II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 406

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24. Das veiteLand
.——
jeder Philister zu Tage fördern kann: Das Leben ist eines der
als die nach im
Kleines feuilleton.
schwersten. Der Tod ist kein Kinderspiel. Das Weib ist ein Rät¬
das wirklich hei
sel. Die Seele ist ein weites Land.
Mann wirklich
Aber schließlich kommt es bei seiner Dichtung nicht so sehr
Ausfüllung der
Hamburger Stadttheater.
auf das Grundmotiv an, als auf das, was der Dichter aus ihm
schiene, dann la
heraus zu holen gewußt hat. Und aus dem platten Gedanken
Hoffnung auf
Caruso.
daß die Seele ein weites Land ist, ließe sich großes, vielfältiges
Dann hat uns
Man wertet sonst den Sänger nach dem Werk. Inwieweit
herausholen. Aus ihm heraus ließe sich ein allumfassendes dra¬
den leuchtenden
er den Pulsschlag des Dramas spürt und spüren läßt, inwie¬
matisches Bild der modernen Welt geben. Zeigen, was alles in
Sumpf gebracht
weit er den musikalischen Absichten des Komponisten gerecht
der Seele eines führenden Mannes unserer Zeit beieinander
Ist das die
wohnt, bei einander wohnen muß: Politik, soziale Frage, In¬
wird, das gibt den Maßstab für seine Leistung. Bei Caruso
Sonst hätte er #
dustrie, Technik, Naturwissenschaft, Philosophie, Religion, Sport,
ist es beinahe umgekehrt. Man gerät bei ihm in Versuchung,
den Arzt gestell
Freundschaft, Feindschaft, Haß, Liebe; zeigen, wie das und anderes
Mädchen: Das
längst Gewertetes umzuwerten. Seine Kunst ist so produktiv,
durcheinander, gegeneinander und miteinander in einem Hirn lebt und
Abenteuern eine
so schöpferisch, daß das Werk sein eigen scheint. Er macht das
wirkt; darauf eine dramatische Handlung aufbauen: ein großer
kräftigere, rein
Werk lebendig, wo andere aus dem Werk für sich ein Scheinleben
Gedanke, des Schweißes der Edlen wert. Der Dichter, der ihn
dort ein frisches
schöpfen. Seiner starken Persönlichkeit glaubt man, daß sich
auszuführen verstünde, schüfe einen Helden, der sich getrost neben
Aber Doktor
den Zufälligkeiten des Dramas nur so begegnen läßt, wie er
den ersten Napoleon stellen dürfte.
diesen Stan
es eben tut — man würde es ihm glauben, auch wenn er ihnen
Im ersten Akt des neuen Stücks will es einmal so scheinen,
ihm,
ider
w
als ob der Dichter darauf ausginge, so etwas wie einen Na¬
anders begegnete, man würde ihm auch jede andere Fortsetzung
ihn
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poleon, wenn auch nur einen Napoleon im Bürgerstand, vor uns
des Dramas glauben, die er etwa für gut fände. Er stellt sich
heraufzuführen. Da wird uns der Held, noch ehe er selbst auf¬
nicht wie ein Virtuose in den Mittelpunkt
ein
nicht gesanglich,
tritt, von einem jungen Mädchen folgendermaßen geschildert:
Me
nicht „darstellerisch —, und ist doch treibende Kraft, ist doch
Früher dacht ich nämlich, daß Korsakow einfach sein Klavier¬
der, von dem die Geschehnisse abzuhängen scheinen.
spieler gewesen ist. So wie der Doktor Mauer sein guter Freund
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Man nimmt von ihm auch die musikalischen Schlacken wie
ist, Herr Natter sein Bankier, ich seine Tennis=Partnerin, der
den
ein Notwendiges hin, die Brutalitäten Leoncavallos wie die
Oberleutnant Stanzides sein Sekundant. Er nimmt sich von
Banalitäten Flotows oder des jungen Verdi.
jedem, was ihm gerade konveniert, und um das, was sonst in dem
K
Menschen stecken mag, kümmert er sich kaum.
Gestern abend stand er als Bajazzo auf der Bühne. Es ist
Aber es bleibt hier bei einem Ansatz, vielleicht auch bei einem
alles so verlaufen, wie Leoncavallo es vorgeschrieben hat — aber

nur versehentlich stehen gelassenen Rest eines größeren gedachten
doch ganz im künstlerischen Geiste Carusos, erst durch Caruso
Plans. Schnitzler bescheidet sich bald dabei, statt ein allumfassen¬
auf das Niveau glaubhaften Erlebens gehoben.
des Bild zu geben, sich im engen Rahmen des wieder und wieder
Die Stimme ist seinen künstlerischen Absichten, seinen Im¬
di
behandelten Genres der Liebelei zu halten. Und er sorgt dafür,
ib
pulsen immer gleich willfährig, sie strahlt in blühender Kraft und
daß auch wir uns dabei bescheiden und nicht mehr von ihm er¬
wird bei der vollendeten Sangeskunst, die sich ihm bis zur Selbst¬
warten. Im zweiten Akt läßt er seinen. Helden mit einer ver¬
ne
verständlichkeit mechanifiert hat, noch lange in gleicher Kraft
flossenen Geliebten sich unterhalten. Die sagt: Es gibt doch noch
strahlen.
was andres auf der Welt als — uns. Und Hofreiter antwortet
darauf: Ja, —
die Pausen zwischen der einen und der andern.
Frau Winternitz=Dorda (Nedda), Herr vom Scheidt
Die sind sa auch nicht uninteressant. Wenn man Zeit hat und
(Tonio), waren dem gefeierten Gast wackere Partner, während
in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Länder schreibt
Herr Kapellmeister Winternitz auf dessen Absichten mit fein¬
Sinfonien, wird Millionär . .. aber glaub mir, das ist doch
fühligem Verstehen einging.
M. I.
alles nur Nebensache. Die Hauptsache
seid ihr! — ihr
60 G
ihr!
Artbur Schnitzler: Dae weite Land.
Das weite Land bekommt für uns ein ganz andres Gesicht,
wenn wir das hören. Und kein erfreulicheres. Es sollte doch so
Ur=Aufführung im Deutschen Schauspielhaus.
vieles in ihm zugleich Raum haben. Nun wird all das viele
Das weite Land, das dem neuen Werk Arthur Schnitz¬
bloß auf die Pausen beschränkt mit Ausnahme der Liebe. Und
lers den Titel gegeben hat, ist die menschliche Seele. Im britten
ste
diese Liebe ist nicht die eine, große, alles in sch begreifende Liebe.
Akt sagt der Dr. Aigner zu dem Helden des Stücks, dem Fa¬
Die kennt keine Pausen, die weiß nichts von einem Uebergang
brikanten Hofreiter: Sollt es Ihnen noch nicht aufgefallen sein,
von der einen zur andern und von der andern zur dritten. Die
eudi
dem
was für komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde unds
hat nur eine Göttin und dient ihr lebenslang. Die Liebe, von
Werbungen zurück
So vieles hat zugleich Raum in uns —! Liebe und
der Hofreiter spricht, ist nichts andres als überreizte Sinnlichkeit,
ist davon zuerst
Treue ... Treue und Treulosigkeit ... Anbetung für die eine
die von Begierde zu Genuß taumelt und im Genuß nach Be¬
berührt. Es
und Verlangen nach einer anderen oder nach mehreren. Wir
gierde verschmachtet. Ist nicht die große, heilige Flamme, die
schuldlos neben i
versuchen wohl Ordung in uns zu schaffen, so gut es geht aber
auf einem Altar still und mächtig zum Himmel steigt, ist böses
wie oft er sie bei
diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches
Das Natür¬
Flackerfeuer, das, über Land laufend, ein Feld nach dem andern
Affäre mit Korsa
liche .., ist das Chaos. Ja — mein guter Hofreiter, die
kahl frißt und, überall schnell verschwindend, nichts zurück läßt
sie stolz darauf w#
Seele ... ist ein weites Land.
als Oede und Asche.
Tod getrieben zu
Kein sonderlich neuer Gedanke, den Schnitzler da aus¬
Armes Land, das von diesem Flackerfeuer zur Wüstenei ge¬
ihr gegenüber kle
sorechen läßt. Kaffeehaus=Weisheit, Stammtisch=Philosophie, die 1 macht wird. Arme Seelen, deren Weite nichts andres umspannt, 1 Gelicht — will e#