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box 29/1
—d-BeiteLand
Zeitung
Datum:
19.Okt. 1911
Aus Chemnitz.
Neues Theater: Heute Donnerstag: Romeo und Julia“
Altes Theater. Heute Donnerstag: „Die romantische
Frau“.
Theater und Musik.
Das weite Land. Im Neuel Theater zu Leipzig erzielte bei der
Uraufführung am 14. Oktober Artur Schnitzlers Tragikomödie „Das
weite Land“, wie bereits telegraphi###gemeldet, einen hübscher¬
Darstellungserfolg, der ehrlich verdient war. Damit ist eigentlich so ziem
lich alles gesagt, was sich Gutes über diesen Aufführungsabend sagen
läßt. Denn über die sogenannte Tragikomödie, die vieles teilweise gan
erheiterndes und unterhaltendes, teilweise, ja zum überwiegend größten
Teil langatmiges, geradezu ermüdendes Wiener Geplausch und kaum ein
wirklich unsere Teilnahme fesselnde Figur, dafür eine zerfahrene, ziem¬
lich schleppende und wenig spannende, sogar des Reizes der Neuheit ent¬
behrende Handlung hat, läßt sich Lobendes eigentlich beim besten Wille;
nicht sagen, über den recht gesuchten Titel „Das weite Land“, unter de¬
wir uns nach einer Andeutung im 3. Akt die Seele vorstellen sollen, aua
nichts. Wirkliche Bewunderung verdiente nur das Publikum, das 3½.
Stunde aushielt, um dann die Ueberzeugung mit nach Hause zu nehmen,
daß es von dem schlauen Wiener Dichter sozusagen genasführt worden
war und keiner Tragikomödie, sondern einer ganz gewöhnlichen Wiener
Bürgertragödie beigewohnt hatte, die es wirklich nicht wert war, daß
gleichzeitig 13 Bühnenleiter sich um das Uraufführungsrecht bewarben;
das Schauspielhaus zu Frankfurt a. M. kam infolge Erkrankung einer
Darstellerin schließlich zu seinem Glück um die Ehre, als 13. Bühne sich
an dem nicht sonderlich erfreulichen Wettkampf zu beteiligen. Ob es sich
wirklich der Mühe gelohnt hat, um den Ehebruch einer reichen Ehebrecherin,
wie dieser Wiener Fabrikantenfrau Genia Hofreiter, deren Gatte, auch
im Grunde nicht das Urbild ehelicher Treue, den noch ziemlich grünen
Liebhaber seines Weibes im Duell niederschießt, fünf Akle herumzu¬
schreiben, darf billig bezweifelt werden, ohne daß man deshalb gleich so
boshaft zu sein braucht, das Wort „Verbrecher“, das der Verfasser auf
einem sein Stück auch nicht verschönernden Dichter scherzhaft anwendet
allen Ernstes auf ihn selber anzuwenden. Herr Huth hatte das Stück
ganz prächtig inszeniert, nur einen Vorwurf darf man ihm nicht er¬
sparen, den, daß er den Rotstift in allzu schonender Weise gehandhabt
at; schon die Hälfte der fünf Akte hätte ausgereicht, und das an der
Geduld des Publikums ausgeübte Verbrechen, um im Bilde unseres
Dichters zu bleiben, wäre wenigstens mehr entschuldbar gewesen als so.
Von den Darstellern verdienen besonders Herr Walter und Fräulein
Wolewska als das Ebepaar Hofreiter ehrenvolle Erwähnung.
Prof. Dr. Karl Siegen.
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—d-BeiteLand
Zeitung
Datum:
19.Okt. 1911
Aus Chemnitz.
Neues Theater: Heute Donnerstag: Romeo und Julia“
Altes Theater. Heute Donnerstag: „Die romantische
Frau“.
Theater und Musik.
Das weite Land. Im Neuel Theater zu Leipzig erzielte bei der
Uraufführung am 14. Oktober Artur Schnitzlers Tragikomödie „Das
weite Land“, wie bereits telegraphi###gemeldet, einen hübscher¬
Darstellungserfolg, der ehrlich verdient war. Damit ist eigentlich so ziem
lich alles gesagt, was sich Gutes über diesen Aufführungsabend sagen
läßt. Denn über die sogenannte Tragikomödie, die vieles teilweise gan
erheiterndes und unterhaltendes, teilweise, ja zum überwiegend größten
Teil langatmiges, geradezu ermüdendes Wiener Geplausch und kaum ein
wirklich unsere Teilnahme fesselnde Figur, dafür eine zerfahrene, ziem¬
lich schleppende und wenig spannende, sogar des Reizes der Neuheit ent¬
behrende Handlung hat, läßt sich Lobendes eigentlich beim besten Wille;
nicht sagen, über den recht gesuchten Titel „Das weite Land“, unter de¬
wir uns nach einer Andeutung im 3. Akt die Seele vorstellen sollen, aua
nichts. Wirkliche Bewunderung verdiente nur das Publikum, das 3½.
Stunde aushielt, um dann die Ueberzeugung mit nach Hause zu nehmen,
daß es von dem schlauen Wiener Dichter sozusagen genasführt worden
war und keiner Tragikomödie, sondern einer ganz gewöhnlichen Wiener
Bürgertragödie beigewohnt hatte, die es wirklich nicht wert war, daß
gleichzeitig 13 Bühnenleiter sich um das Uraufführungsrecht bewarben;
das Schauspielhaus zu Frankfurt a. M. kam infolge Erkrankung einer
Darstellerin schließlich zu seinem Glück um die Ehre, als 13. Bühne sich
an dem nicht sonderlich erfreulichen Wettkampf zu beteiligen. Ob es sich
wirklich der Mühe gelohnt hat, um den Ehebruch einer reichen Ehebrecherin,
wie dieser Wiener Fabrikantenfrau Genia Hofreiter, deren Gatte, auch
im Grunde nicht das Urbild ehelicher Treue, den noch ziemlich grünen
Liebhaber seines Weibes im Duell niederschießt, fünf Akle herumzu¬
schreiben, darf billig bezweifelt werden, ohne daß man deshalb gleich so
boshaft zu sein braucht, das Wort „Verbrecher“, das der Verfasser auf
einem sein Stück auch nicht verschönernden Dichter scherzhaft anwendet
allen Ernstes auf ihn selber anzuwenden. Herr Huth hatte das Stück
ganz prächtig inszeniert, nur einen Vorwurf darf man ihm nicht er¬
sparen, den, daß er den Rotstift in allzu schonender Weise gehandhabt
at; schon die Hälfte der fünf Akte hätte ausgereicht, und das an der
Geduld des Publikums ausgeübte Verbrechen, um im Bilde unseres
Dichters zu bleiben, wäre wenigstens mehr entschuldbar gewesen als so.
Von den Darstellern verdienen besonders Herr Walter und Fräulein
Wolewska als das Ebepaar Hofreiter ehrenvolle Erwähnung.
Prof. Dr. Karl Siegen.