24. Das veite Land
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dadurch klar, daß er nach dem Reigen nun gar noch „Kiki“ gibt.
Herr Sladek hätte den abgespielten Reigen, den nur der Prozeß wieder
spielbar machte, jetzt nicht aufnehmen sollen. Aber in diesem Augen¬
blick tat ihm der Staatsanwalt durchaus unrecht. Das Stück „Kiki“
wie es im Buche stehen mag, ist ein Schund, aber ich werde nie ohne
Freude daran denken, weil ich zugleich an Käthe Dorsch denken muß.
Sie hat Schund zur Kunst gemacht.
Und somit komme ich auf das Lustspielhaus, von dem ich vor
kurzem sagte, daß es durch Herrn Heinz Saltenburg literarisch einge¬
weiht worden sei. Worauf der frühere Herr, Doktor Martin Zickel,
wieder sagte, daß er erstens nicht anders angefangen habe und daß
zweitens Literarisch ein scheußliches Wort sei. Ist es auch; Herr
Zickel hat ganz recht, und wenn ich das Wort brauche, so bedeutet es
nur einen ironischen Vorschuß, der außerdem wieder eingefordert wer¬
den kann. Herr Saltenburg hat Schmidt=Bonn, dann Gerhart Haupt¬
mann gegeben und gibt nun Heinrich Lautensack. Das ist sehr schön,
so viel durften wir garnicht von ihm verlangen, aber er muß nun
auch anfangen, gutes Theater zu machen. Und dazu genügt nicht die
Anwerbung von drei Prominenten, wenn ich so galant bin, auch
Frau Else Bassermann zu den Prominentinnen zu rechnen.
In seinem Frühwerk „Hahnenkampf“ verbreitet Lauten¬
sack Zuständliches aus Niederbayern, besonders aus der Passauer
Gegend, zu deren Erforschung ich kein Konversationslexikon brauche.
Ich habe da einmal in hellblauen Hosen ein Manöver und fünf
Wochen tiefstes Mittelalter mitgemacht, so tief, daß man in zäher Er¬
innerung an die alten Landsknechte noch nicht einmal die modernen
Soldaten leiden konnte. Von der Kanzel predigten die Priester gegen
die Verführungskunst in hellblauen Hosen, die jungen Cooperatoren
gründeten Jungfrauenbünde, und die jungen Burschen stachen nach
uns mit Messern, wo irgend sich nächtliches Liebesgeflüster vernehmen
ließ.
Durch den so elend und so früh gestorbenen Dichter Lautensack
erfahre ich nun, daß die Eingeborenen unter einander gar nicht so
schlimm sind. Sie halten fest und treu zusammen, besonders wenn
es in einem Wildererprozeß — Auge um Auge, Kugel um Kugel, —
etwas zu schwören gibt, und die Honoratioren des Marktfleckens teilen
sich auch vorurteilslos in die allseitig gefällige Innocentia, die übri¬
zens aus Berlin sein könnte, wenn es auf Frau Bassermann allein
ankäme. Nur der neue blöde Gendarm will nicht teilen, der wenn
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dadurch klar, daß er nach dem Reigen nun gar noch „Kiki“ gibt.
Herr Sladek hätte den abgespielten Reigen, den nur der Prozeß wieder
spielbar machte, jetzt nicht aufnehmen sollen. Aber in diesem Augen¬
blick tat ihm der Staatsanwalt durchaus unrecht. Das Stück „Kiki“
wie es im Buche stehen mag, ist ein Schund, aber ich werde nie ohne
Freude daran denken, weil ich zugleich an Käthe Dorsch denken muß.
Sie hat Schund zur Kunst gemacht.
Und somit komme ich auf das Lustspielhaus, von dem ich vor
kurzem sagte, daß es durch Herrn Heinz Saltenburg literarisch einge¬
weiht worden sei. Worauf der frühere Herr, Doktor Martin Zickel,
wieder sagte, daß er erstens nicht anders angefangen habe und daß
zweitens Literarisch ein scheußliches Wort sei. Ist es auch; Herr
Zickel hat ganz recht, und wenn ich das Wort brauche, so bedeutet es
nur einen ironischen Vorschuß, der außerdem wieder eingefordert wer¬
den kann. Herr Saltenburg hat Schmidt=Bonn, dann Gerhart Haupt¬
mann gegeben und gibt nun Heinrich Lautensack. Das ist sehr schön,
so viel durften wir garnicht von ihm verlangen, aber er muß nun
auch anfangen, gutes Theater zu machen. Und dazu genügt nicht die
Anwerbung von drei Prominenten, wenn ich so galant bin, auch
Frau Else Bassermann zu den Prominentinnen zu rechnen.
In seinem Frühwerk „Hahnenkampf“ verbreitet Lauten¬
sack Zuständliches aus Niederbayern, besonders aus der Passauer
Gegend, zu deren Erforschung ich kein Konversationslexikon brauche.
Ich habe da einmal in hellblauen Hosen ein Manöver und fünf
Wochen tiefstes Mittelalter mitgemacht, so tief, daß man in zäher Er¬
innerung an die alten Landsknechte noch nicht einmal die modernen
Soldaten leiden konnte. Von der Kanzel predigten die Priester gegen
die Verführungskunst in hellblauen Hosen, die jungen Cooperatoren
gründeten Jungfrauenbünde, und die jungen Burschen stachen nach
uns mit Messern, wo irgend sich nächtliches Liebesgeflüster vernehmen
ließ.
Durch den so elend und so früh gestorbenen Dichter Lautensack
erfahre ich nun, daß die Eingeborenen unter einander gar nicht so
schlimm sind. Sie halten fest und treu zusammen, besonders wenn
es in einem Wildererprozeß — Auge um Auge, Kugel um Kugel, —
etwas zu schwören gibt, und die Honoratioren des Marktfleckens teilen
sich auch vorurteilslos in die allseitig gefällige Innocentia, die übri¬
zens aus Berlin sein könnte, wenn es auf Frau Bassermann allein
ankäme. Nur der neue blöde Gendarm will nicht teilen, der wenn
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