II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 456

W0
box 29/1
24. Das seite-Land
darauf etwas zugute tun, daß sie es innerlich gegen das Alter die gewagtesten Touren verwehrt, mag er loren, entflieht. Seine junge Geliebte, die Herz und
ihn ausspielen könnte. Der Gedanke brennt seine auch die leichteren nicht mehr, die für ihn noch ganz Willen genug hat, sein Schicksal zu teilen, weist er
Eitelkeit so schmerzlich, daß er sich von ihm erholen unbedenklich wären. Er verzichtet restlos, wo er nicht zurück. Ihm ist nun gewiß, daß die Jugend nichts mit
muß. Wie in eiliger Flucht vor seiner eigenen Ner= siegen kann: Bewußtsein der Grenzen. Hofreiter ihm zu schaffen hat. Und in dem Augenblick, da sein
posität verläßt er sein Haus. Mit seinem aber ist keiner von denen, die sich jemals bescheiden. heimgekehrter Sohn das Haus betritt, verläßt er
Freund, dem braven und getreuen Arzt
(den Mit seinem Freund, dem braven Doktor und mit
selbst es auf immer.
Schnitzler auch schon in früheren Werken vorge¬
der sehr modernen sehr entschiedenen, sehr persön¬
Die einzelnen Motive dieser Handlung sind
zeichnet hat) geht er in die Alpen. In einem Hotel lichkeitsstolzen Erna Wahl erklimmt er die lebens¬
natürlich durch vielerlei feingesponnene Gedanken,
im Tiroler Hochgebirg findet er dann den größten gefährliche Spitze. Droben, im Rausch der Höhe,
überraschende Spiegelungen und tonreiche Stim¬
Teil seiner städtischen Gesellschaft wieder. Da ist der
treibt es die beiden starken und stolzen Persönlich¬
mungstiefen mannigfach untereinander verknüpft.
Bankier, der Mann jener Letzten, und diese selbst; keiten zueinander; Erna wird die Geliebte Hofreiters.
Dieses wuchernde Ausblühen feinster Beziehungen,
da ist die wortreiche, klatschhafte Frau Wahl mit
Indessen hat auch seine Frau einen gefunden,
die sich nur erfühlen, kaum analysieren und am
ihrem suobistischen Sohn und ihrer sehr modernen,
den sie nicht wieder, wie jenen unglücklichen ersten,
wenigsten aufzählen lassen, beschwert, wie immer bei
sehr entschiedenen, sehr persönlichkeitsstolzen Tochter tödlicher Hoffnungslosigkeit überlassen will. Es ist Schnitzler, den Fortgang der Handlung. Sie rollt
Erna; da ist der junge Mann mit dem vergeblichen der Sohn des Hoteldirektors, der junge Marine¬
nicht gewaltig ab und schreitet nicht gerade hin,
Fanatismus der Tennis=Meisterschaft, da sind die fähnrich. Hofreiter entdeckt bei seiner Rückkehr das sondern wird langsam und vorsichtig, Motiv für
Typen, Chargen und Karikaturen, mit denen
Verhältnis. Der Selbstmord jenes Ersten, der sich
Motiv, auf Wegen, die unmerklich ineinander¬
Schnitzler immer seine Gesellschaft der Gutangezo¬
aus Liebe zu dieser Frau getötet ha war ihm
laufen, dem Ziele zu gelenkt. Daraus ergibt
genen launig zu beleben weiß. Da trifft der Unstete,
damals unbegreiflich und unerträglich. Nun aber,
sich der Eindruck des epischen Nebeneinander, der
der seiner Empfindlichkeit entflohen ist, auch auf da er den Zweiten glücklicher sieht, treibt ihn seine
dramatisch umgemodelten Romantechnik, der Schnitz¬
einen, der ihm wie ein kaum verändertes Spiegel= Eitelkeit, reizt ihn seine Nervosität, verführt ihn der
lers Dichtung nun einmal in ihrer vorsichtigen und
bild seiner selbst erscheinen muß. Der Direktor des Rausch seines eigenen verliebten Taumels zu einer
delikaten Gedanklichkeit zuzuneigen scheint. Und
Hotels ist es; Lebemann, Politiker, Unternehmer, jähen Gebärde der Rache. Er provoziert den jungen dennoch ist das Grundthema dieser Arbeit so drama¬
und in allem ebenso erfolgreich, ebenso unverwüstlich, Menschen zu einem Duell. Es soll eine ganz unbe¬
tisch, wie kaum ein zweites: es ist — genau besehen
ebenso wenig sentimental, wie Hofreiter selbst. Auch
denkliche Sache sein. Ehrenkomödie, um der Form
in einem unauffällig zeitgemäßen Gewande nichts
er allein; seit vielen Jahren ist er, nach dem ersten
zu genügen. Aber der Fähnrich bleibt tot auf dem
anderes als das uralte, vom Genius der Völker in
Treubruch, den seine Gattin entdeckt hat, von den Platz. Hofreiter hat ihn mit festem Willen erschossen.
vielerlei Mythen abgewandelte und beglaubigte
seinen weg. Sein Sohn, jetzt schon Fähnrich bei der
Nicht aus Haß und nicht aus Eifersucht; sondern
Thema vom trotzigen Verächter menschlicher Gesetze,
Marine, ist ihm ein Unbekannter. Aber in außer¬
weil er in dem kühlen kühnen Ange des Neben= den das stärkere Gesetz nun doch zerschmettert und
ordentlich feinem Kontrastspiel hat der Dichter die= buhlers den Blick der Jugend sah, der Jugend, vor entfühnt. Eine Idee von unzerstörbarem Wert,
sem Typ der rücksichtslosen Selbstsicherheit einen der er sich trotz seiner sieghaften Unnahbarkeit nun jedem Alter neu und jeder Zeit gemäß. Denn die
Zug eingeprägt, der jenem anderen fehlt: das Be= doch verloren weiß.
Gesetze, unter deuen erleuchtete Geister das Geschehen
wußtsein der begrenzten Kraft. Früher einmal war
Und darum muß er diesen einen, den er eben der Welt ansehen, wechseln von Geschlecht zu Ge¬
er unter den Allerkühnsten; eine halsgefährliche
vor der Pistole hat, erschießen. Er weiß aber auch, schlecht; das eine Gesetz aber bleibt: daß auch der
Bergspitze, die er als erster touristisch bezwungen daß dieser Sieg sein letzter und sein fruchtlosesten Unbesiegbarste sein Maß im ewig Menschlichen
hat, führt seither seinen Namen. Aber seitdem ihm gewesen ist. Er gibt sein gegenwärtiges Leben ver### fi#den mind##

— An
Es gibt wenig moderne Gesellschaftsstücke von
so ausgesprochen tragischem Gehalt; und vielleicht ko#
keines, bei dem die Tragik trotz der allzuzarten Form N#
noch so stark und aufrecht geblieben wäre. Das en
ist — wie jede echte Tragik — die Frucht eines bei
tiefen und mächtigen ethischen Wolleno. Auch hierin Ro
wil
verleugnet Schnitziers Dichtung ihre Herkunft aus
dem Salonstück nicht, das ja auch immer in einer Ge
moralischen Auseinandersetzung gipfelt. Nur daß P
bei dem modernen und unendlich verfeinesten
Schnitzler die advokatorische Diskussion ganz ver¬ de
mieden und alle Erkenntnis echt dichterisch auf das
Gefühl gestellt ist. So hat er, in weiter Distanz und
mit seinen andersgearteten Kräften, einen ähnlichen
Weg zurückgelegt, wie der große Heurik Ibsen. Und!
M
in der Tat ist ja bei Schnitzler die Verwandtschaft
mit diesem mächtigen Gevatter der ganzen deutschen
Moderne noch am stärksten und am ehrenvollsten 10
zu spüren.
An unserem Theater wird dieses Stück unter
der kundigen und geschmackssicheren Leitung Dr.
Egers in seine richtige Atmosphäre gestellt. Wie¬
nerisch weich und mit gefälliger Anmut gleiten die
Szenen ineinander. In schärferer Kontur heben sich
die vier Hauptfiguren ab. Herr Faber spielt den
Fabrikanten Hofreiter. Er stellte die Figur ganz auf
scharfe überlegene Geistigkeit und brachte so, in der
vorzüglichen Haltung, die ihm immer gelingt, die
bestimmenden Grundlinien dieses Charakters in
schöner Klarheit heraus. In recht interessantem 9
Gegenspiel hiezu betonte Fräulein Medelsky
auf das glücklichste gerade die herzlich weichen und D
innig schlichten Züge an Frau Genia. Herr Rittig d
konnte als philosophischer Hoteldirektor den ein¬
oringlichen Charme seiner Persönlichkeit entfalten,