24. Das e usete e ee ene Seee e
box 29/1
zum mindesten stark verwischt sind. Aber als eines
Tages ein guter Freund des Hauses, ein junger
Klaviervirtnose, sich erschießt, weil ihn Frau Genia
nicht erhörte, bringt diese Tugendhaftigkeit seiner
Frau den leichtherzigen Hofreiter in nicht geringe
Verlegenheit. Er fühlt sich unbehaglich neben ihr,
flieht ihre Nähe und fängt auf einem Abstecher in
die Schweiz schleunigst eine neue Liebschaft an, die
nach seinem Willen sogar zur Ehe führen soll. Frau
Genia, von ihrem Gatten so oft durch Untreue be¬
leidigt, fängt unterdes daheim nun auch eine Lieb¬
schaft mit einem grünen Jungen an, einem Marine¬
jähnrich. Hofreiter, kopflos geworden durch seine
jüngste Aventiure, kehrt heim und gerät völlig aus
dem Gleichgewicht seiner gewohnten Gleichgültigkeit,
wo er doch — nach seinem Sittenkodex — zufrieden
sein könnte, daß Frau Genia sich endlich revanchiert
und ihn nicht mehr beschämt durch ihre Tugend und
Treue. Er fordert den Fähnrich heraus und schießt
ihn über den Haufen. „Wenn es Haß wäre —
Wut¬
— Eifersucht — Liebe.
„Na ja, von dem ver¬
spür ich allerdings verdammt wenig. Aber man will
doch nicht der Tropf sein.“ Genia flieht den „Mörder“
Ein unentwegter Schildträger Schnitzlers hat vor
paar Tagen in einem Blatte diese fünf Akte
schlechter psychologischer Parterregymnastik mit Ibsen
in einem Atem genannt. Mir scheint, ein Vergleich
mit der Gott sei Dank! überwundenen Dänin
Karin Michaelis liegt beträchtlich näher. Die
Seele ein weites Land? Von der „Seele“ kann doch
hier nur die Rede sein als von dem Oedland in der
Brust eines sittlich entarteten Genüßlings. Und auch
die emme de trente ans, Frau Genia, scheint ihre
eheliche Treue neben einem Hofreiter mehr als einen
interessanten Sport angesehen zu haben. Sie weiß
durch den Freund und Hausarzt von allen Lieb¬
schaften ihres Mannes, geht sogar mit seinen Ge¬
liebten gesellschaftlich um. Kann man da noch von
Seele reden? Ja, weitherzig sind diese beiden
Leute und von einem fast pervers zu nennenden
Empfinden. Wie gesagt: Produktionen auf dem
psychologischen, nein pathologischen Seil. Ein
lgesunder Magen erbricht sich an solcher Kost.
Obendrein ist das Ganze noch langweilig. Es ist
charakteristisch genug für Schnitzler, daß er selber
dieses Stück unter das Zeichen des Tennisspiels und
Bergkraxelns gestellt hat. Und obendrein ist
lässiger Wiener Ton darin, der uns ernsteren
Deutschen nicht behagen kann. Einzelne Akte sind
dürftig und gehaltlos, unsicher in der Linienführung.
Der zweite wirkt rein expositionell, der dritte
will sich humoristisch geben, bleibt aber kläglich. Der
vierte ist am wertvollsten, könnte aber gleich an den
zweiten anknüpfen. Der Schlußakt ist für die Ab¬
rechnung kurz und schwer genug. Ausschließlich in
diesen beiden letzten Akten erkennen wir den klugen
und berufenen Schöpfer früherer Werke in Schnitzler
gern wieder.
Das Stück wirkt notgedrungen unsympathisch
und ruft bei allen anständig Empfindenden ein
starkes Befremden, ja Widerwillen hervor, den
eine gute Wiedergabe dieses zu drei Fünfteln
gänzlich untheatralischen Bühnenwerkes nur noch
steigen wird. Die Besetzung durch unsere Darsteller
kam der „Tragikomödie“ überall zugute. Den ge¬
schmeidigen, energischen Kavalier Hofreiter spielte
Herr Walter mit der ganzen, ihm eigenen klugen
Ueberlegenheit. Er war vielleicht nicht immer
„liebenswürdig“ genug. Seiner Gattin Genia lieh
Fräulein Nolewska weiche und warme Töne, die
dem Schnitzler=Michaelesschen Frauentyp Leben ein¬
flößten. Sie gab darüber hinaus weit mehr, als diese
Rolle verdient, und war besonders in den letzten
Akten überzeugend in der Tragik verratener Liebe.
Die einzige Figur, der man von Herzen zustimme.
mag in diesem Stück, die lebenskluge Schauspielerin
Anna Meinhold, gab Frl. Schippang vortrefflich
wieder, und als ihr geschiedener Gatte der posierende
Glücks= und Liebesritter, war Herr Kothe wieder
am rechten Platze. Sein Sohn blieb oft unverständ¬
lich. Die Episode Erna füllte Fräulein Fuchs tem¬
peramentvoll aus, und Herr Wendt stand sympa¬
thisch als reflektierender, hilfsbereiter Freund und
Arzt in diesem korrupten Kreise. Auch ihn, den
Dr. Mauer, muß man als einen anständigen Men¬
schen, den einzigen unter den andern ansprechen. D
übrigen Darsteller der vielen kleinen Rollen traten
nirgendwo störend hervor. Famos war Herr Demme
als Dichter in der Maske von Hermann Bahr.
Die Aufnahme des Stückes war bei dem ausver¬
läuften Hause natürlich eine sehr geteilte. Die Tragi¬
komödie wurde lebhaft diskutiert, Akt für Akt von
der Mehrzahl mit Beifall belohnt und von den
Freunden einer gediegenen Kunst angezweifelt und
ausgezischt. Summa: Noch nicht einmal ein unbe¬
strittener Darstellererfolg.
Warum auch? Wer Mut genug hat, mit der
ganzen modernen Richtung dieser Art abzurechnen,
behankt sich für solche unwahrhaftige Thea¬
terei auf das allerenergischste, und wenn sie auch
von Arthur Schnitzler kommt. Paul Schaumburg.—