II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 346

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24. Das wete—
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" Das Residenztheater vollbrachte eine literarische
Tat: die Uraufführung von ArthurSghtzrs-Lagi¬
komödie „Das weite Land“ Das isfferfreulich und lobens¬
wert. Denn wir mußten hier in München auch einmal eine
Schnitzleruraufführung haben, wenn sich auch „Das weite
Land“ als fast völlige Niete erwies. Der Dichter des „Ana¬
tol“, des „Einsamen Weges“ war nicht wieder zu erkennen.
Ich will nicht sagen, daß diese Enttäuschung für mich ein
Schicksal bedeutet. Aber man fühlt einen eigentümlich
stechenden Schmerz, wenn man sieht, wie sich ein Mensch,
der.-einem nahestcht und mit dem man einen langen Weg
zusammenging, im weiten Land verliert. Es hat keinen
Zweck, die Geschichte dieser weitschweifig erzählten sechs
Ehebrüche hier zu wiederholen. Die Heldin, besser gesagt,
die Dulderin dieses Stückes, ist eine Tochter der Hebbelschen
Mariamne und eine jüngere Schwester der Maeterlinckschen
Monna Vanna. Der Gatte soll wohl eine Personifikation
des polygamen Prinzips im Manne darstellen.
Die beiden ersten Akte setzen vielversprechend ein.
Die alte Stimmungskunst des leinsinnigen Wiener Kultur¬
menschen besticht die Sinne und das Gemüt. Aber mit dem
Schluß des zweiten Aktes ist Schnitzler tot. Der dritte Akt
bringt eine harmlose Hotelszene; Blumenthal und schlechter
obendrein! Der vierte Akt mit der technisch geschickt ge¬
steigerten Szenc bis zur Forderung wirkt sicher, aber auch
hier siegt die äußere über die innere Dramatik. Der fünfte
Akt stcht etwas höher mit seiner erschütternden Szene zwischen
der Mutter und der Geliebten ihres Schnes. Aber dazwischen
platzen Kulissenmätzehen; ein Telegramm, das viel weniger
die Ankunft des Sohnes ankündigen, denn die Spannung
steigern soli. Und wenn der Vorhang fällt, dann sitzen wir
und greifen uns an den Kopf und fragen uns: War das Schnitzler?
Wenn gleichwohl der Abend kein verlorener war, so
lag das an dem wirklich einzigartigen Spiel Steinrücks,
der in Frau von Hagen eine durchaus würdige Partnerin
hatte. Man merkte ihr ja hie und da an, daß sie sich bei
den Klassikern wohler fühlt wie bei den Modernen. Aber
trotz mancher zu groß geratenen Geste, trotz mancher hoch¬
dramatischen Entgleisung, war es doch eine vollsaftige Genia,
die sie auf die Bühne stellte. Auch Fräulein Michalek
spielte ihre schwere Rolle mit viel Geschick, wie überhaupt
nur das ausgeglichene Zusammenspiel unter Basils Regie,
von keiner falschen Besetzung gestört, so gut wie möglich
über die senstigen Schmerzen des Abends hinweghalf.
Fischers neue Dekoration möchte ich gleichfalls noch
lobend erwähnen.
Das harmlosere und gutbürgerliche Lustspiel hat sich,
da alles literarisch sich gebärdet, ins Uniontheater ge¬
flüchtet, wo es bei Drcher recht gut aufgehoben ist. Als
dritte Novität gab er „Das Familienkind“ einen Schwank
von Friedmann-Frederich. Das anspruchslose, aber ge¬
schickt aufgebaute Stückchen fand wieder reichen Beifall, der
sich zum Sturm steigerte, da Max Hofpaur, auch noch
einer von der alten Garde, als junger Rittmeister die Bretter
betrat. Gustav Conradi, Fritz Fuchs, Joseph Kie߬
lich, Lili Breda, Rica Garda und Minna Lindner
teilten sich in die übrigen Ehren des erfolgreichen Abends.
Die ungewöhnlich starke Konkurrenz in der heurigen
Hochsaison schuf einen vielversprechenden Anfang. Viel¬
leicht trägt sie dazu bei, in unseren etwas muffig gewordenen
Theaterbetrieb neues Leben zu bringen.