II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 348

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24. Das veite Land
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Rundschau
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hält. Fritz Hofreiter liebt mit der und lungsablauf gewisser Richtlinien und Finger¬
jener an seiner Gattin vorbei, bis auch sie zeige bedarf, wenn sein Ausgang nicht ver¬
sich verstrauchelt. Und den tragischen Angel= blüffen, sondern offenbaren und bestätigen
punkt bildet dieses, daß man sich nie los= soll. Darum muß in das Dunkel zuweilen
zuwinden vermag von denen, die uns mit eine orientierende Helligkeit fahren. Da
Galle und Wermut füllen, daß Freundschaft treten die Neben= und Parallelfiguren an.
und Liebe nie von dem abhängen, „was Es ist eigentlich auffallend, wie weit nun
man für Erfahrungen macht. Sonst täten diese, auch wenn sie nicht ins Komische
ja die Enttäuschungen nicht weh . . . wenn ausgeschweift sind, von dem Paar im Kreis¬
damit die inneren Beziehungen einfach aus punkt abstehen. Nicht als ob ihre sittliche,
wären. Aber daß man doch immer aneinan= ihre Gefühls=, ihre Kultursphäre eine andere
der hängen bleibt ... das"! Mir scheint, wäre. Durchaus nicht. Zum Teil empfin¬
als ob in diesen paar Sätzen die tiefste den und durchleben sie sogar dieselben Ge¬
Erfahrung zitterte, Dichterisches, das über
schicke oder haben sie durchgelebt. Aber sie
das viele Nomanhafte des Stückes hinaus= wenden sich anders wie das Paar, sie
hebt.
drücken sich anders aus. Sie wenden sich
Solches Ringen zwischen Seelen baut sich zu, nicht ab. Sie reden aus sich heraus.
im Gegensatz zum Aktionsdrama eine eigene Ihre Sprache hat nichts zu verbergen. Sie
Zwiesprache, einen Dialogue intérieur, der überleuchten auch die Untergefühle der ver¬
nicht vorwärts stößt und laut fordert, der deckten Mittelpersonen. Sie verdeutlichen.
nur sucht und ausbiegt, pocht und ängstigt. Das ist der dramaturgische Zweck ihrer
Zögernde Worte gehen darin, schämige, Worte und Schicksalslose. Ersteht doch selbst
schleppende, verwischende und unzureichende der Näsoneur des französischen Sittenstücks
im Vielsinn. Ei enthüllt nicht, er verhüllt, wieder. Allerdings, wer den Doktor Mauer
Kaum daß er inhaltlich etwas ausbreitet. schärfer besieht, der gewahrt bald, was
Er schlägt nur einen Gefühlston an. Nein, diesen gegen die Klugsprecher Sardous und
er schlägt ihn auch nicht an. Dieser Ton Dumas oder auch Sudermanns abtönt:
löst sich plötzlich aus dem Unbewußten, er soll zunächst keinen moralischen Tert,
Unterbewußten. Dann wird der erregte sondern eine psychologische Erläuterung
Einfall in die Rede des anderen oder das unterlegen. So hat ja auch das Gleichnis
rasche Abschneiden einer Wortfolge zum von dem weiten Land und der Seele, das
Verräter des zerfurchten Inneren. Der Ton eine Parallelfigur im dritten Akt gesprächs¬
wird zum Verräter, die Tonstärke, das weise hereinwirft, die Hauptcharaktere see¬
Tempo, die Pause, der Rhythmus, nicht lisch zu deuten.
das begrifflich einzeichnende Wort an sich. Wie immer bei Schnitzler knüpft sich an
Es mag dramaturgisch ein Mangel sein, das Kernproblem noch allerlei an gedank¬
aber der ist in der Eigenart der Dichtung lichen Motiven und poetischen Stimmungen.
begründet, daß in den fünf Akten nur ein Wieder der Ton vom Sterben. Nicht wie
einziges Wort von wirkender, aufreizender bei Halbe ein Fiedelstrich von weicher Me¬
Schnellkraft losspringt, und das geschieht lancholie, eine liedhafte Nachklage dem, was
in der Peripetie und führt die Katastrophe an Jugend und Lebensfeuern hinschwand,
herbei. Wenn Fritz Hofreiter dem Buhlen sondern eine Überspannung aller Saiten,
seiner Frau zuruft: „Sie sind feig,“ so der Tod als dramatischer Gegensatz und
kommt das wie ein Tigersprung aus den Steigerungsfaktor, als das Ausmaß aller
Dschungeln.
menschlichen Dinge, als Heiligstes, als Sa¬
Schnitzler ist versiert genug, um zu er= krosanktum. Freilich Worte und Situationen
kennen, daß ein Drama, lediglich auf sol= von so einwühlender Ergriffenheit wie in
chen Dämmerdialog gefügt, den Hörer er= den „lebendigen Stunden, von so grausem
müdet, statt ihn fortwährend neu zu Dämmerschein wie in den „letzten Masken“
spannen, und er weiß auch, daß ein Hand= fand der Dichter hier nicht mehr. Eine