II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 354

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Kopf das prüfende Ohr, das einem doch schließlich aufzutreibenden
Regisseur an denselben gewachsen sein muß.
Seht mal auf Rotters, die das früher auch selbst machten, und
die mich nach einigen etwas kompromittierlichen Tagen mit dem
Weiten Land geradezu herausgerissen haben. Ich hatte einen
englischen aber doch gebildeten Schauspieler durch die Berliner Theater
zu führen, der sich bei vieler Anerkennung darüber wunderte, daß
seine Kollegen hier fast alle wie für Taubstumme spielen. Ich sagte,
das sei neuer Stil und das hänge mit dem Expressionismus zu¬
sammen. Worauf er meinte, daß das wohl alter Stil sei, und daß
er ihn zu Hause schon vor zwanzig Jahren erlebt habe. Worauf ich
wieder meinte, daß das noch älterer Stil sei und daß ich ihn vor
dreißig Jahren zu Hause erlebt habe. Aber das Weite Land, sagte
er, sei die einzige Vorstellung, die ihm im ganzen gefallen habe, deut¬
lich, doch nicht aufdringlich. Diese Deutlichkeit, sagte ich nun wieder,
kommt von dem Regisseur Arnold Korff, der mit seiner Burgtheater¬
wradition das Wesentliche der Handlung gern nach vorn und die
Menschen dazu gern en face stellt. Und die anständige Diskretion
komme daher, daß die Brüder Rotter, die eine neue Schicht des
Theaterpublikums erfaßt haben, beim Expressionismus noch nicht an¬
gelangt seien. Worauf mein Freund dann meinte, daß sie es auch
bleiben lassen sollten, und ich wieder meinte, daß es sich auch kaum
noch lohnen würde.
Ich war also zum ersten Male mit Rotters und auch mit Herrn
Korff einverstanden, der in dem Friedrich Hofreiter viel reifes Kön¬
nen von altem Liebhabertum aber auch das Letzte uund Wesentliche,
die zugleich brutale und melancholische Seelennotwehr des Mannes
von fünfzig Jahren unterbrachte. Die Genia von Irene Triesch be¬
wunderte ich so gut wie vor fünfzehn Jahren. Wenn man sie zuerst
sieht mit den allzu stark geschminkten, allzu rund geschwungenen
Augenbrauen und dem etwas angestrengten Edelmut darunter, so
denkt man: es geht nicht. Es geht aber doch, sobald sie in Bewegung
kommt, weil sie als beoeutende Schauspielerin die Erscheinung recht¬
fertigt, weil in dieser Erscheinung Wesen steckt. Und man sollte es
einem Künstler wirklich nicht übel nehmen, wenn sein Temperament
sich von seinem Können so rund und klar ausformen läßt. Und das
gilt auch für die tragische Mutter und Schauspielerin von Rosa
Bertens. Alles in allem: es wurde auch von den anderen ausgezeich¬
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