II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 462

box 29/1
24. Das veite-Land
M
Ausnahme von Genia alle Figuren des Stückes zusammen,
und Hofreiter begegnet auch Erna, in die er sich verliebt
hat. In der Nähe des Ortes gibt es einen Turm, den
Aigenturm, von dem vor 15 Jahren ein Freund Hofreiters“
abgestüzrt ist und seither hat sich niemand mehr getraut, den #
Turm zu besteigen. Hofreiter wagt es, und zwar in Ge¬
sellschaft Ernas. Er will sich von seiner Frau scheiden
lassen, um Erna zu heiraien. Sie küssen sich, und sie sagt
ihm, daß er heute nacht ihre Tür offen finden werde. In¬
zwischen hat Hofreiters Frau Genia in Baden mit jenem
Fähnrich ein Verhältnis begonnen. Die Sache kommt
Grescher Anzeiger, Dresder¬
Hofreiter in skandalöser Weise zu Ohren, und obwohl ihm
die Angelegenheit ziemlich gleichgültig ist, muß er sich mit
dem Fähnrich schlagen. Er erschießt ihn im Duell und da¬
mie ist das letzte Band zwischen den Ehegatten zerrissen.
S. 10. 1911
Er will verschwinden nach Amerika, irgendwo ins Un¬
bekannte. Er fühlt sich zu alt, er weicht vor der Jugend,
die er in dem Auge des sterbenden Fähnrichs aufblitzen
sah. Das Stück ist von einer nachdenklichen, resignierten
Stimmung erfüllt, die man im ersten und vierten Akt am
stärksten spürt. Die packendste und dramatischste Szene des
Theater und Mufik
Werkes enthält der fünste Akt: die Rückkehr Hofreiters vom
Duell und sein Zusammentreffen mit der Mutter des Ge¬
* Arthur Schnitzlers Tragikomödie Das weite Land.s töteten. Am meisten äußerliche Bewegung und Handlung
Wien., 14.=Oln In-Berlin und Wien, München, Prag und
noch einigen Städten wurde heute das neue Werk Arthur
enthält der dritte Akt, der in dem Dolomitenhotel spielt.
Schnitzlers gleichzeitlg gespielt. Ich zweifle, ob diese Tragi¬
Hier gibt es auch sehr viel episotistisches Füllsel, von dem
komödie eine Entwicklung des Dramatikers Schnitzler be¬
manches ziemlich konventionell und lustspielmäßig an¬
mutet. Aber manche bieser Nebenfiguren sind sehr eigen¬
deutet. Eher scheint mir dieses Werk zurückzuführen zufartig, zum Beispiel der philosophische und gebildete Hotel¬
früheren Dichtungen; zum Zwischenspiel und zum Ein=irektor, und er spricht auch das Leitmotiv des Stückes aus:
samen Weg, dessen tiefgründig nachdenkliche, kompliziert Wie Seele ist das weite Land.
verinnerlichte Art sich hier wiederfindet. Auch hier handelt
es sich um die Tragik des innerlich Einsamen und Altern¬

I. I. „
den. Der Fabrikant Hofreiter lebt mit seiner jungen Frauk
Genia in einex Villa in Baden bei Wien. Der erste Akti
setzt mit einer echt Schnitzlerschen Stimmung ein: die
Hauptsiguren kommen von dem Leichenbegängnis eines be¬
rühmten Pianisten, der sich erschossen hat. Man führt nach¬
denkliche und gleichmütige Gespräche über den Tob und
stellt Vermutungen über die Ursache des Selbstmordes auf.
Man glaubt allgemein, der Pianist habe sich aus un¬
befriedigtem Ehrgeiz das Leben genommen. Nur Hof¬
reiter ahnt einen anderen Grund. In einem Gespräch mit
seiner Frau wird die Ahnung zur Gewißheit. Der Pianist
hat sich aus unglücklicher hoffnungsloser Liebe zu Genia
umgebracht. Sie selbst zeigt ihrem Mann einen Brief, den
der Pianist eine Stunde vor seinem Selbstmord an sie ge¬
richtet hat.
In den übrigen Szenen des ersten Aktes
werden die sonstigen Figuren des Stückes eingeführt: eine
Frau Wahl und ihre Tochter Erna, ein junges kluges
Mädchen, eine Schauspielerin und ihr Sohn Otto, ein
junger sympathischer Marinesähnrich. Hauptsächlich wird
aber das Verhältnis der beiden Ehegatten zueinander!
charakterisiert. Er betrügt Genia fortwährend und sie er¬
fährt alles. Aber es ist ihr gleich, denn sie denkt nicht daran,
sich zu rächen. Hofreiter jedoch kann den Zwischenfall mit
dem Pianisten nicht vergessen. Es ist ihm ein unerträg¬
licher Gedanke, daß jemand gestorben ist, weil seine Frau
so unerbittlich und tugendhaft war. Er braucht einen Orts¬
wechsel und fährt in die Dolomiten. Dort, in einem Hotel
am Völser Weiher, spielt der dritte Akt. Hier treffen mit