II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 400

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24. Das veite-Land
die schauspielerische Leistung und die Kulisse. Nun, Carl
jammerzustände. Denn „Das weite Land“ — das ist nichts
Hagemann, dessen eigenster Geschmack freilich wohl ganz an¬
anderes als die Liebe mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten,
dere Wege geht, weiß doch ganz gut jedem Drama das Seine
verehrte Leserin. Wenn Schnitzler aber weiter rätselt, daß
eite Land“.
zu geben und so war seine Inszenierung dieses neuesten
sie immer ein Chaos sei und zum Chaos führe, so gilt das
Schnitzler ganz auf üppige Schauwirkung gestellt und ent¬
hoffentlich nur für diese Zeit der Masse. Früher galt sie
Schauspielhause.
faltete in den von einem verfeinerten Geschmack komponier¬
als der Urtrieb zum Kosmos.
ten Landschaften und Interieurs allen Zauber der Kulisse.
Ein „fait divers“, das mehr die sensationslüsternen
ödie behandelt ein Motiv
Und die Darsteller erschöpften sich in feinen und komplizierten
Nerven als den Intellekt beschäftigt, liegt dem Werk
Port „Gesellschaft“ klingt
Leistungen, um alle Nuancen in den Stimmungen des
zugrunde: Der im „gefährlichen Alter stehende reiche Fabri¬
dazu gelegentlich die
„weiten Landes“ herauszubringen. Meisterlich gelang dies
kant Hofreiter, ein verheirateter Ang#l hat eine reizende
nisere Ideologie, daß wir
besonders Robert Nhil mit seinem Fabrikanten Hofreiter.
Frau, ist aber gelegentlichen anderen Liebesaffären durchaus
k, wo es nichts als sehr
Konrad Gebhardt in der Rolle des Marinefähnrichs, Carl
nicht abgeneigt. Die arme Frau, die ihren Mann inbrünstig
mehr als witzig, sie ist
Wagner als idealistisch angehauchtem Dr. Mauer und Hans
liebt, gerät nun in den Verdacht, daß sich ihretwegen ein junger
etzende Entpersönlichung,
Andresen in seinem Natter getauften Tartüff; aber auch
Russe erschossen habe. Der Gatte, der von ihr die Konzentra¬
n der Gegenwart hat alle
die
die Damenrollen lagen in den besten Händen, was
tion der Zuneigung, die Treue, erwartet, die er selber um die
in brutale Geldunter¬
ophelienhafte Genia Marie Elsingers, die kapriziöse Erna
Welt nicht aufbringen könnte, gerät darüber in Unruhe, ob¬
st heute nur soviel wert,
Paula Siltens, die Frau Wahl Margarete Otto=Körners und
wohl sie ihm nachweist, wie unbegründet sein Verdacht sei.
katie ist ein schlechter
die Anna Meinhold Franziska Aigners bewiesen. Von den
Um seine Unrast zu überwinden. läßt er sich in eine Liebelei
okratie. Armer Dichter,
sonstigen Darstellern seien noch Heinrich Langs Dr. Aigner,
mit einer jungen frühreifen Dame ein, erkennt aber, daß
kischten Gesellschaft gerecht
Paul Ellmars Gustav, Ludwig Brahms Portier Rosenstock,
sie ihm nur die überschwängliche, aber vergängliche Neigung
angreifend, die Komödie
Emil Stettners Schriftsteller Rohn und Tony Heydorns
einer unerfahrenen Seele entgegenbringt und wird sich zum
e macht doch immer noch
Adele erwähnt.
erstenmal seines „gefährlichen Alters“ bewußt. Er wundert
zu werden, denn in der
Das Publikum, obwohl in seinen Erwartungen getäuscht,
sich selber, daß er jetzt in erneuter Liebe zu seiner Frau ent¬
das um so mehr, als sie
war gutmütig genug, dem Stück einen freundlichen Empfang

— aber die Liebe, tröstet er sich, ist „ein weites
brennt
schluß der „Obrigkeit“
zu bereiten.
Land“. Doch seine Frau gerät jetzt bei ihm in
ärt, die letzten Mythen hat
Iven Kruse.
den Verdacht, eine Liaison mit einem jungen Marinefähnrich
schbazar aufgekauft. Aber
zu unterhalten. Diese Menelaos=Rolle ist seiner egoistischen
Kubriken: „Verschiedenes“
Eitelkeit (denn eines wirklich tragischen Gefühls ist seine Seele
eibericht“. Diese Dinge
trotz ihrer Weiträumigkeit nicht fähig) zu viel; er beleidigt
Theater und Kunst.
r“. Und diese Rubriken
den jungen Dachs, duelliert sich mit ihm und erschießt ihn.
gung. in sein „Sehr viele
Hamburg, den 15. Oktober.
Der Zynismus, mit dem er seine Handlungsweise vor sich
ng. Tragik plus Komik
selber und den anderen zu rechtfertigen sucht, hat etwas
= [Theaterprojekt der Berliner Neuen Freien Volksbühne.]
rdform der heutigen Ge¬
Grauenhaftes. Aber — so ist das Leben“, wenigstens das
Der Plan, ein eigenes Haus zu errichten, den die Neue Freie
stardform der Dramatik.
Leben der Gegenwart, das schwerfällig=schwunglos eine Tragi¬
Volksbühne seit langem hegte, ist der Verwirklichung um einen
verwischt. Noch Lessing
komödie an die andere reiht. Und Schnitzler lächelt melan¬
bedeutenden Schritt näher gerückt, wenn man auch, wie die
machte den Begriff der
Direktion mitteilt, von einem definitiven Abschluß heute noch nicht
cholisch dazu und hofft bewiesen zu haben, daß die heutige
Hilarotragödie lächerlich,
sprechen kann. Als Bauplatz ist das Gelände des ehemaligen
konventionelle Ehe mit oder ohne Ehebruch keine Ehe mehr
be, den tragischen und den
Scheunenviertels in Aussicht genommen, von dem der am günstigsten!
ist. Aber was nützt dieser Beweis seinen Zuhörern? Und
und Zermischung Trumpf
gelegene Teil, der Bülowplatz, von den Eigentümern des Terrains
wie schwerfällig rückt die Handlung vom Fleck, wie verworren
krlei anderen Auffassungen
der Neuen Freien Volksbühne zum Erwerb angeboten worden ist.
ist sie! Wirklich, auch Schnitzler wird alt ..
renziert“, um dies beliebte
Inzwischen sind von dem Architekten Oskar Kaufmann, dem Er¬
Solchen Dramen, denen es nur um eine Wirkung auf
bauer des Hebbeltheaters. die Baupläne entworfen und dem
die Nerven zu tun ist, muß die malerisch reiche Bühne zu
Ministerium der öffentlichen Arbeiten eingereicht worden. Hier
bei aller Ehrlichkeit, die
Hilfe kommen. Sie haben etwas Kinematoskopartiges, sie
lagern sie bereits seit dem Monat Juli, und es seht zu erwarten,
hgikomödie wählen ließ —
wirken nur bei höchsten szenischen Anstrengungen. Be¬
daß sie demnächst genehmigt werden. Sobald die Bauerlaubnis
hls Kind seiner Zeit und
merkenswert ist immerhin, daß die größten Schöpfungen der
erteilt und die Finanzierung des Projekts erledigt worden ist, soll
Größe abgeht, wird durch
Dramatik — wie übrigens fast aller Kunst — bei sehr un¬
mit dem Bau begonnen werden, der dann im Jahre 1913 vollendet
die Stelle der Idee tritt
sein dürfte. Nach den Plänen wird die Hauptfront des Theaters
vollkommener Technik entstanden sind; sie bedursten ihrer nur
blem: die Liebe schwindet.
an der Kaiser=Wilhelm=Straße liegen. Mit dem Theater sollen
als einer bescheidenen Gehülfin. Aber der nervöse Sensa¬
wird nicht mehr ernst ge¬
Konzert= und Vortragssäle verbunden sein. Der Zuschauerraum
tionalismus des heutigen Publikums stellt Ansprüche denen
ie Ehescheidung, der heim¬
wird zwei Ränge aufweisen. Im Interesse der großen Anzahl von
das Drama an sich nicht mehr genügt; vor allem ist die Schau¬
ch in dieser Tragikomödie
für erolische Katzen= lust stetig gewachsen und stetig gewachsen das Interesse für Mitgliedern der Neuen Freien Volksbühne wäre natürlich ein I.
Slach 6/0.41. Ang