abend kein verlorener war, so
Ein Kleistzyklus, der in rascher Folge alle Dramen des
lag das an dem wirklich einzigartigen Spiel Steinrücks,
unglücklichen Dichters bringt, wird demnächst an geson¬
derter Stelle noch gewürdigt werden.
der in Frau von Hagen eine durchaus würdige Partnerin
hatte. Man merkte ihr ja hie und da an, daß sie sich bei
Das Residenztheater vollbrachte eine literarische
den Klassikern wohler fühlt wie bei den Modernen. Aber
Tat: die Uraufführung von Arthur Schnitzlers Tragi¬
trotz mancher zu groß geratenen Geste, trotz mancher hoch¬
komödie „Das weite Land. Das ist erfreulich und llobens¬
drematischen Enteleisung, war es doch eine vollsaftige Genia,
wert. Denn wir mußten hier in München auch einmal eine
die sie auf die Bühne steilte. Auch Fräulein Michalek
Schnitzleruraufführung haben, wenn sich auch „Das weite
spielte ihre schwere Rolle mit viel Geschick, wic überhaupt
Land“ als fast völlige Niete erwies Der Dichter des „Ana¬
nur das ausgeglichene Zusammenspiel unter Basils Regie,
tol“, des „Einsamen Weges“ war nicht wieder zu erkennen.
von keiner falschen Besetzung gestört, so gut wie möglich
Ich will nicht sagen, daß diese Enttäuschung für mich ein
über die schstigen Schmerzen des Abends hinweghall.
Schicksal bedeutet. Aber man fühlt einen eigentümlich
Fischers neue Dekoration möchte ich gleichfalls noch
stechenden Schmerz, wenn man sieht, wie sich ein Mensch,
lobend erwähnen.
der einem nahestcht und mit dem man einen langen Wag
zusammenging, im weiten Land verliert. Es hat keinen
Zweck, die Geschichte dieser weitschweilig erzählten scchs
Ehebrüche hier zu wiederholen. Die Heldin, besser gesagt,
die Dulderin dieses Stückes, ist eine Tochter der Hebbeischen
Mariamne und eine jüngere Schwester der Maeterlinckschen
Monna Vanna. Der Gatte soll wohl eine Personilikation
des polygamen Prinzips im Manne darstellen.
Die beiden ersten Akte setzen vielversprechend ein,
Die alte Stimmungskunst des leinsinnigen Wiener Kultur¬
menschen besticht die Sinne und das Gemüt. Aber mit dem
Schluß des zweiten Aktes ist Schnitzler tot. Der dritte Akt
bringt eine harmlose Hotelszene; Blumenthal und schlechter
obendrein! Der vierte Akt mit der technisch geschickt ge¬
steigerten Szene bis zur Forderung wirkt sicher, aber auch
hier siegt die äußere über die innere Dramatik. Der fünfte
chnitt aus
Kunstwart, München
rember Se
Schüithes neuestes Stück
„Das weite Land“, hat zwar an
dreizehn Bühnen zugleich seine
Erstaufführung, aber leider für
unsern Bericht so ungünstig, daß
sich die Besprechung in diesem
Kunstwartheft bei der langen Zeit,
die wir zum Drucken, Buchbindern
und Versenden brauchen, nur durch
eine „Nachtkritik“ ermöglichen ließe.
Wir meinen: diesen Brauch darf
zum mindesten eine Zeitschrift
nicht pflegen und vertagen die Be¬
sprechung deshalb.
K.=L.
Tursho
—
24. Das veite Land
Aktstcht etwas höher mit seinererschütternden Szene zwischen
der Mutter und der Gelichten ihres Sohnes. Aber dazwischen
S
plätzen Kulissenmätzchen; ein Telegranm, das viel weniger
die Ankunft des Sohnes ankündigen, denn die Spannung
steigern soll. Und wenn der Verhang fällt, dann sitzen wir
und greiten uns an den Kopf und lragen uns: War das Schnitzler?
Wenn gleichwohl der Abend kein verlorener war, so
Ein Kleistzyklus, der in rascher Folge alle Dramen des
lag das an dem wirklich einzigartigen Spiel Steinrücks,
unglücklichen Dichters bringt, wird demnächst an geson¬
derter Stelle noch gewürdigt werden.
der in Frau von Hagen eine durchaus würdige Partnerin
hatte. Man merkte ihr ja hie und da an, daß sie sich bei
Das Residenztheater vollbrachte eine literarische
den Klassikern wohler fühlt wie bei den Modernen. Aber
Tat: die Uraufführung von Arthur Schnitzlers Tragi¬
trotz mancher zu groß geratenen Geste, trotz mancher hoch¬
komödie „Das weite Land. Das ist erfreulich und llobens¬
drematischen Enteleisung, war es doch eine vollsaftige Genia,
wert. Denn wir mußten hier in München auch einmal eine
die sie auf die Bühne steilte. Auch Fräulein Michalek
Schnitzleruraufführung haben, wenn sich auch „Das weite
spielte ihre schwere Rolle mit viel Geschick, wic überhaupt
Land“ als fast völlige Niete erwies Der Dichter des „Ana¬
nur das ausgeglichene Zusammenspiel unter Basils Regie,
tol“, des „Einsamen Weges“ war nicht wieder zu erkennen.
von keiner falschen Besetzung gestört, so gut wie möglich
Ich will nicht sagen, daß diese Enttäuschung für mich ein
über die schstigen Schmerzen des Abends hinweghall.
Schicksal bedeutet. Aber man fühlt einen eigentümlich
Fischers neue Dekoration möchte ich gleichfalls noch
stechenden Schmerz, wenn man sieht, wie sich ein Mensch,
lobend erwähnen.
der einem nahestcht und mit dem man einen langen Wag
zusammenging, im weiten Land verliert. Es hat keinen
Zweck, die Geschichte dieser weitschweilig erzählten scchs
Ehebrüche hier zu wiederholen. Die Heldin, besser gesagt,
die Dulderin dieses Stückes, ist eine Tochter der Hebbeischen
Mariamne und eine jüngere Schwester der Maeterlinckschen
Monna Vanna. Der Gatte soll wohl eine Personilikation
des polygamen Prinzips im Manne darstellen.
Die beiden ersten Akte setzen vielversprechend ein,
Die alte Stimmungskunst des leinsinnigen Wiener Kultur¬
menschen besticht die Sinne und das Gemüt. Aber mit dem
Schluß des zweiten Aktes ist Schnitzler tot. Der dritte Akt
bringt eine harmlose Hotelszene; Blumenthal und schlechter
obendrein! Der vierte Akt mit der technisch geschickt ge¬
steigerten Szene bis zur Forderung wirkt sicher, aber auch
hier siegt die äußere über die innere Dramatik. Der fünfte
chnitt aus
Kunstwart, München
rember Se
Schüithes neuestes Stück
„Das weite Land“, hat zwar an
dreizehn Bühnen zugleich seine
Erstaufführung, aber leider für
unsern Bericht so ungünstig, daß
sich die Besprechung in diesem
Kunstwartheft bei der langen Zeit,
die wir zum Drucken, Buchbindern
und Versenden brauchen, nur durch
eine „Nachtkritik“ ermöglichen ließe.
Wir meinen: diesen Brauch darf
zum mindesten eine Zeitschrift
nicht pflegen und vertagen die Be¬
sprechung deshalb.
K.=L.
Tursho
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