II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 355

box 28/5
24. Das veite Land
netes Theater gemacht, das Theater von gestern und von morgen, das
sich gegen alle Revolutionen und Stilerneuerungen immer wieder fest¬
setzt. Und das einer Tragikomödie von gesellschaftlichem Nimbus, wie
es das Weite Land ist, auch durchaus zusteht. Etwas weit ist dieses
Land allerdings. Wer hat heute noch das Recht auf fünf Akte? Und
wie schön hätte dieses aus ironischer Melancholie und weltmännisch
verhaltener Entrüstung geschaffene Stück — übrigens auch ein
Reigen mit seinen verschlungenen Liebespaaren — sich in drei, höch¬
stens vier Akten auswiegen lassen, wenn sich Schnitzler nicht in allzu
pietätvoller Anhänglichkeit an diese Wiener Gesellschaft von 1900
ausgeschwelgt hätte.
Vater einer Schauspielerin von Kurt Martens
On meiner Jugend habe ich für Schauspielerinnen, für ihre
Kunst oder ihre Person, viel geschwärmt, je jünger desto
glühender; liegt's nicht schon im Blute, so kommt es von außen
hinein und, nach der Talion der Vererbungstheorie bei den Kindern
von innen wieder heraus.
Meine erste glücklich weil wahrhaft leichtbeschwingte, souveräne
Liebe ist eine Schauspielerin gewesen. Es war die jüngste, hübscheste
und talentloseste unsres Leipziger Ensembles. Meinem Rate folgend
gab sie die künstlerische Laufbahn auf und heiratete mit meinem Segen
einen Postsekretär. Später bin ich Damen vom Theater bald hier
bald dort begegnet, auf Proben und nach Premieren, in Salons und
an Stammtischen, habe ihnen zuweilen auch in der Presse Kompli¬
mente gesagt (mit denen sie nie zufrieden waren), und je mehr ich
zum Manne heranreifte, desto mehr kühlten unsre persönlichen Be¬
ziehungen sich ab. Auf den Gefrierpunkt gerieten sie, als sie vor
zehn Jahren einmal den dramatischen Autor in mir kennen lernten.
Da mußte ich schließlich der Nürnberger Liebhaberin, weil sie nichts
weniger als eine Liebhaberin meines Stückes war, innerlich ergrimmt
den Hof machen und war nun glücklich so weit, daß ich weibliche Komö¬
dienkünste nur noch aus der Ferne und ganz platonisch verehrte — doch
schon hatte mir der Theaterteufel sein Kuckucksei in mein eigenes
Nest gelegt.
Unser einziges Kind, eine scheinbar hrav und bürgerlich erzogene
höhere Tochter (wenigstens hatte sich meine Frau alle Mühe mit ihr
273