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24 Das veite Land
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wnanssenengnnnnngggengaggergnggsersangennnnnnganggangr
einzig mögliche. Aber sie verlangt einen und Nache des Helden und der Heldin bil¬
ganzen Dichter und Denker, keinen morali= den. Trotz allem: man kann gar nicht
sierenden Schulmeister. Hebbel ging ähn= genug Hebbel spielen und sehen als Auf¬
liche Wege, indem er sowohl seine heidnisch¬
gabe für begabte Schauspieler wie zur Er¬
germanischen als auch seine heidnisch=semi¬
hebung eines andächtigen Publikums.
tischen Tragödien auf die Grenzscheide zweier
Rudolf Klein.
Zeitalter legte, und dadurch der vorhin von
Das weite Land. Arthur Schnitz¬
mir betonten Empfindung Spielraum ließ:
lers“ jüngste dramatische Dichtung, die am
er schildert die Gestalten in ihrer zeitlichen
14. Oktober im hiesigen Residenztheater und
Eigenart wie menschlichen Allgemeingröße
gleichzeitig auf etwa Dutzend anderen deut¬
und läßt dann zum Schluß auf ihr Wesen,
schen Bühnen ihre Uraufführung fand, ist
als auf eine überwundene Kulturstufe, den
bisher unter allen literarisch gebuchten Neu¬
Schein des Christentums fallen, und bringt
heiten das einzige Stück, das sich in dem
sie uns gerade durch diesen Kontrast in
Spielplan einsetzt, trotzdem es die feinsten
ihrer Menschlichkeit wie für uns unmensch¬
Kenner Schnitzlers und alle ihm Wohl¬
lichen Größe nahe. —
gesinnten, unverhohlen enttäuscht hat. Die
Im Kgl. Schauspielhaus wohnten wir Summe dieser Ernüchterung wäre etwa:
Hebbels großartiger Trilogie der „Nibe¬
Kein Anstieg, weder eine ideelle Erweiterung,
lungen bei. Obgleich das Spiel nicht auf noch eine Vertiefung.
der Höhe unserer Anforderungen stand, Beim Untertitel stockt der Prüfer schon:
kamen wir dennoch zu einem starken Genuß. Tragikomödie. Die Moderne hat ein Ur¬
Die Spuren der Dichtung waren unverwisch= bild dieser Spielart vorgeschaffen in der
bar. Jedenfalls erreichte man im Spiel „Wildente'. Gröber, grotesker gibt sich
teilweise, vornehmlich aber hinsichtlich der Wedekinds „Hidalla“. Allerhand von Shaw
Inszenierung, einen wirkungsvolleren Grad fügte sich hier ein: „Frau Warens Ge¬
als jüngst bei Kleists „Penthesilea“. Hebbel werbe“ zum Beispiel. Aber Schnitzlers
führt uns die Helden unserer mythischen Drama ist kein Wehschrei aus komischen
Vorzeit in ihrer zeitlichen Eigenart wie all= Verrenkungen und lächerlichen Beschränkt¬
gemeinen Menschlichkeit gleich lebendig und heiten heraus, ist keine Tragikomödie, so¬
abwechslungsreich vor; er ist Dichter ge= fern man unter solcher das Ineinander¬
nug, darauf verzichten zu können, sie ver= wirken, das gegenseitige dramatische Durch¬
kleinernd zu modernisieren, oder gar zu dringen von erschütternden und erheiternden
hysterisieren. Es bedürfte einer eingehenden Elementen begreift. Bei ihm sind die ver¬
Studie, wollten wir hier zu Wort bringen, schiedenen Temperamente bloß äußerlich zu¬
was sich etwa gegen die dramatische Expo= einander, nebeneinander gesellt. Seine Kom¬
sition der Stücke, zumal des dritten Teils, position ist etwa die Sudermanns im
der an einigen Längen leidenden „Kriem= „Blumenboot“, eine Technik der helleren
hilds Rache einwenden ließe. Es hat wohl Zwischenakte und der lustigen Seiten¬
seinen Grund darin, daß der Dichter nicht personen. Das heißt, Schnitzler suchte das,
wie bei seinen großen orientalischen Dramen was er psychologisch formen und prägen
„Judith“ und „Herodes den Stoff frei ge= wollte, nur an zweien herauszuentwickeln,
staltete und die Fabel in der Einzelheit so jene Erkenntnis der Relativisten und Neu¬
erfand und modelte, wie er sie für die dra= romantiker, daß die Seele ein weites Land
matische Entladung an konzentriertesten zur ist, ein Irrsal, daß man nie weiß, was
Geltung bringen konnte. Er hielt sich hinter den Worten der anderen sich deckt,
hier bezüglich der Konstruktion streng an welchen Motiven die fremden Taten ent¬
den Gang des breit angelegten Epos. So springen, und jenes verwirrend Trübe, daß
wundert uns für die dramatische Form z. B. man kaum etwas vom eigenen Wesen be¬
das stillschweigende Ausscheiden Brunhil= Arthur Schnitzler, Das weite Land. Eine Tragi¬
dens, deren Existenz doch Ursache für Tod komödie in 5 Akten. (S. Fischer, Berlin.)
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einzig mögliche. Aber sie verlangt einen und Nache des Helden und der Heldin bil¬
ganzen Dichter und Denker, keinen morali= den. Trotz allem: man kann gar nicht
sierenden Schulmeister. Hebbel ging ähn= genug Hebbel spielen und sehen als Auf¬
liche Wege, indem er sowohl seine heidnisch¬
gabe für begabte Schauspieler wie zur Er¬
germanischen als auch seine heidnisch=semi¬
hebung eines andächtigen Publikums.
tischen Tragödien auf die Grenzscheide zweier
Rudolf Klein.
Zeitalter legte, und dadurch der vorhin von
Das weite Land. Arthur Schnitz¬
mir betonten Empfindung Spielraum ließ:
lers“ jüngste dramatische Dichtung, die am
er schildert die Gestalten in ihrer zeitlichen
14. Oktober im hiesigen Residenztheater und
Eigenart wie menschlichen Allgemeingröße
gleichzeitig auf etwa Dutzend anderen deut¬
und läßt dann zum Schluß auf ihr Wesen,
schen Bühnen ihre Uraufführung fand, ist
als auf eine überwundene Kulturstufe, den
bisher unter allen literarisch gebuchten Neu¬
Schein des Christentums fallen, und bringt
heiten das einzige Stück, das sich in dem
sie uns gerade durch diesen Kontrast in
Spielplan einsetzt, trotzdem es die feinsten
ihrer Menschlichkeit wie für uns unmensch¬
Kenner Schnitzlers und alle ihm Wohl¬
lichen Größe nahe. —
gesinnten, unverhohlen enttäuscht hat. Die
Im Kgl. Schauspielhaus wohnten wir Summe dieser Ernüchterung wäre etwa:
Hebbels großartiger Trilogie der „Nibe¬
Kein Anstieg, weder eine ideelle Erweiterung,
lungen bei. Obgleich das Spiel nicht auf noch eine Vertiefung.
der Höhe unserer Anforderungen stand, Beim Untertitel stockt der Prüfer schon:
kamen wir dennoch zu einem starken Genuß. Tragikomödie. Die Moderne hat ein Ur¬
Die Spuren der Dichtung waren unverwisch= bild dieser Spielart vorgeschaffen in der
bar. Jedenfalls erreichte man im Spiel „Wildente'. Gröber, grotesker gibt sich
teilweise, vornehmlich aber hinsichtlich der Wedekinds „Hidalla“. Allerhand von Shaw
Inszenierung, einen wirkungsvolleren Grad fügte sich hier ein: „Frau Warens Ge¬
als jüngst bei Kleists „Penthesilea“. Hebbel werbe“ zum Beispiel. Aber Schnitzlers
führt uns die Helden unserer mythischen Drama ist kein Wehschrei aus komischen
Vorzeit in ihrer zeitlichen Eigenart wie all= Verrenkungen und lächerlichen Beschränkt¬
gemeinen Menschlichkeit gleich lebendig und heiten heraus, ist keine Tragikomödie, so¬
abwechslungsreich vor; er ist Dichter ge= fern man unter solcher das Ineinander¬
nug, darauf verzichten zu können, sie ver= wirken, das gegenseitige dramatische Durch¬
kleinernd zu modernisieren, oder gar zu dringen von erschütternden und erheiternden
hysterisieren. Es bedürfte einer eingehenden Elementen begreift. Bei ihm sind die ver¬
Studie, wollten wir hier zu Wort bringen, schiedenen Temperamente bloß äußerlich zu¬
was sich etwa gegen die dramatische Expo= einander, nebeneinander gesellt. Seine Kom¬
sition der Stücke, zumal des dritten Teils, position ist etwa die Sudermanns im
der an einigen Längen leidenden „Kriem= „Blumenboot“, eine Technik der helleren
hilds Rache einwenden ließe. Es hat wohl Zwischenakte und der lustigen Seiten¬
seinen Grund darin, daß der Dichter nicht personen. Das heißt, Schnitzler suchte das,
wie bei seinen großen orientalischen Dramen was er psychologisch formen und prägen
„Judith“ und „Herodes den Stoff frei ge= wollte, nur an zweien herauszuentwickeln,
staltete und die Fabel in der Einzelheit so jene Erkenntnis der Relativisten und Neu¬
erfand und modelte, wie er sie für die dra= romantiker, daß die Seele ein weites Land
matische Entladung an konzentriertesten zur ist, ein Irrsal, daß man nie weiß, was
Geltung bringen konnte. Er hielt sich hinter den Worten der anderen sich deckt,
hier bezüglich der Konstruktion streng an welchen Motiven die fremden Taten ent¬
den Gang des breit angelegten Epos. So springen, und jenes verwirrend Trübe, daß
wundert uns für die dramatische Form z. B. man kaum etwas vom eigenen Wesen be¬
das stillschweigende Ausscheiden Brunhil= Arthur Schnitzler, Das weite Land. Eine Tragi¬
dens, deren Existenz doch Ursache für Tod komödie in 5 Akten. (S. Fischer, Berlin.)
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