We
box 2971
24. Das teLand
das ist nichts die schauspielerische Leistung und die Kulisse. Nun, Carl
Hagemann, dessen eigenster Geschmack freilich wohl ganz an¬
Möglichkeiten,
dere Wege geht, weiß doch ganz gut jedem Drama das Seine
er rätselt, daß
zu geben und so war seine Inszenierung dieses neuesten
te, so gilt das
Schnitzler ganz auf üppige Schauwirkung gestellt und ent¬
rüher galt sie
faltete in den von einem verfeinerten Geschmack komponier¬
ten Landschaften und Interieurs allen Zauber der Kulisse.
tionslüsternen
Und die Darsteller erschöpften sich in feinen und komplizierten
dem Werk
Leistungen, um alle Nuancen in den Stimmungen des
ereiche Fabri¬
„weiten Landes“ herauszubringen. Meisterlich gelang dies
eine reizende
besonders Robert Nhil mit seinem Fabrikanten Hofreiter.
fären durchaus
Konrad Gebhardt in der Rolle des Marinefähnrichs, Carl
nn inbrünstig
Wagner als idealistisch angehauchtem Dr. Mauer und Hans
gen ein junger
Andresen in seinem Natter getauften Tartüff; aber auch
die Konzentra¬
die Damenrollen lagen in den besten Händen, was die
selber um die
ophelienhafte Genia Marie Elsingers, die kapriziöse Erna
n Unruhe, ob¬
Paula Siltens, die Frau Wahl Margarete Otto=Körners und
Verdacht sei.
die Anna Meinhold Franziska Aigners bewiesen. Von den
n eine Liebelei
sonstigen Darstellern seien noch Heinrich Langs Dr. Aigner,
nnt aber, daß
Paul Ellmars Gustav, Ludwig Brahms Portier Rosenstock,
liche Neigung
Emil Stettners Schriftsteller Rohn und Tony Heydorns
wird sich zum
Adele erwähnt.
Er wundert
Das Publikum, obwohl in seinen Erwartungen getäuscht,
iner Frau ent¬
st „ein weites
war gutmütig genug, dem Stück einen freundlichen Empfang¬
zu bereiten.
bei ihm in
Iven-Kfuse.
Marinefähnrich
ner egoistischen
ist seine Seele
el: er beleidigt
erschießt ihn.
sweise vor sich
, hat etwas
wenigstens das
flos eine Tragi¬
lächelt melan¬
aß die heutige
keine Ehe mehr
hörern? Und
wie verworren
irkung auf
ühne zu
che
tiges,
n. Be¬
gen der
hr un¬
nur
Sensa¬
dene
jam
and
Schnitzler: „Das weite Land“.
ver
Uraufführung im Deutschen Schauspielhause.
hoff
als
Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie behandelt ein Motiv
aus dem Gesellschaftsleben. Das Wort „Gesellschaft“ klingt
Ner
sehr gewichtig. Franz Blei machte dazu gelegentlich die
zug
witzige Randbemerkung: „Es ist unsere Ideologie, daß wir
noch immer eine Gesellschaft denken, wo es nichts als sehr
3
viele Leute gibt.“ Sie ist jedoch mehr als witzig, sie ist
n
auch richtig. Die mechanische zersetzende Entpersönlichung,
die Enteignung des Einzelwillens in der Gegenwart hat alle
Rangunterschiede der früheren Zei# in bruiale Geldunter¬
tion
schiede verwandelt. Der Mensch ist heute nur soviel wert,
Wel
als er zahlen kann; unsere Plutokratie ist ein schlechter
woh
Bastard von Aristokratie und Demokratie. Armer Dichter,
wie willst du einer so disparat gemischten Gesellschaft gerecht
werden? Die Tragödie ist ihr zu angreifend, die Komödie
sie
unter Umständen zu verletzend. Sie macht doch immer noch
eine
erste
Ansprüche darauf, ernst genommen zu werden, denn in der
Regel ist sie völlig humorlos. Und das um so mehr, als sie
sich
über sich keine Mächte — mit Ausschluß der „Obrigkeit“ —
bren
anerkennt. Der Himmel ist entgöttert, die letzten Mythen hat
Lan
Richard Wagner wie in einem Ramschbazar aufgekauft. Aber
den
da ist noch die Zeitung mit ihren Rubriken: „Verschiedenes“
3
„Aus der Gesellschaft" und „Polizeibericht“. Diese Dinge
Eite
sind außerdem ja viel „interessanter“. Und diese Rubriken
trotz
gaben Schnitzler denn auch die Anregung, in sein „Sehr viele
Leute"=Milien Leben und Bewegung, Tragik plus Komik
5
plus Tragik zu bringen. Die Bastardform der heutigen Ge¬
se
sellschaft erlaubt auch nur eine Bastardform der Dramatik.
G
Alle Kunstbegrenzungen sind heute verwischt. Noch Lessing
ko
verwarf zwar die Mischspiele und machte den Begriff der
choli
Tragikomödie mit der Bezeichnung Hilarotragödie lächerlich,
da es nur zwei dramatische Stile gäbe, den tragischen und den
komischen. Aber heute, wo Mischung und Zermischung Trumpf
geworden sind, haben sich mit mancherlei anderen Auffassungen
auch die Stilbegriffe zu Tode „differenziert“, um dies beliebte
Modewort zu gebrauchen.
Schnitzler fühlt sich jedoch — bei aller Ehrlichkeit, die
Hilfe
ihn denn auch die Bezeichnung Tragikomödie wählen ließ-
wirk
ganz und nicht ohne Unbehagen als Kind seiner Zeit und
Dichter ihrer Bühne. Was ihr an Größe abgeht, wird durch
merk
Drat
psychologische Feinheit ersetzt; an die Stelle der Idee tritt
vollk
das Problem, meistens das Eheproblem; die Liebe schwindet,
aber es bleibt die Erotik; die Ehe wird nicht mehr ernst ge¬
nommen, wohl aber der Ehebruch, die Ehescheidung, der heim¬
tionc
liche und öffentliche Skandal. Auch in dieser Tragikomödie
das
fungiert Schnitzler als Spezialarzt für erotische Katzen= lust
10 0
Mauh glach
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24. Das teLand
das ist nichts die schauspielerische Leistung und die Kulisse. Nun, Carl
Hagemann, dessen eigenster Geschmack freilich wohl ganz an¬
Möglichkeiten,
dere Wege geht, weiß doch ganz gut jedem Drama das Seine
er rätselt, daß
zu geben und so war seine Inszenierung dieses neuesten
te, so gilt das
Schnitzler ganz auf üppige Schauwirkung gestellt und ent¬
rüher galt sie
faltete in den von einem verfeinerten Geschmack komponier¬
ten Landschaften und Interieurs allen Zauber der Kulisse.
tionslüsternen
Und die Darsteller erschöpften sich in feinen und komplizierten
dem Werk
Leistungen, um alle Nuancen in den Stimmungen des
ereiche Fabri¬
„weiten Landes“ herauszubringen. Meisterlich gelang dies
eine reizende
besonders Robert Nhil mit seinem Fabrikanten Hofreiter.
fären durchaus
Konrad Gebhardt in der Rolle des Marinefähnrichs, Carl
nn inbrünstig
Wagner als idealistisch angehauchtem Dr. Mauer und Hans
gen ein junger
Andresen in seinem Natter getauften Tartüff; aber auch
die Konzentra¬
die Damenrollen lagen in den besten Händen, was die
selber um die
ophelienhafte Genia Marie Elsingers, die kapriziöse Erna
n Unruhe, ob¬
Paula Siltens, die Frau Wahl Margarete Otto=Körners und
Verdacht sei.
die Anna Meinhold Franziska Aigners bewiesen. Von den
n eine Liebelei
sonstigen Darstellern seien noch Heinrich Langs Dr. Aigner,
nnt aber, daß
Paul Ellmars Gustav, Ludwig Brahms Portier Rosenstock,
liche Neigung
Emil Stettners Schriftsteller Rohn und Tony Heydorns
wird sich zum
Adele erwähnt.
Er wundert
Das Publikum, obwohl in seinen Erwartungen getäuscht,
iner Frau ent¬
st „ein weites
war gutmütig genug, dem Stück einen freundlichen Empfang¬
zu bereiten.
bei ihm in
Iven-Kfuse.
Marinefähnrich
ner egoistischen
ist seine Seele
el: er beleidigt
erschießt ihn.
sweise vor sich
, hat etwas
wenigstens das
flos eine Tragi¬
lächelt melan¬
aß die heutige
keine Ehe mehr
hörern? Und
wie verworren
irkung auf
ühne zu
che
tiges,
n. Be¬
gen der
hr un¬
nur
Sensa¬
dene
jam
and
Schnitzler: „Das weite Land“.
ver
Uraufführung im Deutschen Schauspielhause.
hoff
als
Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie behandelt ein Motiv
aus dem Gesellschaftsleben. Das Wort „Gesellschaft“ klingt
Ner
sehr gewichtig. Franz Blei machte dazu gelegentlich die
zug
witzige Randbemerkung: „Es ist unsere Ideologie, daß wir
noch immer eine Gesellschaft denken, wo es nichts als sehr
3
viele Leute gibt.“ Sie ist jedoch mehr als witzig, sie ist
n
auch richtig. Die mechanische zersetzende Entpersönlichung,
die Enteignung des Einzelwillens in der Gegenwart hat alle
Rangunterschiede der früheren Zei# in bruiale Geldunter¬
tion
schiede verwandelt. Der Mensch ist heute nur soviel wert,
Wel
als er zahlen kann; unsere Plutokratie ist ein schlechter
woh
Bastard von Aristokratie und Demokratie. Armer Dichter,
wie willst du einer so disparat gemischten Gesellschaft gerecht
werden? Die Tragödie ist ihr zu angreifend, die Komödie
sie
unter Umständen zu verletzend. Sie macht doch immer noch
eine
erste
Ansprüche darauf, ernst genommen zu werden, denn in der
Regel ist sie völlig humorlos. Und das um so mehr, als sie
sich
über sich keine Mächte — mit Ausschluß der „Obrigkeit“ —
bren
anerkennt. Der Himmel ist entgöttert, die letzten Mythen hat
Lan
Richard Wagner wie in einem Ramschbazar aufgekauft. Aber
den
da ist noch die Zeitung mit ihren Rubriken: „Verschiedenes“
3
„Aus der Gesellschaft" und „Polizeibericht“. Diese Dinge
Eite
sind außerdem ja viel „interessanter“. Und diese Rubriken
trotz
gaben Schnitzler denn auch die Anregung, in sein „Sehr viele
Leute"=Milien Leben und Bewegung, Tragik plus Komik
5
plus Tragik zu bringen. Die Bastardform der heutigen Ge¬
se
sellschaft erlaubt auch nur eine Bastardform der Dramatik.
G
Alle Kunstbegrenzungen sind heute verwischt. Noch Lessing
ko
verwarf zwar die Mischspiele und machte den Begriff der
choli
Tragikomödie mit der Bezeichnung Hilarotragödie lächerlich,
da es nur zwei dramatische Stile gäbe, den tragischen und den
komischen. Aber heute, wo Mischung und Zermischung Trumpf
geworden sind, haben sich mit mancherlei anderen Auffassungen
auch die Stilbegriffe zu Tode „differenziert“, um dies beliebte
Modewort zu gebrauchen.
Schnitzler fühlt sich jedoch — bei aller Ehrlichkeit, die
Hilfe
ihn denn auch die Bezeichnung Tragikomödie wählen ließ-
wirk
ganz und nicht ohne Unbehagen als Kind seiner Zeit und
Dichter ihrer Bühne. Was ihr an Größe abgeht, wird durch
merk
Drat
psychologische Feinheit ersetzt; an die Stelle der Idee tritt
vollk
das Problem, meistens das Eheproblem; die Liebe schwindet,
aber es bleibt die Erotik; die Ehe wird nicht mehr ernst ge¬
nommen, wohl aber der Ehebruch, die Ehescheidung, der heim¬
tionc
liche und öffentliche Skandal. Auch in dieser Tragikomödie
das
fungiert Schnitzler als Spezialarzt für erotische Katzen= lust
10 0
Mauh glach