II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 413

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I.
24. Das-eiteand
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surchtbar greller Effekt, ein Blitz, der den rasenden Gang
stimmte rustikale Ton, der auch das Burleske streift, wie in
zum Ende vermuten läßt. Es erfolgt schnell. Unnötig zu
dem zugfähigen „Guten Morgen, Herr Tackelton!“ — alles
sagen, daß Caruso dort maßlos gefeiert worden ist. Er hatte
Aufgebote, die „ziehen“ mußten und gelegentlich „frappieren“
den ganzen Abend das Publikum in seinem Bann. So kraß
können. Eine Wiederkehr des Werks gründet darauf ihren
das Produkt Jungitaliens, das er gewählt, so kraß und wild
Haupterfolg. Die gute Aufführung unter Herrn Selbergs
ist er im Durchleben dieser Buntheit von Burleske, Hans¬
belebender Leitung und Herrn Nowacks Szenenführung
wurstiade und Seelendrama; so unbekümmert in der
brachte in Herrn Lohfing als Tackleton, eine mit beweglichem
Verausgabung von Energie, von veristischem Beiwerk, im
Humor gewürzte Leistung, den einzigen aus der weit zurück¬
Verbrauch realistischer Darstellungskunst aus dem Arsenal
liegenden Besetzung. Die Dot wird jetzt von Frau Fleischer¬
eines heißblütigen Italieners. Das Fruptive Wesen dieses
Edel mit sympathischem Klange und gemütvollem Unterton
Komödianten Canio, die grellen Farben und dicken Impastos
gegeben. Die Puppenarbeiterin ist an die angenehmen
schienen nie als Ausgeburt der Sucht nach Effekt. Carnso
frischen Mittel des Frl. Lehmann gelangt. Das Heimchen
lebt sich da schonungslos aus. Seine Mimik beleuchtet immer
liegt Frau Puritz=Schumann recht günstig. Herr Hochheim,
blitzartig die Situation, wie sie ihm sich darbietet und wohin
der in deuheimat=Strophen auch das heimlich Wehmutvolle
das Unwetter zieht. Es ist nur ein Gedanke da, nach dem
gut tratsang den Seemann recht tüchtig. Ebenso fesselte
Tonio auf die Rache vertröstet und zum Schauspiel ange¬
Herr gem Scheidt als John, besonders in der markanten
feuert hat. Der Zeitpunkt zur Rache wird erspäht, bis dahin
Lsll-Stelle.
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lauert er und rumort blindwütig, läßt er fanchende Töne
—.—
vernehmen, einen unheimlichen Atem die Szene anfachen.
Wenn Caruso zu Ende, scheint es, er sei völlig aufgebraucht.
So schonungslos geht er auch mit der Stimme um. Vom Deu#
Deutsches Schauspielhaus.
canto-Künstler ist bei dieser Rolle wenig zu vernehme#
Das weite Land von Arthur Schnitzler.
Auch das Wenige wird in den Strudel einer realistischen #.
stellung gezogen. Eigentlich wird erst der Riccardo zühen,
Kennst Du das Land, das „weite" Land, das uns der
was noch Großes an italienischem Kunstgesang von##hm zu
Dichter in seiner neuen Tragikomödie schildert? Weitab
leisten.
liegt's von uns und liegt uns doch nah, viel näher als nah,
weil es mit uns selber geboren wird und in uns selber ver¬
borgen ist. Seine Grenzen sind weit, viel weiter als der
Karl Goldmarts MärchenspicloperMeinchen
menschliche Verstand. Denn es wächst über die Schranken
am Herd“, am Sonnabend dem Spielplank wieder einge¬
unseres bewußten Seins hinaus. Es gibt unserer meßbaren
fügt, nachdem sie ein Dutzend Jahre unbeachtet geblieben,
Eristenz eine unermeßliche Weite. Es nötigt uns die unge¬
hat seinerzeit hier längere Zeit gefallen. Ein Erfolg einer
wöhnlichsten, die ungeheuerlichsten Maße auf. Es erweitert
Darstellerin hat dazu viel mitgeholfen. Die spätere Probe
unseren Gesichtskreis. Es befreit unseren starren und klein¬
aufs Exempel hat der einst günstigen Stimmung nicht recht
zügigen Sinn aus der angeborenen oder anerzogenen Enge.
gegeben. Trotz des raffiniert ausgeklügelten orchestralen
Es treibt ihn allmählich zu der verzweifelten Erkenntnis,
Mäntelchens ist diese Musik fadenscheinig, oft dürr, zum Teil
daß unser Gefühlsleben keinen festumgrenzten Bezirk, kein
ein recht grobdrähtiges Gespinst. Eine vorgeschrittene Ab¬
eng umgrenzbares „Land“ bildet, weil abertausend gegen¬
geblichenheit ist heute gar nicht wegzuleugnen. „Ein Märchen
sätzliche und veränderliche Empfindungen darin jederzeit
war das Ganze, im Mondschein ward es gewebt“, singt das
Platz finden können.
Heimchen. Im Hinblick auf den musikalischen Autor ist das
Ein menschenkundiger Hoteldirektor und Doktor, der die
nur in bescheidenem Maße giltig; er schuf sehr wenig, das
verschiedenartigsten Känze in seiner fashienablen Alpen¬
uns mit Eindrücken umfängt, die denen gleich kommen, die
terbeige aus und ein geben läßt, trägt diese weitherzige
vom Stoffe ausgehen. Wie einst Neßler seine schwache
Weisheit einem grüblerischen Glühlichtfabrikanten vor.
Leuchte auf einen Scheffel stellte, so gelang es hier Gold¬
Seine symbotisch gefaßte Meinung hat einen eindringlichen
mark, vom Poesiehauch des Märchens seine Musiksegel blähen
Wortlaut, der ohne Schwierigkeit in's Ohr geht:
zu lassen, so daß er mit dem Strome schwamme wegen des
„Sollte es Ihnen noch nicht aufgefallen sein, was für
Stoffes. Und dieser ist gegenüber dem Original sehr ver¬
komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde sind? So
süßlicht, auf den Familiengeschmack berechnet. Es ist de. Wider.
vieles hat zugleich Raum in uns! Liebe und Trug
streit zwischen Tert und Musik, der den rauhen Mangel der
Treue und Treulosigkeit ... Anbetung für die Eine und
Oper bildet: ein innerer Kontrast. Das Vorspiel des letzten
Verlangen nach einer Anderen oder nach Mehreren. Wir
Akts in so ein Exempel. Tritt die Handlung dazu, macht nur
versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht,
das Groteske der Situation lachen, nicht der Musikhumorist.
aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches: Das
Gleichwohl müssen Vorzüge des Musikers da sein, um das
Natürliche — ist das Chaos. Ja, die Seele ist ein weites
tatsächliche Gefallen am Werke als eines Ganzen zu recht¬
Land..
fertigen. Der spekulative Kopf in orchestralen Dingen, der
Das Natürliche ist das Chaos, sagt ungefähr auch der
zum soundsovielten Male das dissonant zirpende Heimchen
Zirenhausdirektor und Doktor Begriffenfeldt, der den
ankündigt, die Einfälle, die dekorativen und illustrativen
erkenntnissuchenden Peer Gynt durch die ägyptische Narren¬
Zwecken dienen, alle keck hingeworfen; Allerweltsblümchen,
anstalt führt. Aber Ibsens Direktor schöpft seine Wissen¬
schön frisiert aufgetischt; und zuletzt der immer derber ge= I schaft aus toten und unfruchtbaren Begriffen. Und Schnitzlers
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