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24. basLand
DUNEINN Z.
relopue..
16 10. 111
= Der neue Schnitzler in Hamburg. Man schreibt uns
aus Hamburp# Bei der Hamburger Erst¬
aufführung wurde Schnitzlers oft in trügerische Episoden
zerflatternde, gelegentlich (im vierten Akt) allzutheatralische,
aber in der Dialogführung und in der Grundidee dichterische
Tragikomödie „Das weite Land“ sehr freundlich auf¬
genommen. Die sozusagen im Leben stehenden Hamburger
haben natürlich wenig Beziehungen zum eigentlichen Seelen¬
drama „Das weite Land: Aber das Stoffliche, Pikante,
Wienerische scheint ihnen sehens= und anhörenswürdig. So
wird, was ursprünglich inneres Leben war, Aufputz und An¬
nehmlichkeit. Aber immerhin: auf diese Weise gelangt ein
doch primitives, weil von den Hindernissen des Alltags arg
gehetztes Publikum, zu seinem bißchen Kunst. Unter Hage¬
manns korrekter und manchmal feiner Regie wurde recht
stimmungsvoll gespielt. Nhil war ein kultivierter und
über das stercotyp Wirkungsvolle weit hinausgehender Hof¬
reiter. Gewissermaßen verdünnter Extrakt aus Ibsens
Baumeister Solneß und Strindbergs „Totentanz"=Kapitän.
Dr. A. S.
Arthur Schnitzler: das weite Land.
Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.
(Eigener Bericht der Kieler Zeitung.)
Hamburg, 15. Oktober.
20
So lange Freiherr von Berger das Bestimmungsrecht
über das Hamburger Schauspielhaus besaß, ist sein Lands¬
mann an dieser Stätte kaum zu Wort gekommen. Bei
Direktor Dr. Hagemann beherrscht der Wiener Autor das
Repertoire. „Der Schleier der Beatrice" und „Anatol“
werden wechselweise aufgeführt, und diesen beiden Stücken
gesellt sich nach der erfolgreichen Uraufführung von Sonn¬
abend abend „Das weite Land“. Es ist nicht uninteressant,
diese drei grundverschiedenen Stücke miteinander zu ver¬
gleichen und dabei festzustellen, daß Schnitzler, ob er sich nun
mit dem kleidsamen und farbenprächtigen Gewand der Re¬
naissance drapiert, ob er die Chambres separées der vor¬
nehmen Restaurants oder das Junggesellen=Boudoir eines
Wiener Lebemannes vor seinen Zuschauern öffnet oder das
„füße Mädel“ mit einer strahlenden Gloriole umgibt, doch
eben immer Schnitzler ist, dem alles Erleben Erotik be¬
deutet. Auch seine Tragikomödie ist ganz auf Erotik ge¬
stellt, die dadurch noch besonders stark in die Erscheinung
tritt, daß alle diese Menschen lügen, betrügen,verraten, um
ihre Lebensgier zu sättigen, um jedes augenblickliche Ver¬
langen zu befriedigen.
Mit der Sicherheit des gewandten Bühnenautors stellt
Schnitzler in diesem Stück zwei Männer und zwei Frauen
einander gegenüber, Menschen, die fast das gleiche Schicksal
erlebt haben und es doch ganz verschieden tragen. Der Fa¬
brikant Friedrich Hofreiter ist ein ganz brutaler Herren¬
mensch, der sich nimmt, was ihn gelustet und der sich über
das langsame Altern durch einen immer neuen Liebesrausch
hinwegtauscht, um schließlich doch zu fühlen, daß seine
Sehnsucht nach dem großen Liebeserleben unbefriedigt
bleiben muß, weil er selber sich nicht mehr ganz zu geben
hat. Aber dennoch faßt er dieses strupellose Genießen als
sein gutes Recht auf, um trotzdem den Liebhaber seiner
Gattin im Duell zu erschießen, nicht weil er eifersüchtig ist,
nicht weil es ihn kränkt, betrogen zu sein, sondern einfach,
weil er dem Jüngling nicht gönnt, was er doch jahrelang
gering geachtet hat.
Herrscht hier absolut der Instinkt, so lebt in dem
Dr. von Aigner das ganz klare Bewußtsein, an seiner Frau,
die er liebte und dennoch betrog, niedrig gehandelt zu haben.
Und wie die beiden Männer, trotz der ziemlich gleichen An¬
lage und Auffassung, ihr Liebesleben ganz verschieden ge¬
stalten, so tragen auch die beiden Frauen den Schmerz ihrer
Enttäuschung verschieden. Die Gattin Aigners trennt sich
bei der ersten erkannten Untreue, um als Künstlerin ihre
höchste Aufgabe zu erfüllen und sich durch das Weh der er¬
littenen Kränkung zu reifstem Menschentum durchzuringen:
Frau Genia versucht schließlich, sich ihren Mann dadurch
wieder zu erringen, daß sie sich für die erlittene Unbill
rächt.
Mit derselben Sicherheit, mit der Schnitzler in seiner
„Liebelei“ diese etwas weibischen, genußsüchtigen Menschen
0
zeichnet, charakterisiert er hier die handelnden Personen,
aber während bisher an seinen Wiener Stücken immer die
Geschlossenheit der Ereignisse zu rühmen war, hat er hier
allerhand Episoden eingeflochten, die zwar das Milieu er¬
gänzen und die Situationen beleben, den Gang der Hand¬
lung aber unnötig aufhalten und beschweren. Und darin
liegt ein unverkennbarer Mangel. Die Hamburger Auf¬
führung unter der sicheren Führung von Direktor Hage¬
mann unterstrich diesen Mangel noch durch ein allzu lang¬
sames Tempo, während aus den Einzelleistungen Herr
Rhil und Frau Ellmenreich hervorragten. Ihrem
Spiel galt denn auch ein Teil des Dankes, der in warmer
F. R.
Herzlichkeit an die Schlußszene sich anreihte.
Ueber die gleichzeitig an einer Reihe von Bühnen ge¬
brachte Uraufführung des Schnitzlerschen Stückes liegen
folgende Meldungen vor: Berlin: Arthur Schnitzlers
Tragikomödie „Das weite Land“ wurde im Lessingtheater
mit Interesse und Anteilnahme ausgenommen;
ohne daß man von einem rechten Erfolge sprechen könnte.
Hannover: In der Schauburg zu Hannover fand
heute unter ungeteiltem großen Beifall bei vor¬
züglicher Darstellung die Uraufführung von Arthur Schnitz¬
lers „Das weite Land“ statt. — Leipzig: Schnitzlers
„Das weite Land“ machte bei seiner heutigen Uraufführung
im Neuen Stadttheater in einigen Szenen starken Ein¬
druck. Im
tungserf
Land“ erra
erfolg. —
beiden erste
von Artur
Nach dem d
zum Schluf
steigerte. —
sche Tragik
mäßig gutet
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und warm
Theater wu
Achtung, di
Im Publik
fall beme
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= Der neue Schnitzler in Hamburg. Man schreibt uns
aus Hamburp# Bei der Hamburger Erst¬
aufführung wurde Schnitzlers oft in trügerische Episoden
zerflatternde, gelegentlich (im vierten Akt) allzutheatralische,
aber in der Dialogführung und in der Grundidee dichterische
Tragikomödie „Das weite Land“ sehr freundlich auf¬
genommen. Die sozusagen im Leben stehenden Hamburger
haben natürlich wenig Beziehungen zum eigentlichen Seelen¬
drama „Das weite Land: Aber das Stoffliche, Pikante,
Wienerische scheint ihnen sehens= und anhörenswürdig. So
wird, was ursprünglich inneres Leben war, Aufputz und An¬
nehmlichkeit. Aber immerhin: auf diese Weise gelangt ein
doch primitives, weil von den Hindernissen des Alltags arg
gehetztes Publikum, zu seinem bißchen Kunst. Unter Hage¬
manns korrekter und manchmal feiner Regie wurde recht
stimmungsvoll gespielt. Nhil war ein kultivierter und
über das stercotyp Wirkungsvolle weit hinausgehender Hof¬
reiter. Gewissermaßen verdünnter Extrakt aus Ibsens
Baumeister Solneß und Strindbergs „Totentanz"=Kapitän.
Dr. A. S.
Arthur Schnitzler: das weite Land.
Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.
(Eigener Bericht der Kieler Zeitung.)
Hamburg, 15. Oktober.
20
So lange Freiherr von Berger das Bestimmungsrecht
über das Hamburger Schauspielhaus besaß, ist sein Lands¬
mann an dieser Stätte kaum zu Wort gekommen. Bei
Direktor Dr. Hagemann beherrscht der Wiener Autor das
Repertoire. „Der Schleier der Beatrice" und „Anatol“
werden wechselweise aufgeführt, und diesen beiden Stücken
gesellt sich nach der erfolgreichen Uraufführung von Sonn¬
abend abend „Das weite Land“. Es ist nicht uninteressant,
diese drei grundverschiedenen Stücke miteinander zu ver¬
gleichen und dabei festzustellen, daß Schnitzler, ob er sich nun
mit dem kleidsamen und farbenprächtigen Gewand der Re¬
naissance drapiert, ob er die Chambres separées der vor¬
nehmen Restaurants oder das Junggesellen=Boudoir eines
Wiener Lebemannes vor seinen Zuschauern öffnet oder das
„füße Mädel“ mit einer strahlenden Gloriole umgibt, doch
eben immer Schnitzler ist, dem alles Erleben Erotik be¬
deutet. Auch seine Tragikomödie ist ganz auf Erotik ge¬
stellt, die dadurch noch besonders stark in die Erscheinung
tritt, daß alle diese Menschen lügen, betrügen,verraten, um
ihre Lebensgier zu sättigen, um jedes augenblickliche Ver¬
langen zu befriedigen.
Mit der Sicherheit des gewandten Bühnenautors stellt
Schnitzler in diesem Stück zwei Männer und zwei Frauen
einander gegenüber, Menschen, die fast das gleiche Schicksal
erlebt haben und es doch ganz verschieden tragen. Der Fa¬
brikant Friedrich Hofreiter ist ein ganz brutaler Herren¬
mensch, der sich nimmt, was ihn gelustet und der sich über
das langsame Altern durch einen immer neuen Liebesrausch
hinwegtauscht, um schließlich doch zu fühlen, daß seine
Sehnsucht nach dem großen Liebeserleben unbefriedigt
bleiben muß, weil er selber sich nicht mehr ganz zu geben
hat. Aber dennoch faßt er dieses strupellose Genießen als
sein gutes Recht auf, um trotzdem den Liebhaber seiner
Gattin im Duell zu erschießen, nicht weil er eifersüchtig ist,
nicht weil es ihn kränkt, betrogen zu sein, sondern einfach,
weil er dem Jüngling nicht gönnt, was er doch jahrelang
gering geachtet hat.
Herrscht hier absolut der Instinkt, so lebt in dem
Dr. von Aigner das ganz klare Bewußtsein, an seiner Frau,
die er liebte und dennoch betrog, niedrig gehandelt zu haben.
Und wie die beiden Männer, trotz der ziemlich gleichen An¬
lage und Auffassung, ihr Liebesleben ganz verschieden ge¬
stalten, so tragen auch die beiden Frauen den Schmerz ihrer
Enttäuschung verschieden. Die Gattin Aigners trennt sich
bei der ersten erkannten Untreue, um als Künstlerin ihre
höchste Aufgabe zu erfüllen und sich durch das Weh der er¬
littenen Kränkung zu reifstem Menschentum durchzuringen:
Frau Genia versucht schließlich, sich ihren Mann dadurch
wieder zu erringen, daß sie sich für die erlittene Unbill
rächt.
Mit derselben Sicherheit, mit der Schnitzler in seiner
„Liebelei“ diese etwas weibischen, genußsüchtigen Menschen
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zeichnet, charakterisiert er hier die handelnden Personen,
aber während bisher an seinen Wiener Stücken immer die
Geschlossenheit der Ereignisse zu rühmen war, hat er hier
allerhand Episoden eingeflochten, die zwar das Milieu er¬
gänzen und die Situationen beleben, den Gang der Hand¬
lung aber unnötig aufhalten und beschweren. Und darin
liegt ein unverkennbarer Mangel. Die Hamburger Auf¬
führung unter der sicheren Führung von Direktor Hage¬
mann unterstrich diesen Mangel noch durch ein allzu lang¬
sames Tempo, während aus den Einzelleistungen Herr
Rhil und Frau Ellmenreich hervorragten. Ihrem
Spiel galt denn auch ein Teil des Dankes, der in warmer
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Herzlichkeit an die Schlußszene sich anreihte.
Ueber die gleichzeitig an einer Reihe von Bühnen ge¬
brachte Uraufführung des Schnitzlerschen Stückes liegen
folgende Meldungen vor: Berlin: Arthur Schnitzlers
Tragikomödie „Das weite Land“ wurde im Lessingtheater
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Hannover: In der Schauburg zu Hannover fand
heute unter ungeteiltem großen Beifall bei vor¬
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lers „Das weite Land“ statt. — Leipzig: Schnitzlers
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