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24. Das weite Land
Alter die gewagtesten Touren verwehrt, mag er loren, entflieht. Seine junge Geliebte, die Herz und
ch die leichteren nicht mehr, die für ihn noch ganz Willen genug hat, sein Schicksal zu teilen, weist er
bedenklich wären. Er verzichtet restlos, wo er nicht zurück. Ihm ist nun gewiß, daß die Jugend nichts mit
gen kann: Bewußtsein der Greuzen. Hofeiter ihm zu schaffen hat. Und in dem Augenblick, da sein
Er ist keiner von denen, die sich jemals bei den.
heimgekehrter Sohn das Haus betritt, verläßt er
t seinem Freund, dem braven Doktor um mit
selbst es auf immer.
sehr modernen sehr entschiedenen, sehr ##nen
Die einzelnen Motive dieser Handlung sind
keitsstolzen Erna Wahl erklimmt er die lebens¬
natürlich durch vielerlei feingesponnene Gedanken,
jährliche Spitze. Droben, im Rausch der Höhe,
überraschende Spiegelungen und tonreiche Stim¬
bt es die beiden starken und stolzen Persönlich¬
mungstiefen mannigfach untereinander verknüpft.
en zueinander; Erna wird die Geliebte Hofreiters.
Dieses wuchernde Ausblühen feinster Beziehungen,
Indessen hat auch seine Frau einen gefunden,
die sich nur erfühlen, kaum analysieren und am
sie nicht wieder, wie jenen unglücklichen ersten,
wenigsten aufzählen lassen, beschwert, wie immer bei
icher Hoffnungslosigkeit überlassen will. Es ist Schnitzler, den Fortgang der Handlung. Sie rollt
Sohn des Hoteldirektors, der junge Marine=nicht gewaltig ab und schreitet nicht gerade hin,
rich. Hofreiter entdeckt bei seiner Rückkehr das sondern wird langsam und vorsichtig, Motiv für
hältnis. Der Selbstmord jeues Ersten, der sich Motiv, auf Wegen, die unmerklich ineinander¬
Liebe zu dieser Frau getötet hatte, war ihm laufen, dem Ziele zu gelenkt. Daraus ergibl
als unbegreiflich und unerträglich. Nun aber,
sich der Eindruck des epischen Nebeneinander, der
ler den Zweiten glücklicher sieht, treibt ihn seine
dramatisch umgemodelten Romantechnik, der Schnitz¬
klkeit, reizt ihn seine Nervosität, verführt ihn der
lers Dichtung nun einmal in ihrer vorsichtigen und
sch seines eigenen verliebten Taumels zu einer
delikaten Gedanklichkeit zuzuneigen scheint. Und
n Gebärde der Rache. Er provoziert den jungen
dennoch ist das Grundthema dieser Arbeit so drama¬
ischen zu einem Duell. Es soll eine ganz unbe¬
tisch, wie kaum ein zweites: es ist — genau besehen
kliche Sache sein Ehrenkomödie, um der Form
in einem unauffällig zeitgemäßen Gewande nichts
genügen. Aber der Fähnrich bleibt tot auf dem
anderes als das uralte, vom Genius der Völker in
Hofreiter hat ihn mit festem Willen erschossen.
vielerlei Mythen abgewandelte und beglaubigte
t aus Haß und nicht aus Eifersucht; sondern Thema vom trotzigen Verächter menschlicher Gesetze,
er in dem kühlen kühnen Ange des Neben= den das stärkere Gesetz nun doch zerschmettert und
ers den Blick der Jugend sah, der Jugend, vol
entfühnt. Eine Idee von unzerstörbarem Wert,
er sich trotz seiner sieghaften Unnahbarkeit nun jedem Alter neu und jeder Zeit gemäß. Denn die
verloren weiß.
Geset, unter denen erleuchtete Geister das Geschehen
Und darum muß er diesen einen, den er eben der Welt ansehen, wechseln von Geschlecht zu Ge¬
der Pistole hat, erschießen. Er weiß aber auch, schlecht; das eine Gesetz aber bleibt: daß auch der
dieser Sieg sein letzter und sein fruchtlosesten Unbesiegbarste sein Maß im ewig Menschlichen
sen ist, Er gibt sein gegenwärtiges Leben vers¬# siuben mnß
G
Es gibt wenig moderne Gesellschaftsstücke von gleich wirksam im leichten Geplauder wie in ver¬
so ausgesprochen tragischem Gehalt; und vielleicht ssonnener Nachdenklichkeit. Als Erna war Fräuleln
keines, bei dem die Tragik trotz der allzuzarten Form [Neff von liebenswürdiger Distinktion, der aber an den
noch so stark und aufrecht geblieben wäre. Das
entscheidenden Stellen etwa noch ein Mehr an unge¬
ist-
wie jede echte Tragik —
die Frucht eines
berdiger Kraft zu wünschen gewesen wäre. In der
tiefen und mächtigen ethischen Wollend. Auch hierin
Rolle des gemütvollen Freundes schuf Herr Schütz
verleugnet Schnitzlers Dichtung ihre Herkunft aus
wieder eine seiner vortrefflichen, ruhig umrissenen
dem Salonstück nicht, das ja auch immer in einer
Gestalten. Mit würdiger Vornehmheit sprach
moralischen Auseinandersetzung gipfelt. Nur daß
Fräulein John die Worte einer freiwillig Verein¬
bei dem modernen und unendlich verfeinerten
samten, kräftig und voll Gefühl Herr Tiller
Schnitzler die advokatorische Diskussion ganz ver¬
den Part ihres Sohnes, des Marinefähr richs. Den
mieden und alle Erkenntnis echt dichterisch auf das
verschlagenen und intriganten Bankier stattete Herr
Gefühl gestellt ist. So hat er, in weiter Distanz und
Manning mit einer beißenden Lustigkeit aus;
mit seinen andersgearteten Kräften, einen ähnlichen als mondäue Bankiersfrau war Fräulein Stein¬
Weg zurückgelegt, wie der große Heurik Ibsen. Und
heil recht repräsentatl“, als Mama Wahl Frau
in der Tat ist ja bei Schnitzler die Verwandtschaft
Monati sehr putzig und von diskretem Humor,
mit diesem mächtigen Gevatter der ganzen deutschen
als junge Herren aus der Gesellschaft, die Herren
Moderne noch am stärksten und am ehrenvollsten
Huttig, Balder und Kaden tadellos. Ein paar
zu spüren.
witzige Chargen, mit sicherem Blick aus der Welt
der Salons und Hotels herausgeholt, waren von
Fräulein Niedt, von den Herren Frieberg, Hofer,
An unserem Theater wird dieses Stück unter
Bauer und anderen vortrefflich nachgezeichnet.
der kundigen und geschmackssicheren Leitung Dr.
So kann dieser Abend — der erste, für den
Egers in seine richtige Atmosphäre gestellt. Wie¬
das Regime Teweles auf eigenste Gefahr und
nerisch weich und mit gefälliger Anmut gleiten die
— in jeder Hinsicht als
Verantwortung zeichnet
Szenen ineinander. In schärferer Kontur heben sich
ein glückliches Beginnen genommen werden. Er galt
die vier Hauptfiguren ab. Herr Faber spielt den
einem unserer liebsten und feinsten heimischen
Fabrikanten Hofreiter. Er stellte die Figur ganz auf
Dichter; er ließ in der Auswahl wie in der Aus¬
scharfe überlegene Geistigkeit und brachte so, in der
gestaltung dieser ersten Gabe Takt, Sorgfalt und
vorzüglichen Haltung, die ihm immer gelingt, die
künstlerischen Ernst erkennen. Die Ehren, die das
bestimmenden Grundlinien dieses Charakters in
Publikum während der schönen, wenn auch etwas
schöner Klarheit heraus. In recht interessantem
Gegenspiel hiezu betonte Fräulein Medelskysausgedehnten Vorstellung der Dichtung und ihren
auf das glücklichste gerade die herzlich weichen und Darstellern bereitete, waren vollauf verdient und
innig schlichten Züge an Frau Genia. Herr Rittig gebühren in nicht geringerem Maße auch denen, die
das Spiel angesetzt und geleitet haben.
konnte als philosophischer Hoteldirektor den ein¬
oringlichen Charme seiner Persönlichkeit entfalten,
Willi Handl.
1.—
e
24. Das weite Land
Alter die gewagtesten Touren verwehrt, mag er loren, entflieht. Seine junge Geliebte, die Herz und
ch die leichteren nicht mehr, die für ihn noch ganz Willen genug hat, sein Schicksal zu teilen, weist er
bedenklich wären. Er verzichtet restlos, wo er nicht zurück. Ihm ist nun gewiß, daß die Jugend nichts mit
gen kann: Bewußtsein der Greuzen. Hofeiter ihm zu schaffen hat. Und in dem Augenblick, da sein
Er ist keiner von denen, die sich jemals bei den.
heimgekehrter Sohn das Haus betritt, verläßt er
t seinem Freund, dem braven Doktor um mit
selbst es auf immer.
sehr modernen sehr entschiedenen, sehr ##nen
Die einzelnen Motive dieser Handlung sind
keitsstolzen Erna Wahl erklimmt er die lebens¬
natürlich durch vielerlei feingesponnene Gedanken,
jährliche Spitze. Droben, im Rausch der Höhe,
überraschende Spiegelungen und tonreiche Stim¬
bt es die beiden starken und stolzen Persönlich¬
mungstiefen mannigfach untereinander verknüpft.
en zueinander; Erna wird die Geliebte Hofreiters.
Dieses wuchernde Ausblühen feinster Beziehungen,
Indessen hat auch seine Frau einen gefunden,
die sich nur erfühlen, kaum analysieren und am
sie nicht wieder, wie jenen unglücklichen ersten,
wenigsten aufzählen lassen, beschwert, wie immer bei
icher Hoffnungslosigkeit überlassen will. Es ist Schnitzler, den Fortgang der Handlung. Sie rollt
Sohn des Hoteldirektors, der junge Marine=nicht gewaltig ab und schreitet nicht gerade hin,
rich. Hofreiter entdeckt bei seiner Rückkehr das sondern wird langsam und vorsichtig, Motiv für
hältnis. Der Selbstmord jeues Ersten, der sich Motiv, auf Wegen, die unmerklich ineinander¬
Liebe zu dieser Frau getötet hatte, war ihm laufen, dem Ziele zu gelenkt. Daraus ergibl
als unbegreiflich und unerträglich. Nun aber,
sich der Eindruck des epischen Nebeneinander, der
ler den Zweiten glücklicher sieht, treibt ihn seine
dramatisch umgemodelten Romantechnik, der Schnitz¬
klkeit, reizt ihn seine Nervosität, verführt ihn der
lers Dichtung nun einmal in ihrer vorsichtigen und
sch seines eigenen verliebten Taumels zu einer
delikaten Gedanklichkeit zuzuneigen scheint. Und
n Gebärde der Rache. Er provoziert den jungen
dennoch ist das Grundthema dieser Arbeit so drama¬
ischen zu einem Duell. Es soll eine ganz unbe¬
tisch, wie kaum ein zweites: es ist — genau besehen
kliche Sache sein Ehrenkomödie, um der Form
in einem unauffällig zeitgemäßen Gewande nichts
genügen. Aber der Fähnrich bleibt tot auf dem
anderes als das uralte, vom Genius der Völker in
Hofreiter hat ihn mit festem Willen erschossen.
vielerlei Mythen abgewandelte und beglaubigte
t aus Haß und nicht aus Eifersucht; sondern Thema vom trotzigen Verächter menschlicher Gesetze,
er in dem kühlen kühnen Ange des Neben= den das stärkere Gesetz nun doch zerschmettert und
ers den Blick der Jugend sah, der Jugend, vol
entfühnt. Eine Idee von unzerstörbarem Wert,
er sich trotz seiner sieghaften Unnahbarkeit nun jedem Alter neu und jeder Zeit gemäß. Denn die
verloren weiß.
Geset, unter denen erleuchtete Geister das Geschehen
Und darum muß er diesen einen, den er eben der Welt ansehen, wechseln von Geschlecht zu Ge¬
der Pistole hat, erschießen. Er weiß aber auch, schlecht; das eine Gesetz aber bleibt: daß auch der
dieser Sieg sein letzter und sein fruchtlosesten Unbesiegbarste sein Maß im ewig Menschlichen
sen ist, Er gibt sein gegenwärtiges Leben vers¬# siuben mnß
G
Es gibt wenig moderne Gesellschaftsstücke von gleich wirksam im leichten Geplauder wie in ver¬
so ausgesprochen tragischem Gehalt; und vielleicht ssonnener Nachdenklichkeit. Als Erna war Fräuleln
keines, bei dem die Tragik trotz der allzuzarten Form [Neff von liebenswürdiger Distinktion, der aber an den
noch so stark und aufrecht geblieben wäre. Das
entscheidenden Stellen etwa noch ein Mehr an unge¬
ist-
wie jede echte Tragik —
die Frucht eines
berdiger Kraft zu wünschen gewesen wäre. In der
tiefen und mächtigen ethischen Wollend. Auch hierin
Rolle des gemütvollen Freundes schuf Herr Schütz
verleugnet Schnitzlers Dichtung ihre Herkunft aus
wieder eine seiner vortrefflichen, ruhig umrissenen
dem Salonstück nicht, das ja auch immer in einer
Gestalten. Mit würdiger Vornehmheit sprach
moralischen Auseinandersetzung gipfelt. Nur daß
Fräulein John die Worte einer freiwillig Verein¬
bei dem modernen und unendlich verfeinerten
samten, kräftig und voll Gefühl Herr Tiller
Schnitzler die advokatorische Diskussion ganz ver¬
den Part ihres Sohnes, des Marinefähr richs. Den
mieden und alle Erkenntnis echt dichterisch auf das
verschlagenen und intriganten Bankier stattete Herr
Gefühl gestellt ist. So hat er, in weiter Distanz und
Manning mit einer beißenden Lustigkeit aus;
mit seinen andersgearteten Kräften, einen ähnlichen als mondäue Bankiersfrau war Fräulein Stein¬
Weg zurückgelegt, wie der große Heurik Ibsen. Und
heil recht repräsentatl“, als Mama Wahl Frau
in der Tat ist ja bei Schnitzler die Verwandtschaft
Monati sehr putzig und von diskretem Humor,
mit diesem mächtigen Gevatter der ganzen deutschen
als junge Herren aus der Gesellschaft, die Herren
Moderne noch am stärksten und am ehrenvollsten
Huttig, Balder und Kaden tadellos. Ein paar
zu spüren.
witzige Chargen, mit sicherem Blick aus der Welt
der Salons und Hotels herausgeholt, waren von
Fräulein Niedt, von den Herren Frieberg, Hofer,
An unserem Theater wird dieses Stück unter
Bauer und anderen vortrefflich nachgezeichnet.
der kundigen und geschmackssicheren Leitung Dr.
So kann dieser Abend — der erste, für den
Egers in seine richtige Atmosphäre gestellt. Wie¬
das Regime Teweles auf eigenste Gefahr und
nerisch weich und mit gefälliger Anmut gleiten die
— in jeder Hinsicht als
Verantwortung zeichnet
Szenen ineinander. In schärferer Kontur heben sich
ein glückliches Beginnen genommen werden. Er galt
die vier Hauptfiguren ab. Herr Faber spielt den
einem unserer liebsten und feinsten heimischen
Fabrikanten Hofreiter. Er stellte die Figur ganz auf
Dichter; er ließ in der Auswahl wie in der Aus¬
scharfe überlegene Geistigkeit und brachte so, in der
gestaltung dieser ersten Gabe Takt, Sorgfalt und
vorzüglichen Haltung, die ihm immer gelingt, die
künstlerischen Ernst erkennen. Die Ehren, die das
bestimmenden Grundlinien dieses Charakters in
Publikum während der schönen, wenn auch etwas
schöner Klarheit heraus. In recht interessantem
Gegenspiel hiezu betonte Fräulein Medelskysausgedehnten Vorstellung der Dichtung und ihren
auf das glücklichste gerade die herzlich weichen und Darstellern bereitete, waren vollauf verdient und
innig schlichten Züge an Frau Genia. Herr Rittig gebühren in nicht geringerem Maße auch denen, die
das Spiel angesetzt und geleitet haben.
konnte als philosophischer Hoteldirektor den ein¬
oringlichen Charme seiner Persönlichkeit entfalten,
Willi Handl.
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